Wissensnetzwerke

    04. März 2004 von Dr. Bernhard von Guretzky

    Wertschöpfung wird von der Fähigkeit bestimmt, verteiltes Stakeholderwissen überall im Unternehmen mobilisieren zu können. Dieses wird damit zur wichtigsten Austauschware in Netzwerken, denn damit gewinnt man einen Vorteil gegenüber Konkurrenten oder knüpft nützliche Kontakte. Daher ist eine wichtige Voraussetzung, um in ein Netzwerk aufgenommen zu werden, dass man als potenzieller Informationslieferant gilt - ob nun berechtigt oder unberechtigt. Ziel dieses Papiers ist es, die verschiedenartigen Strukturen solcher Wissensnetze zu beschreiben.

    Jedes Netzwerk funktioniert,
    wenn Gemeinsames gewollt und gesichert wird.
    Ohne Netzwerk ist jemand
    in der Savanne der Wirtschaft einsam.
    C. P. Seibt

    Problemstellung

    Wir sind am Übergang von der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft zur Wissensgesellschaft. Sicherer im Sinne von planbar wird die Wissensgesellschaft nicht, denn diese viel beschworene Eigenschaft der Nachkriegsgesellschaft war eh eine Illusion, da das Einzige, was wirklich feststeht, der Wandel ist. Dabei vollzieht sich der Paradigmenwechsel auf zwei Ebenen: Nicht mehr Arbeit und Kapital schafft Wohlstand, sondern mehr Wissen und Innovation schafft Wohlergehen. Die Abhängigkeit der Gesellschaft von Wissen geht damit einher mit der Stärkung der Wissenden als Gruppe und dem Zerfall der Autorität der einzelnen Experten. Da Wissen stets emanzipatives Potenzial hat, wird die Welt wohl spannender, kommunikativer, damit zukunftsfähiger und letztlich auch humaner.

    Wie spätestens seit Ende der neunziger Jahre allgemein zu beobachten ist, löst sich das Normalarbeitsverhältnis auf, und damit verschwindet auch die planbare bürgerliche Biografie. Die Wissensgesellschaft (und nicht der Kommunismus) bringt den neuen Menschen hervor, der in der Lage sein muss, sich von der eigenen Vergangenheit zu lösen und ohne feste Ordnung auszukommen. Mit jeder Hierarchie-Ebene, die abgebaut, mit jeder Abteilung die ausgelagert wird, schwinden die Biotope für Leute, die nach alter Väter Sitte weiterwursteln wollen. "Sich ausdrücken, verändern, geistig und physisch mobil sein, das ist die eigentliche Garantie gegen Armut", schreibt der Zukunftsforscher Mathias Horx. Es besteht also die Notwendigkeit, so etwas wie eine Kultur der Veränderung auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu etablieren.

    Ausgehend von der These, dass Wissen zunehmend weniger individuell erzeugt und genutzt als vielmehr verteilt und in Gruppen erzeugt wird, können organisierte und institutionalisierte Formen der Kommunikation - Netzwerke also - als Instrumente des Wissensmanagement betrachtet werden. Wirtschaft wie Wissenschaft haben sich also gleichermaßen dem Problem zu stellen, wie untereinander Wissen ausgetauscht und bewertet wird.

    Globale wie lokale Netzwerke des verteilten alternativen Wissens werden damit zu Trägern der post-industriellen Gemeinschaften und Unternehmen werden künftig stärker in die "Fitness und Unterstützungsökonomien dieser Netzwerke" (M. Horx) investieren. Solche Wissensnetze scheinen die einzige Möglichkeit zu sein, der zunehmenden Komplexität und Unüberschaubarkeit in Wirtschaft und Gesellschaft, die den einzelnen in zunehmendem Masse behindert, zu begegnen. Dabei darf man persönliche, von einzelnen Personen abhängige Netze, nicht mit Institutionsnetzwerken, verwechseln, die eben auch dann funktionieren, ohne dass man einander kennt. Natürlich entfalten auch persönliche Netze ihre Wirkung, aber sie hängen oft sehr an einzelnen Persönlichkeiten, so dass das Netzwerk zusammenbricht, wenn diese Personen ausfallen.

