Innovation: Querdenken als Basis des Wissensmanagements

    08. Januar 2004 von Dr. Bernhard von Guretzky

    In der gegenwärtigen politischen Diskussion um die Sanierung der Deutschland AG wird neben den anschwellenden Ausgaben für die soziale Absicherung sowie den verkrusteten und investitionsfeindlichen Strukturen am Arbeitsmarkt auch das hierzulande innovationshemmende Klima genannt. Allerorts sollen Innovationen Unternehmen den Weg aus der Krise weisen. Nur lassen sich technische und wissenschaftliche Erfolge leider nicht erzwingen und gedeihen selten in künstlichen Schutzzonen. In diesem Beitrag wird versucht, Ingredenzien eines innovationsfördenden Klimas zu beschreiben, wobei der Schwerpunkt auf intuitive und psychologische Faktoren also eben auf eine Beschreibung der künstlichen Schutzzonen gesetzt wird.

    Wo Wissen frei fließt, sind offizielle Organisationsstrukturen so zuverlässig wie mittelalterliche Karten des Rheins. Innovative Ideen bilden Inseln, stete Strömungen schaffen Landbrücken oder Rinnsale, über die die Kommunikation weiter getragen wird. Ufer werden unterhöhlt, Strudel und Ablagerungen schaffen neue Landzungen, an denen sich Wissen neu mischt und wieder sammelt.

    Brandeins 4/2003

    1. Problemstellung

    Innovationen sind der Wachstumsmotor der Wirtschaft; innovationsfreudige Volkswirtschaften wie zur Zeit die USA oder Großbritannien erleben daher die höheren Zuwachsraten des Bruttosozialprodukts. Dieser Binsenweisheit ist es zu verdanken, dass etwa in den Vereinigten Staaten eine neue Innovationskultur schon zu einer Fülle neuer Berufsbezeichnungen geführt hat: So gibt es etwa den Agent for Complexity, oder den Innovation Agent, einen Chief Evolution Organizer, den vielleicht esoterisch angehauchten Chief Envisioner und Enlightenment Specialist oder gar den Irritation Manager oder den "Master of Science in Innovation Management", wie ihn zunehmend auch deutsche Universitäten anbieten.

    Innovationshemmende Volkswirtschaften wie neuerdings Japan oder Deutschland werden zunehmend in die Stagnation abgleiten, da die stark wissensorientierten risikofreudigen Industrien zunehmend durch scheinbar risikofreies Sicherheitsdenken bedroht sind. Um diesen fatalen Trend entgegen zu wirken, kann ein Innovationsmanagement den Firmen einen Weg aus der Misere weisen, nachdem die radikalen Kostenreduzierungen, denen sie sich in den Anfang der neunziger Jahre unterzogen hatten, nicht den gewünschten Effekt gebracht haben. Kreative Köpfe und Querdenker sollen nun rasch neue Produkte und Dienstleistungen ersinnen - und ganz entscheidend - am Markt auch durchsetzen. Dabei wird zunehmend auf die Kraft des Unkonventionellen und den überraschungseffekt gesetzt. So soll der Irritation Manager oder eben die Fachkraft für Irritation alte Erstarrungen lösen helfen. Sturköpfe und Störer werden bewusst eingestellt, um an der Selbstzufriedenheit des Personals zu rütteln. An den Sonderlingen sollen sich die anderen reiben und erregen und sich mit deren scheinbar abstrusen Gedanken und unkonventionellem Verhalten auseinandersetzen, um dadurch selbst den Denkapparat und das eigene soziale Verhalten aus den eingefahrenen Gleisen zu wuchten. Dies geschieht vor dem Hintergrund - merkwürdig dass "man" erst jetzt darauf kommt - dass es nur zum Dialog kommen kann, wenn es sowohl den Abstand und den Unterschied zwischen den Positionen einerseits als auch die Logik anderseits gibt. Denn sonst besteht die Gefahr, dass nur wieder geschlossene, sich ständig wiederholende Ergebnisse erzeugt werden. Oder wie es im englischen "Guardian" vom 26. 5. 03 treffend formuliert war: "Creative, innovative and entrepreneurial activities tend to flourish in the same kinds of places that attract people outside the norm. When varied backgrounds and attitudes collide, economic growth is likely." In diesem Sinne ist es das Ziel dieses Artikels, den Innovationsprozess zu beleuchten und nicht alltägliche innovationsfördernde Möglichkeiten im Unternehmen zu beschreiben.

