voestalpine Stahl Donawitz GmbH & Co KG - Konkrete betriebliche Lösungen durch Wissensaustausch

    Schwerpunktthema Exzellente Wissensorganisation 2012

    11. Dezember 2012 von Initiative Exzellente Wissensorganisation

    Die Initiative "Exzellente Wissensorganisation" zeichnet Organisationen aus, die in vorbildlicher Weise Wissensmanagement umsetzen - Best Practices im besten Sinne. Voestalpine Stahl Donawitz wurde Sieger im Wettbewerb 2012. Die voestalpine Stahl Donawitz GmbH & Co KG ist ein österreichischer Stahlerzeuger mit einer langen Tradition. In den 80'ern und 90'ern Jahren kam es zu massiven Reorganisations- und Rationalisierungsprojekten, die zur Verunsicherung unter den Mitarbeitern und einer ungünstigen Altersstruktur führten. Die Mitarbeiter behielten ihr Wissen für sich, gleichzeitig würden sie in den nächsten 10 Jahren das Unternehmen verlassen. Die voestalpine Stahl Donawitz startete deshalb Anfang 2000 in einem Pilotbereich ein Wissensmanagement-Programm, in dem es vor allem darum ging, das unternehmensrelevante Wissen zu identifizieren, entwickeln und besser zu nutzen.

    Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Organisatoren der Initiative "Exzellente Wissensorganisation" Herrn Christian Keller, weitere Informationen über unseren Partner finden Sie auf http://www.wissensexzellenz.de.


    Das Unternehmen

    Die voestalpine Stahl Donawitz GmbH & Co KG ist ein österreichischer Stahlerzeuger mit einer langen  Tradition. Im Werk Donawitz werden jährlich rund 1,5 Mio. Tonnen hochwertiger Rohstahl zu Knüppeln bzw. Vorblöcken verarbeitet.

    Die Hauptkunden der voestalpine Stahl Donawitz befinden sich in Zentraleuropa. Rund 80% der Produktionsmenge wird an interne Kunden innerhalb des voestalpine-Konzerns geliefert. Die verbleibenden 20% gehen vorwiegend an Reroller (Bezieher von Stahlprodukten direkt vom Hersteller) und Schmiedebetriebe in Deutschland und Italien. Die voestalpine Stahl Donawitz ist Teil des voestalpine-Konzerns mit einem Umsatz von 12,1 Mrd. € im Geschäftsjahr 2011/12.

    Ausgangssituation und Ziele

    Verursacht durch große wirtschaftliche Schwierigkeiten Mitte der 1980er Jahre kam es zu massiven Reorganisations- und Rationalisierungsprojekten im Unternehmen, die bis in die 1990er Jahre dauerten. Dabei entstand Unsicherheit unter den Beschäftigten. Wissen wurde zur eigenen Absicherung gehortet. Die initiierten Projekte führten auch zu einer ungünstigen Altersstruktur innerhalb der Firma, und es war abzusehen, dass altersbedingt im Laufe der nächsten zehn Jahren etwa die Hälfte der Belegschaft nicht mehr verfügbar sein würde. Ein unkontrollierter Wissensabgang drohte.

    Die voestalpine Stahl Donawitz startete deshalb Anfang 2000 in einem Pilotbereich ein Wissensmanagement-Programm, in dem es vor allem darum ging, das unternehmensrelevante Wissen zu identifizieren, entwickeln und besser zu nutzen. Das heißt, es wurden zuerst die Konzepte entwickelt und anschließend die Werkzeuge dafür gesucht.

    Dabei wurden einerseits Methoden erarbeitet und angewandt, um systematisch das Wissen der Mitarbeiter für die Organisation nutzbar zu machen, und andererseits Systeme entwickelt, das aufbereitete Wissen – als kollektives Gedächtnis – bestmöglich zur Verfügung zu stellen.

    Als Grundlage der Umsetzung entwickelte das Unternehmen eine Kultur des vertrauensvollen Wissensaustausches, um Erfahrungen zu sichern, Wissen einander zur Verfügung zu stellen und so von den anderen zu lernen.

    Was konkret geschieht

    Aufbereitung und Transfer von Expertenwissen

    Eine wirkungsvolle Maßnahme zielt auf die Sicherung und den Transfer von Erfahrungswissen. Die Methodik findet  vor allem mit den Elementen Expertenrunden (vertikal) und Erfahrungsaustausch (horizontal) ihren Einsatz und wurde im Pilotbereich Hochofenbetrieb mit den operativen Führungskräften gemeinsam entwickelt. Außerdem wurde eine Wissensweitergabe vom Senior an den Junior (drittes Element) etabliert.