    Der Begriff Netzwerk hat einen technischen Beigeschmack. So benutzt stattdessen der Innovationsberater und Erfinder der "stage-gate-Methode" Robert Cooper (siehe [1]) den Ausdruck "Schwarm", um die individuelle Beweglichkeit und die Fähigkeit zu umschreiben, nahezu instinktiv gemeinsam aus einer kollektiven Intelligenz heraus zu handeln. In diesem Sinne sollen im Folgenden die Voraussetzungen und Eigenschaften der Netzwerke für den Austausch von Wissen und Kommunikation beschrieben werden. Der Stellenwert von Wissensnetzen lässt sich an der Anzahl der diesbezüglichen Literatur ablesen, die in den letzten drei Jahren geradezu explodiert ist. Deshalb werden in diesem Artikel nur einige Aspekte des Themas herausgegriffen, das - wie üblich an dieser Stelle - gegen den Strich behandelt wird. Jedoch sei auf die Linkliste verwiesen, von der man schnell im Thema weiter surfen kann.

    Kompetenz oder "Worin bin ich wirklich gut?"

    Vor dem Hintergrund des o. g. Übergangs von der Industrie- zur Wissensgesellschaft und dem damit einhergehenden Paradigmenwechsels vom Wohlstand zum Wohlergehen, ist die Arbeit und ihr Umfeld zum Schlachtfeld zwischen Langeweile und Begeisterung geworden. Intensiv, unterhaltend oder bedeutend für das persönliche Wertesystem sind Adjektive geworden, die im Zusammenhang mit der Arbeitswelt zunehmend wichtiger werden. Einfach deswegen, weil die Arbeit immer mehr in das Leben integriert und weniger abgespalten wird: Die Arbeit sollte wie das Leben selbst sein: manchmal Spaß machen, innerlich bewegend, oft frustrierend und durch sinnvolle Vorgänge bestimmt sein. Umso wichtiger wird es für den Einzelnen herauszufinden, worin er gut sein kann und was einen Zusammenhang mit seinem persönlichen Wertesystem hat. Nur so wird er in der Lage und Willens sein, Höchstleistungen zu vollbringen. Diejenigen, die ihren Platz gefunden haben, werden deshalb kaum ihre Arbeit als aufregend oder herausfordernd bezeichnen, sondern wohl eher Begriffe wie sinnvoll, bedeutend oder erfüllend wählen und die Trennung zwischen Arbeit und "Freizeit" aufheben. "Sich alle Optionen offen zu halten", ist dagegen eine Ausrede, sich nicht auf die vor einem liegenden Aufgaben einzulassen. In der coolen Beobachterrolle wird man sein Potenzial nicht ausschöpfen können. Bei der Frage, worin man wirklich gut sein kann, kommt es auf die mitschwingenden Gefühle an. Denn die Antwort darauf sollte einen nicht nur für ein paar Monate begeistern, sondern mehrere Jahre im Banne halten können. Bei der Suche nach der Antwort darauf, für welche Art von Tätigkeit man sich also über einen längeren Zeitraum begeistern kann, lässt sich trotzdem planmäßig vorgehen, etwa in dem man Antworten auf folgende Fragen findet:

    • Weiß ich, was im Unternehmen von mir erwartet wird?
    • Habe ich die organisatorischen Möglichkeiten und technischen Hilfsmittel, das Beste zu geben?
    • Erfahre ich Wertschätzung und Bestätigung in meiner Tätigkeit?
    • Will ich allein oder im Team tätig sein?
    • Empfinde ich meine Tätigkeit als persönliche und inhaltliche Herausforderung?
    • Kann ich mich mit den Zielen meiner Tätigkeit und des Unternehmens identifizieren?

    Die Antworten auf diese Fragen müssen natürlich auch dem Unternehmen nutzen und seine Kompetenz erhöhen, sonst bleibt es für die Firma ein belangloses Unterfangen. Dabei geht es nicht nur um technologische Kompetenz, sondern ebenso um emotionale (wie gehe ich mit Stakeholdern wie Kunden, Lieferanten, Partnern und Mitarbeitern um) und operative bzw. Handlungskompetenzen, die letztendlich die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ausmachen.

    Der Kompetenzbegriff wurde von K. North mit Wissensmanagement in Verbindung gebracht, dabei zeichnet er sich durch folgende Faktoren aus (siehe auch [2]):

    • Wissen, verstanden als Handlungswissen,
    • Motivation, die die Entfaltung persönlichen Wissens erst ermöglicht und
    • Organisationsstrukturen, die den Mitarbeitern die Gelegenheit zur Anwendung ihres Wissens bieten.