    2. Ideenfindung durch Querdenken

    Querdenken ist die Fähigkeit, in neuen und ungewohnten Situationen nicht einfach schematisch nach alten Mustern zu reagieren, sondern die spezifischen Eigenheiten und Chancen einer neuen Aufgabe zu erfassen und in origineller Weise zu nutzen, ohne sich vom Erwartungsdruck der Umgebung in alte Reaktionsweisen zurück zwingen zu lassen. Ein Denken in neuen Zusammenhängen und daraus neue Muster oder Theorien abzuleiten, ist gefordert anstelle von elaboraten Ableitungen, die sich meist in einer normierten und nivellierten Sprache niederschlagen. In [2] wird in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit des "Dissidententum des Denkens" gesprochen, wobei es gilt, den Argwohn gegen sich selbst und die eigene Trägheit aufrecht zu erhalten. Dabei geht es nicht nur darum, bewusst anzuecken und den Widerstand mitsamt der Kritik auszuhalten, den eine konträre Position provozieren kann. Oft ist damit ja auch Erfolg verbunden, der Missgunst hervorruft, die es auszuhalten gilt und diesen Erfolg gezielt in Teams einzusetzen und mit ihnen den Glanz des Erfolgs teilen.

    Querdenken soll auch Kreativitätsblockaden überwinden, die durch die eigene Ratio, die eigenen Erfahrungen und Gewohnheiten, die Beharrlichkeit sowie Faulheit und die Angst vor Kritik und ihren Folgen hervorgerufen werden. Erfolgreiches Querdenken führt zu neuen Einsichten. Ein guter Querdenker schätzt es als künftige Möglichkeit, die neuen Werte, Einsichten und Handlungsoptionen zu bewahren und als Mittel, durch das er Zugang zu den Mustern erfolgreicher Problemlösungen hat. Dabei ist Querdenken eine durch und durch "logische" Angelegenheit, wobei es allerdings nicht der in der griechischen-abendländischen Philosophie begründeten zweiwertigen Logik ("tertium non datur") folgt, sondern dem sog. Tetralemma ("Urteilsvierkant", Sanskrit: "catu sko ti"), einer auf den indischen Philosophen Nagarjuna zurückgehenden Logik zur Kategorisierung von Haltungen und Standpunkten mit der Entscheidungsalternativen aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden können. Dabei geht es um die folgenden Positionen (siehe [2]):

    • Das Eine, das "Richtige":
    • Das Andere, der "Fehler": Wird ein Fehler bloß als Fehler gesehen, werden die positiven Aspekte des "Anderen" übersehen.
    • Beides, sowohl - als auch: Der "Kompromiss": Die Entdeckung eines Kompromisses bedeutet, dass man etwa eine Idee bekommt, wie sich in einer ähnlichen Situation die Motive einer "fehlerhaften" Handlung mit den Vorzügen einer richtigen Handlung verbinden lassen. Die "übersehene Vereinbarkeit" bzw. der "richtige Fehler" und die "paradoxe Verbindung" bzw. die "falsche Richtigkeit" erlauben eine ressourcenorientierte Neubewertung vergangener Verhaltensweisen. Ein richtiger Fehler z.B. bleibt ein Fehler, aber man hadert nicht länger mit dem vergangenen Verhalten, sondern nutzt die Optionen, die sich durch ihn erschlossen haben. Falsche Richtigkeiten hingegen stimmen zwar mit den eigenen Prinzipien und Werten überein, behindern jedoch Lernprozesse durch starres Festhalten an Mustern. Daraus ergibt sich ein neues Verständnis für die Begriffe "richtig" und "falsch", da die ständige Bewertung der eigenen Handlungen selbst wieder zum Hindernis wird.
    • Keines, weder - noch: "Der Kontext der alten Frage". In dieser Position sieht man, wie es zu dem ursprünglichen Gegensatz kam; man erkennt, warum die alten Werte so wichtig waren und kann daher neue Optionen in der Wertehierarchie finden. Daraus ergibt sich die Negation des Tetralemmas:
    • All dies nicht - und selbst das nicht: Diese Position macht deutlich, dass auch sie kein endgültiger Standpunkt ist, was jedoch nicht bedeutet, in Untätigkeit zu verharren. Denn da alle Standpunkte unvollständig sind, lässt sich wieder eine kritisierbare Stellung beziehen. Hier geht es also nicht mehr um richtig oder falsch, gut oder böse sondern um lebendige Qualitäten, die vorgelebt werden müssen und die durch Worte höchstens zeitweilig in Erinnerung gerufen werden können, aber niemals vollständig erfasst und garantiert werden. Oder: "Den Strom des Lebens trägt keiner in der Tasche."