    Seit 2002 werden Expertenrunden (ER) durchgeführt. ER sind besondere Besprechungen mit einer Dauer von 1–3 Stunden, bei denen Mitarbeiter (=Experten) aus allen vier Schichten, unterschiedlichen Führungsebenen und Fachbereichen zusammenkommen, um konkrete Probleme zu analysieren sowie den gemeinsamen Stand der Erfahrungen zu definieren – mit dem Ziel, den besten Lösungsweg miteinander zu entwickeln und umzusetzen. Bis zur Problemlösung sind normalerweise nicht mehr als drei Folgetermine nötig. Aus einem „Ideenpool", in dem sich alle im Betrieb einbringen können, werden im Führungsteam, bestehend aus Betriebsleiter, operativen Führungskräften und Fachexperten, Prioritäten gesetzt und danach die ER definiert. Die Ergebnisse der Expertenrunden werden dokumentiert und stehen anderen Mitarbeitern wieder zur Verfügung. Die Einführung der Maßnahme haben die Führungskräfte selber übernommen und wenden diese aufgrund des Erfolgs regelmäßig an.

    Darauf aufbauend wurde 2004 das Prinzip des Erfahrungsaustausches von Facharbeitern – als horizontaler Wissensaustausch – eingeführt: Ein Mitarbeiter des Betriebes darf mit einem Mitarbeiter eines anderen Betriebes des Konzerns mit ähnlicher Aufgabenstellung für eine Woche gemeinsam an einer Aufgabenstellung arbeiten; danach kommt es zum Wechsel des Arbeitsplatzes. Abschließend erarbeiten beide gemeinsam ein Wissensdokument der Guten Praxis und stellen ihre Ergebnisse den eigenen Arbeitskollegen und Führungskräften vor.

    Der Nutzen der Expertenrunden und des Erfahrungsaustausches ist für die Beteiligten unmittelbar sichtbar - durch die umgesetzten Lösungen für die alltäglichen Probleme und durch eine offenere Kommunikation. Zum Teil werden identifizierte oder erarbeitete Themen zusätzlich im betrieblichen Verbesserungswesen BVW bewertet und honoriert.

    Die Wissensweitergabe von Experten an Nachfolger oder Stellvertreter – als drittes Element – ist eine äußerst sensible und komplexe Aufgabe, da es dem Experten nur selten möglich ist, seine langjährigen Erfahrungen und sog. „Ätzes“ (Ratschläge, Tipps) strukturiert und gut verständlich wiederzugeben und persönliche Sympathie eine große Rolle für die Lernbereitschaft spielt.

    So ist die fallweise Begleitung der Personen durch interne Mitarbeiter, z.B. einer Führungskraft, auf der Basis strukturierter Fragen darauf bedacht, einerseits langjährige Erfahrung wertzuschätzen und andererseits neue Impulse im Gespräch miteinander zuzulassen, um ein vertrauensvolles Miteinander zu entwickeln und einen für beide Seiten erkenntnisbringenden Übergabeprozess zu führen. Ein Leitfaden liefert bei dieser Aufgabe für beide Wissensträger Unterstützung. Eine bedeutende Rolle spielt hier die Wissenslandkarte als Orientierungssystems, um zu erkennen, wo wann und wofür dieses Wissen im Unternehmen bedeutsam ist. Erfahrungen aufzubereiten, Wissen zu entwickeln und zu dokumentieren, ist gleichzeitig ein wichtiges Ergebnis des Lernprozesses für den „Senior“ wie für den „Junior“.

    Wissensdokumente für den Betrieb

    Parallel zur Aufbereitung des Expertenwissens wurde eine Analyse der betrieblichen Dokumentationen durchgeführt. Schnell wurde deutlich, dass hier Verbesserungspotenzial vorhanden war. Aus den ursprünglich mehreren hundert sog. "Dokumentsorten" wurde im Zuge der Überprüfung ein verständliches Konzept mit drei Kategorien von Dokumenten (beschreibend – vorschreibend – erläuternd) und wenigen Dokumentsorten entwickelt, z.B. Reisebericht, Verfahrensbericht, Arbeitsanweisung.