    Damit Unternehmen am Markt erfolgreich sein können, braucht es ein Kompetenzportfolio, also ein breit gefächertes Wissen im Unternehmen, das diesen Kompetenzen zugrunde liegt und sie trägt. Dabei wirken Kompetenzen einerseits auf die strategische (technologische) Ausrichtung des Unternehmens und andererseits auf das operative Geschäfte sowohl nach innen wie nach außen. Zu den sog. operativen Kompetenzfelder gehören:

    • Kundenkompetenz basierend auf Wissen über Markt und Kundenbedürfnisse, einzelne Kunden und den Umgang mit ihnen.
    • Partnerkompetenz basierend auf Wissen über Mitbewerber und die Fähigkeit zur Gestaltung von Partnerbeziehungen.
    • Marktstrategie und Portfoliosteuerung basierend auf der Einbindung externen und internen Branchenwissens und einem darauf aufbauenden Ideenmanagements zur Bewertung und Generierung sowie der Fähigkeit zur Umsetzung von Ideen (siehe auch [3], [4]).
    • Führungskompetenz beeinflusst die Mitarbeitermotivation und damit direkt die Produktivität im Unternehmen.
    • Prozesskompetenz basierend auf Wissen über Abläufe und Gestaltungsfähigkeit von Geschäftsprozessen.

    Strategische Kompetenzfelder dienen den langfristigen Unternehmenszielen. Die hier zu verteidigenden und auszubauenden Kernkompetenzen bilden die künftigen Konstanten der Unternehmensstrategie (siehe auch [5]). Dazu gehören:

    • Projektkompetenz basiert auf der Fähigkeit, Projekte erfolgreich zu führen und zu steuern.
    • Innovationskompetenz basiert auf der Fähigkeit, die Kreativität der Mitarbeiter im Unternehmen mit geeigneten Zielformulierungen in geeignete Produkte bzw. Dienstleistungen umzusetzen (siehe auch [3], [4]).
    • Entscheidungskompetenz
    • Lern- oder Veränderungskompetenz basiert auf der Fähigkeit, das Unternehmen schnell einem sich innen wie außen sich dynamisch verändernden Umfeld anzupassen. Da Experten Probleme frühzeitig wahrnehmen und auf unbekannte Herausforderungen mit einer metakognitiven (=intuitiven) Strategie reagieren, ist diese Fähigkeit als Kompetenz besonders anzuerkennen und zu fördern.

    Die Frage nach den persönlichen Kompetenzen ist also im Rahmen dieser neun Kompetenzfelder zu beantworten. Dabei muss auf Anhieb erkennbar sein, auf welchem Gebiet man zu außerordentlichen Leistungen fähig und willens ist. Dazu bieten sich Positionen oder Fachgebiete, in denen man sich bewähren kann, auch wenn diese i. a. riskanter sind als 08/15-Herausforderungen, die sich als Karriereempfehlung sowieso immer weniger empfehlen.

    Knowledge Warehouse

    Beim Wissensmanagement lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Strategien verfolgen, der sog. kodifizierte Ansatz und der personalisierte Ansatz (siehe auch [6]). Beim ersteren geht es darum, explizites Lösungswissen in Form von Lessons Learnt oder best Practices zur Wiederverwendung von Wissen den Mitarbeitern in Wissensbasen - dem sog. Knowledge Warehouse - zur Verfügung zu stellen. Der personalisierte Ansatz dagegen dient der Unterstützung schwer formalisierbarer, innovativer Aufgaben, wo bereits erarbeitetes, explizites Wissen i. a. keine neuen Impulse geben kann. Hier führt nur der Aufbau eines Netzwerkes zwischen Experten - dem sog. Wissensnetzwerk - weiter, der den interpersonalen Austausch impliziten Wissens unterstützt. Explizites, abrufbares Wissen wird also durch den kodifizierbaren Ansatz beschrieben, während implizites Wissen, das in der Kommunikation erarbeitet wird, durch den personalisierten Ansatz beschrieben wird. Das Knowledge Warehouse ist demnach durch eine "Person-Dokument-Beziehung" definiert, während das Wissensnetz auf einer "Person-Person-Beziehung" basiert. Folgende Tabelle (nach [6]) soll die Unterschiede zwischen beiden Ansätzen verdeutlichen:

    Kodifizierung

    Träger

    Personalisierung

    Wiederverwendung von Wissen

    Geschäfts- strategie

    Individuelles Know-How

    konkretes Problemlösungswissen

    Mitarbeiter

    abstraktes Problemlösungswissen

    wiederkehrende Aufgaben

    Aufgabestellungen

    Innovationen, Kreativität

    Unterstützung der Wissensbasen

    Technologie

    Unterstützung der Kommunikation

    Knowledge Warehouse

    WM-Strategie

    Wissensnetzwerk

    Beim Knowledge Warehouse steht die Standardisierung und Nutzung strukturierten Wissens im Vordergrund. Der Fokus liegt demnach auf der Formalisierung von Wissen und seiner Darstellung in einem IT-System, wobei folgende Punkte zu berücksichtigen sind:

    • Umsetzen von impliziten in explizites Wissen,
    • schaffen von "Identitäten" in den virtuellen Räumen oder
    • kreieren neues Wissens durch Unterstützung von Kommunikation,

    wobei automatisierte Methoden der Daten- und Textanalyse wie Data-Mining oder online analytical processing (olap) angewendet werden können. Für die Verwaltung der Wissensobjekte dienen etwa Content Managementsysteme, während für den Zugriff Datenbankmethoden, Suchmaschinen oder Groupwaresysteme zum Einsatz kommen können.

    Wissensnetze

    Wissensnetze sind ein Kennzeichen der Wissensgesellschaft. Sie entstehen nur zwischen Menschen als den Wissensträgern und nicht durch Apparate. Wissen in und zwischen Organisationen wächst, wenn die Wissensträger es miteinander austauschen und (es) auf Aufgaben beziehen. Wissensnetze übernehmen damit eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe und lösen in ihrer Bedeutung ältere Netze wie z. B. Handels-, Verkehrs- oder Energienetze ab. Sie ersetzen sie nicht, aber sie sind heute der entscheidende Motor für jede wirtschaftliche Entwicklung.

    Diese kommunikative Sicht auf das Wissensmanagement korrigiert die bislang dominierende Stellung des Knowledge Warehouse und fügt ihm eine Netzwerkkomponente zu, die der Erhöhung der Kompetenz der beteiligten Personen dient. Dabei gibt es keine Einbahnstraßen im vampiristischen Sinne; solche Komponenten funktionieren nur im gegenseitigen Austausch. Formal lassen sich Wissensnetze als Träger von Interaktionen zwischen Personen definieren, die räumlich verteilt und ausgestattet mit passender Kommunikationstechnologie gemeinsam auf ein Ziel gerichtet arbeiten. Solche Netzwerke sind grundsätzlich offen und verändern durch ihre Funktion die firmeninterne Organisationsstruktur in Richtung einer kollaborativen Arbeitsweise. Dabei lassen sich:

    • informelle,
    • offene auf Informationszugriff spezialisierte und
    • auf Forschung und Entwicklung spezialisierte

    Wissensnetze unterscheiden. Während informelle Netzwerke im Wesentlichen dem Netzwerkern dienen, fallen Kompetenznetze oder sog. Rings of Ideas unter letztgenannte Kategorien. Informelle Netzwerke haben keine festgelegte Struktur und die hier stattfindende Interaktion unter Teilnehmern findet eher spontan statt. Die sog. offenen, auf Informationsaustausch spezialisierten Netze werden meist von Universitäten oder öffentlichen Institutionen betrieben. Solche offenen Netze sind am wenigsten zielgerichtet, haben jedoch eine festgelegte Struktur, für das dort vorliegende explizite Wissen. Entwicklungsnetzwerke schließlich sind am stärksten strukturiert und fokussiert auf festgelegte Themen. Sie dienen nicht nur dazu, neues Wissen zu schaffen, sondern auch dieses Wissen schnell in Anwendungen und Produkte umzusetzen. Die Mitgliedschaft in Entwicklungsnetzen richtet sich nach den eigenen Erfolgen auf dem zu bearbeitenden Arbeitsgebiet.

    Wissensnetze definieren sich durch gemeinsame Werte oder Ziele, die von allen Beteiligten geteilt und verfolgt werden. Sie dienen daher nicht einem wertfreien Informationsaustausch, sondern stärken die Fähigkeit zu Forschung, Entwicklung und Kommunikation der Beteiligten des Netzwerks auf der Grundlage, dass die Gesamtheit mehr ist als die Summe der Einzelnen. Dabei ist entscheidend für die erfolgreiche Vernetzung, dass auch links und rechts vom eigenen Fachbereich Wissen aufgesammelt wird. Dazu gehört ebenfalls, dass geschützte und offene Räume zur Entfaltung von Kreativität, innovative Orte des Lernens und die Förderung kreativer Milieus gehören, ebenso wie eine Kultur des Scheiterns, die es erst ermöglicht, aus Misserfolgen zu lernen und die die Fähigkeit besitzt, einmal erfolgreiche Strategien wieder vergessen zu können.