    Zentrales Element sind formulargestützte „Wissensdokumente", die in das seit 2004 vorhandene Dokumentenmanagementsystem (DMS) integriert wurden. Mit Hilfe eines „Masterblattgenerators“ wird ein Deckblatt mit ausgewählten Metadaten zum Hauptdokument erstellt, um auf einer Seite alles Wesentliche zusammenzufassen und einen schnellen Überblick zu ermöglichen. Diese Metadaten helfen einerseits bei der strukturierten Archivierung und andererseits bei der Suche nach relevanten Informationen bzw. Dokumenten.

    Die größte Herausforderung in der Umsetzung bestand darin, die Mitarbeiter an das Arbeiten mit dem DMS anstelle bekannter Office-Applikationen zu gewöhnen, da zudem mit der Einführung auch die Etablierung eines stringenten Berechtigungskonzepts für das Erstellen, Bearbeiten, Verteilen und Lesen der Dokumente einherging.

    Seit der Umsetzung im Hochofenbetrieb wurde Wissensmanagement in den folgenden Jahren nach und nach auch in den anderen Bereichen eingeführt. Mittlerweile sind die Wissensdokumente verbindlicher Standard bei vielen Dokumentationsaufgaben in Betrieb, Instandhaltung und Forschung. Aktuell sind ca. 340 Mitarbeiter in diesem System integriert, also nahezu alle, die über einen eigenen PC am Standort verfügen. Etwa ein Drittel der Anwender sind schreibende Mitarbeiter, der größere Teil greift lesend darauf zu.

    Durch die Nutzung einer gemeinsamen Wissensbasis am Standort werden unzählige redundant abgelegte Daten und unklare Versionen vermieden. Dadurch konnten bereits viele unproduktive Stunden eingespart oder in Einzelfällen sogar Produktionsausfälle verhindert werden, weil wichtige Wissensdokumente schnell und verlässlich verfügbar waren.

    Weitere Maßnahmen

    Zur Strukturierung der Wissensbestände im Unternehmen und als Grundlage des Dokumentenmanagements sowie des Suchportals verwendet die voestalpine Stahl Donawitz eine Wissenslandkarte als semantisches Konzeptnetz. Diese hilft beim Anlegen von Dokumenten im DMS (Themenstruktur), beim Auffinden von Informationen und soll mittels einer neuen Web-Applikation ganz besonders beim interaktiven Lernen durch Erkennen von Zusammenhängen zusätzlichen Nutzen bringen.

    Das Suchportal im Intranet ermöglicht den Mitarbeitern, die Wissensbasis und weitere Datenquellen gemäß definierter Zugriffsberechtigungen zu durchsuchen. Das Setzen von Filtern, gesteuert durch die Wissenslandkarte, erlaubt dem Nutzer eine rasche und gezielte Eingrenzung der Suche auf seine jeweiligen Bedürfnisse.

    Nutzen und Ausblick

    Nach der Umsetzung der Wissensmanagement-Initiativen greifen heute mehrere hundert Mitarbeiter am Standort auf ein lernfähiges System zu, das sie fast unbemerkt unterstützt, ihr Wissen in geeigneter Form für sich selbst und andere bereitzustellen. Der Wissensaustausch zwischen den Betrieben des Unternehmens wurde hierdurch wesentlich einfacher und selbstverständlicher. Die Kultur des Vertrauens und des produktiven Miteinanders bewirkte zahlreiche Verbesserungen. Durch die praktische Anwendung der Mitarbeiter im Tagesgeschäft stieg die Akzeptanz der technischen und organisatorischen Lösungen stetig.

    Der Umgang mit Informationen und Wissen wird bei der voestalpine Stahl Donawitz kontinuierlich weiterentwickelt. Erste Handlungsfelder für die Zukunft wurden bereits identifiziert. Die Wissenskommunikation soll als zentrale Aufgabe der mittleren und operativen Führungsebene verstanden und vorgelebt werden, um die Weitergabe von Wissen im gesamten Unternehmen zu verankern. Außerdem soll die interne Kommunikation verstärkt werden, um anhand von Best-Practice-Beispielen und dokumentierten Erfolgen die positiven Effekte im gesamten Unternehmen und in Richtung anderer Konzernbereiche herauszustellen.

    Darüber hinaus ist der Aufbau eines Schulungszyklus zur „Dokumentation im Betrieb" (Dokumentieren – Strukturieren – Visualisieren) geplant. Dadurch soll die Professionalität in der Entwicklung von Wissen und im Umgang mit Informationen und den entsprechenden Systemen weiter gesteigert werden.

     

     

Kommentare

Das Kommentarsystem ist zurzeit deaktiviert.