    In größeren Netzwerken wie auch in virtuellen Unternehmen muss der Verlust an persönlichem Kontakt durch Vertrauensbildung ausgeglichen werden. Wichtige Voraussetzung ist dafür die Bereitschaft, Eigeninteressen den Gemeinschaftsinteressen unterzuordnen. Erfolgreiche Netzwerke verfügen über eine finanziell abgesicherte Dachorganisation und haben klare Verhaltensregeln.

    Durch die Ausrichtung auf Geschäftsziele werden Wissensnetze automatisch zu Geschäftsprozessen und erfordern daher die Einbeziehung von Entscheidungsträgern. Wissensnetze erfordern daher einen Netzwerkmanager, der neben der Funktionsfähigkeit auch sicherstellt, dass das Netz seine unterstützende Rolle im Geschäftsprozess erfüllt und zwar nicht als einfacher Träger von Wissen zu anonymen Empfängern, sondern dass dieses Wissen auch in die Praxis, in Produkte, in Entwicklungen, in soziales Verhalten einfließt. Die Teilnehmer oder besser die Teilhaber eines Wissensnetzes müssen daher persönliche Beziehungen mit denjenigen aufbauen, mit denen sie ihr Wissen teilen und die sie beeinflussen wollen.

    Networking - Netzwerken

    Netzwerken bietet gemeinsamen Nutzen: Jemand ist nützlich für mich, weil ich nützlich für ihn bin. Also knüpft man Netze, als der Mensch, der man ist, lässt man andere Menschen und sie wiederum lassen einen selbst gewinnen. Diesem Geschenk wird sich niemand verschließen - außer den Hütern der alten Ordnung. Netzwerken verlangt einen bewussten Umgang, wobei Netzwerker selbst dafür verantwortlich sind, wann und wie sie arbeiten, wie viel Privates und Persönliches sie einzubringen bereit sind. Die Verschmelzung von Arbeit und Freizeit gilt den Bewahrern der Industrieordnung, an denen das Jahr 1968 spurlos vorbeigerauscht ist, als unsozialer Gräuel. Die strikte Trennung von Beruflichem und Privaten ist eine Doktrin, die es schwieriger macht, im Arbeitsumfeld Beziehungen einzugehen.

    Beim Netzwerken geht es um gemeinsame Werte und Ziele, um das (Mit-)Teilen von Lebenserfahrungen in Form von Schmerzen und Freuden, von Hoffnungen und Enttäuschungen, von Sympathien und Abneigungen und gemeinsamen Einstellungen. Erst wenn jeder im Netz die Grenzen des Anderen akzeptiert, wenn jeder bei dem was er leistet auch seinen Werten gemäß lebt, entsteht etwas, das sinnvoll für einen selbst ist und damit auch für die anderen Netzwerker ist. Dieser Imperativ gilt auch, wenn die Beziehung unter Netzwerkern nur flüchtig und eng begrenzt auf eine bestimmte Leistung ist. Wissensnetze spinnt und nährt und nutzt man; reduziert man sie allein auf die eigene Nützlichkeit, reduziert man sich selbst darauf und bekommt damit höchstens kühle, unproduktive Kontakte - wie im Leben halt (siehe auch [7]).

    Erfolgreiches Netzwerken bedeutet also, aktiv das Risiko von Offenheit, Verletzlichkeit und damit eigener Veränderung mit zu tragen. Sie setzt allerdings auch eine Firmenkultur voraus, die Mitarbeiter nicht mehr nur verunsichert, überfordert und gestresst dem nächsten Umbauprozess fürchten lassen. In der Konsequenz bedeutet es für einen selbst und für das Unternehmen, dass es nicht mehr nur um die Bindung an einen Partner oder eine Firma geht, sondern wie es M. Horx ausdrückt, um das geschickte Navigieren in erweiterten Freundeskreisen, in Connection-Clans, die sich auch durch Krisen und berufliches Scheitern hindurch bewähren.

    Erfolgreiches Netzwerken bedeutet auch, sich von dem heimeligen Umfeld bekannter Gesichter und Denkweisen zu lösen und sich auf Fremde und eher flüchtige Bekanntschaften einzulassen und den eigenen sozialen Horizont zu erweitern. Denn starke soziale Bindungen bringen meist keine signifikant neue Ideen hervor, es hilft also nicht in solchen Wissensnetzen eingebettet zu sein. Gerade Außenstehende tragen eher zu kreativen und innovativen Ideen bei.

    Kompetenz- und Innovationsnetze - Rings-of-Ideas

    Diejenigen Unternehmen haben die besten Zukunftsaussichten, die als Partner der technologischen Wertschöpfungskette erfolgreich zusammenarbeiten, die also ihre Kompetenzen bündeln und in dieser Kette austauschen können. Dazu dienen Kompetenz- und Innovationsnetze; sie sind (siehe auch [8], [9])

    • lokal konzentrierte, aber überregional agierende Kooperationsverbünde mehrerer leistungsstarker Partner,
    • eingebettet in eine innovationsfördernde Firmenkultur,
    • problemorientiert,
    • verteilt über mehrere Wertschöpfungsstufen verschiedener Branchen und Disziplinen,
    • in der Lage die Kreativität zu fördern und damit Innovationen zu generieren, die ein hohes Wertschöpfungspotenzial aufweisen und
    • lokale Netzwerkknoten mit internationaler Anziehungs- und Ausstrahlungskraft.

    Um Wissen jederzeit an jedem Ort zur Verfügung stellen, Experten untereinander vernetzen und aus Fehlern weltweit lernen zu können, kommen folgende Werkzeuge bzw. Methoden zum Einsatz, die in ihrer Gesamtheit auch als "Ring of Ideas" bezeichnet werden:

    • Newsboard: ist ein Online-Informationsdienst mit Neuigkeiten aus internen und externen Quellen, wobei die Mitarbeiter einen elektronischen Agenten nach Begriffen suchen und sich dann aus den Ergebnissen eine individuelle Onlinezeitschrift zusammenstellen lassen. Beispiele hierfür sind etwa mySystems bei der Telekom, vw.deck bei VW oder E-BioSci im Bereich der außeruniversitären Biotechnologie.
    • Wissensmittler: oder auch "Knowledge Broker" vermitteln zwischen Nachfragern und Anbietern von Wissen. Er tritt erst in Aktion, wenn die Recherchen des Mitarbeiters in Gelben Seiten oder persönlichem Netzwerk keinen Ansprechpartner finden. Der Wissensmittler kennt viele Ansprechpartner und deren Fachgebiete und versucht, durch seine Metanetzwerke die Wissenslücken zu schließen.
    • Wissensstafette: Wenn Experten gehen, die seit Jahren wertvolles Erfahrungswissen über Kunden, Mitarbeiter und Prozesse erlangt haben, dann verlässt mit dem Wechsel auch dieses Wissen das Unternehmen. Die Wissensstafette sorgt für den Transfer von Fach-, Experten- und Projektwissen auf die Nachfolge mittels Experteninterviews. Die Vorgehensweise erfolgt dabei in den Arbeitsstufen: Zieldefinition, Erstellen von Wissenslandkarten, Erhebung von Expertenwissen durch Interviews, Wissensaufbereitung und Wissensstrukturierung. Die Wissensstafette muss zum selbstverständlichen Bestandteil jeder Nachfolgeregelung werden.
    • Wissensbilanz: Erfassen, Bewerten und Steuern der Entwicklung von Fachwissen. Kenngrößen sollen helfen, das Kompetenzniveau der Mitarbeiter abzubilden und so u. a. Qualifizierungsschwachstellen zu erkennen.
    • Gelbe Seiten: Ein elektronischer Wissenswegweiser, der alle Mitarbeiter entsprechend ihrer Kompetenzen mit vollständigem Profil auflistet.
    • Wissensbörse: Experten aus aller Welt lernen sich in einem Workshop kennen und schätzen. Anschließend tauschen sie ihr Wissen in einem virtuellen Expertenraum aus.

    Gerade bei Kompetenz- und Innovationsnetzen spielt die Absicherung gegen unbefugten Zugang eine Rolle. Mit sog. Virtual Private Networks (VPNs) können unsichere öffentliche Netze - zum Beispiel das Internet oder Extranets - auf ökonomische Weise für sicherheitskritische Anwendungen genutzt werden, indem zusätzliche Verschlüsselungstechniken für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen verwendet werden. Nur so können öffentliche Medien als Träger vertraulicher Kommunikation zwischen Kunden, Zulieferern und Partnern zum Einsatz kommen. Diese Technik gewinnt nicht nur durch die Verbreitung von Wissensnetzen sondern zusätzlich durch das Telecommuting, mobile Arbeitsgruppen, vermehrte Firmenzusammenschlüsse und Kooperationen zunehmend an Bedeutung.

    Unternehmensnetzwerke

    Kleine- und mittlere Unternehmen (KMUs) sind aufgrund ihres Ressourcenmangels zunehmend auf Kooperationen angewiesen, um ihre Stellung im Wettbewerb zu halten bzw. auszubauen, da sie wegen des zunehmenden Wettbewerbs in ihren angestammten regionalen Märkten vermehrt mit neuen Wettbewerbern konfrontiert werden. Hier helfen Unternehmensnetze, die man sich als virtuelle Industrieverbände vorstellen kann und in denen unabhängige aber gleichgesinnte Unternehmen kooperative Beziehungen eingehen und pflegen, temporär die Ressourcen und Fähigkeiten verschiedener Partner zum gegenseitigen Vorteil zu nutzen, wobei diese Fähigkeiten möglichst komplementär zu denen des eigenen Unternehmens sein sollten. Gerade wenn KMUs flexibel in solchen Netzwerken agieren, bilden sich häufig Interessensallianzen, deren gebündelte Kompetenz die Ansprache auch größerer Kunden, Kreditgeber oder Geschäftspartner unterstützt. Durch die Flexibilität und geringeren Verwaltungsstrukturen lassen sich durch diese Form häufig erhebliche Wettbewerbsvorteile gerade im Vergleich mit Großunternehmen erzielen.

    Für die Auswahl des Unternehmensnetzes spielt die Gewichtung der angestrebten Ziele die wesentliche Rolle:

    • Sollen Technologien vorangetrieben werden?
    • Steht die regionale Kooperation im Mittelpunkt? Oder
    • soll das Netzwerk beim Marktzugang helfen?

    Darüber hinaus unterstützen sie den Erfahrungsaustausch auch mit angrenzenden Branchen und Bereichen, fördern Synergien und lassen Allianzen entstehen. Als Plattform genutzt, unterstützen sie bei der Kontaktaufnahme und dienen als Türöffner. Unternehmensnetze werden somit mehr und mehr zum herausragenden Wettbewerbsfaktor, da sie ein enormes Produktivitätspotenzial bieten; verlangen aber andererseits organisatorische Veränderungen innerhalb der beteiligten Unternehmen sowie ein radikal verändertes Zusammenwirken der Partner (siehe auch [9]). Denn wenn Ressourcen zu einem Partner des Netzwerkes abfließen, kann das gerade für KMUs existenzgefährdend sein. Andererseits stellt sich der Sinn eines solches Netzes, wenn bei fehlender Vertrauenskultur erfolgskritische Kompetenzen der einen Seite zurückgehalten werden.

    Unternehmensnetze gerade für KMUs, in denen sich die Partner zum gegenseitigen Nutzen (win-win-Strategie) anstacheln, werden auch vom Bund und Ländern unterstützt, wie beispielsweise die Initiative "Virtuelles Entwicklungszentrum sowie Lernnetze als partizipative Umsetzungsstrategie für Qualitätswissenstransfer in KMUs" der Ruhr-Universität Bochum oder "Unternehmenskommunikation im Internet" zeigen (siehe auch [10], [11]). Sie sollen einerseits die regionale Kooperation fördern und andererseits helfen, die Chancen auf den internationalen Märkten auszuschöpfen.

    Eine Variante von Unternehmensnetzen sind sog Alumni Netzwerke, über die das Unternehmen in Kontakt mit ehemaligen Mitarbeitern oder Geschäftspartner bleibt. Dabei geht es nicht darum, diese Mitarbeiter im Unternehmen zu halten, sondern mit ihnen vielmehr eine lebenslange Beziehung zum gegenseitigen Vorteil zu pflegen.

    Nationale- und transnationale Wissensnetze

    Ein Ziel der Wissenschaftspolitik ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit aus Informationsnetzen Wissensnetze werden, die es gestatten, menschliches Wissen, Erfahrungen, Know-how, Expertisen und verschiedene Kompetenzen mit einander zu verbinden. Hierzu plant das Bundesministerium für Bildung und Forschung den Aufbau eines deutschen Informations- und Wissensnetzwerks (siehe auch [12]). Dabei geht es darum, Basisinformationen, aber auch hochwertige Mehrwertdienste in verteilten Strukturen aufzubauen und über einen zentralen Zugriff bereit zu stellen. Die entstehenden Wissensprodukte werden dabei so aufbereitet, dass sie benutzerspezifisch sowohl in komplexe Wissensmanagementsysteme als auch in individuelle Lern- und Arbeitsumgebungen integriert werden können. Ähnliche Initiativen gibt es auf Länderebene (wissen.saarland.de) für Nischen der Wissenslandschaft wie der Bio- oder Nanotechnologie.

    Im europäischen Rahmen werden fachgebietsspezifisch sog. Public Libraries of Science (siehe auch [13]) aufgebaut. So ist das E-BioSci eine speziell für die Bio- und Molekulartechnologie von mehreren europäischen Forschungsinstituten gemeinsam entwickelte Wissensplattform. Ziel all dieser und ähnlicher Initiativen ist es, regional, national bzw. international die Führerschaft auf bestimmten, für die jeweilige Region wesentlichen Fachgebieten sicherzustellen.

    Wissensnetze dienen auch dazu, den digitalen Graben zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern zu verkleinern. Für viele Volkswirtschaften der dritten Welt erscheint bedeutet die weitgehende Marginalisierung aufgrund einer verfallenden Infrastruktur und einem zusammenbrechenden Bildungssystem, dass diese Länder langfristig kaum eine Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt erzielen können und hinter den Industrieländern immer weiter zurückfallen. Hier soll eine telematische Infrastruktur-Entwicklung und damit eine eigenständige und nachhaltige Bildungs- und Wissensbasis mit Hilfe des Internets Abhilfe schaffen, wie etwa das mit deutscher Hilfe aufgebaute Wissensnetz SANTREN (siehe auch [14]), das sich mit seinen ca. 450 Mitgliedern und Institutionen auf das Management und den Schutz natürlicher Ressourcen spezialisiert hat.

    Links

    [1] R. Cooper: "Idee + Disziplin + Planung", www.brandeins.de/magazin/was_unternehmen_nuetzt/artikel1.html

    [2] M. Kofranek: "Wissensmanagement als Bewertung und Entwicklung unternehmerischer Kompetenz", www.km-a.net/41/artikel/125/125.html

    [3] B. v. Guretzky: "Innovation: Querdenken als Basis des Wissensmanagement", http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/innovation-querdenken-als-basis-des-wissensmanagements/

    [4] B. v. Guretzky: "Die Rolle des Wissensmanagement bei der Sanierung von IT-Unternehmen", http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/die-rolle-des-wissensmanagement-bei-der-sanierungvon-it-unternehmen/

    [5] B. v. Guretzky: "Vorgehensweise bei der Einführung von Wissensmanagement", http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/vorgehensweise-bei-der-einfuehrung-von-wissensmanagement/

    [6] O. Paulzen et.al : "Integration von Knowledge Warehouse und Knowledge Networks"; www.unilog.de/beratung/Dateien/Unilog_Intelligent_Supplier_Management.pdf

    [7] C.P. Seibt: "Spinnen oder Leben", www.brandeins.de/magazin/archiv/2003/ausgabe_06/schwerpunkt/artikel8.html

    [8] B. Hausberg: "Innovationen brauchen Netze", www.kompetenznetze.de

    [9] Bundesministerium für Bildung und Forschung: "Rahmenkonzept: Forschung für die Produktion von Morgen"; fifserver.iai.fzk.de/pft/web/produktion/produktion1.htm

    [10] Ruhr Universität Bochum: "Virtuelles Entwicklungszentrum", www.uv.ruhr-uni-bochum.de/Forschungsbericht/e30/e300503/p02.htm

    [11] "Unternehmenskooperation im Internet", fak-iuk.rostock.igd.fhg.de/FAK-IuK/page_content/veranstaltungen/jahr2003

    [12] Bundesministerium für Bildung und Forschung: "Information vernetzen - Wissen aktivieren";www.bmbf.de

    [13] e-biosci: A European platform for access and retrieval of full text and factual information in the Life Sciences; www.e-biosci.org

    [14] Southern African Network for Training on the Environment; www.santren.com

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