    Es geht also darum die vier Standpunkte des Tetralemmas ("das Eine", "das Andere", "Beides" und "Keines") auf jede Frage und jeden Konflikt anzuwenden und dabei keine leichtfertigen Ausschlüsse von Gegnern oder Gegenmeinungen durchgehen zu lassen. Dieses Vorgehen verhilft zu neuen Sichtweisen auf alte Probleme, denn entgegengesetzte Meinungen dienen - wenn immer möglich - zur Integration bislang vernachlässigter Standpunkte, womit ganz nebenbei das Wir-Gefühl im Unternehmen gestärkt wird. Der fünfte Standpunkt ("All dies nicht - und selbst das nicht") schließlich zwingt zu einem radikalen Umdenken: er führt nämlich zu der Annahme, dass die gesuchte Problemlösung und alle dafür erforderlichen Ressourcen bereits existieren. Dabei ist zu beachten, dass eine Lösung oft als solche verkannt wird und im "Unternehmensunbewussten" verschwindet. Die Suche nach Problemlösungen wird damit nicht mehr als Hindernis sondern Chance, als Lernmöglichkeit begriffen; man lässt sich quasi "von der Lösung finden". Querdenken, verstanden als Lernmöglichkeit und nicht als regressives Protestverhalten, dient somit zur Wissensgenerierung und kann daher als eigenständiger Wissensprozess betrachtet werden.

    Dieses Vorgehen scheint dem Alltag in deutschen Unternehmen zunächst sehr zuwider zu laufen, da es nicht nur Fehlern eine Qualität, eine Lernmöglichkeit beimisst, sondern auch die eigene Persönlichkeit, die "lebendigen Qualitäten" hervorstreicht, denn es fordert vom innovativen Menschen, dass er seine Tätigkeit mit Lebenssinn auflädt. Dass all dies kein abgehobenes, wirklichkeitsfremdes Geschwafel ist, bezeugt die Tatsache, dass seit zwölf Jahren an der dänische Hochschule Aarhus 30 solche Querdenker pro Jahr in kreativem Management ausgebildet werden und selbst im obrigkeitshörigen Deutschland wird neuerdings das Querdenken sogar politisch gefördert (siehe www.querdenker.ulm.de/) .

    3. Intuition und Wissensmanagement

    Die Begriffe "Intuition" und "Wissen" scheinen sich zu widersprechen. Die Ursache hierfür liegt m. E. in der zweiwertigen Logik unserer griechischen-abendländischen Philosophie. Dieser Widerspruch fällt in der "vierwertigen Logik" der Inder (siehe oben) jedoch weg. Intuition ist eine "innere Tätigkeit", die sich nur schwer erlernen lässt, trotz Websites wie www.professionelle-Intuition.com , denn im Gegensatz zum Wissen werden mit der Intuition Begriffe wie Gefühl, Ahnung, Inspiration, Phantasie, Emotion, Kreativität oder Eingebung verbunden; alles querdenkerische Fähigkeiten also, die auf persönlichen Erfahrungen und Kompetenzen basieren.

    So salonfähig Intuition im privaten Beziehungsleben ist, so wenig wird sie bislang im Arbeitsumfeld geschätzt geschweige denn kultiviert, was wohl in erster Linie daran liegt, dass mit Intuition Adjektive wie unwissenschaftlich und unbewusst assoziiert werden. Jedoch all unsere Entscheidungen, auch die vermeintlich rationalen, sind durchdrungen von unbewussten und irrationalen Anteilen. Daher kann Intuition durchaus als Form unbewusster, aber zielgerichteter Informationsverarbeitung interpretiert werden, die implizites Wissen ("tacit knowledge") verarbeitet. Sie hilft beim übergang vom impliziten zu explizitem Wissen, indem sie die innere Bilder- und Vorstellungswelt offen legt. Das bekannte "Aus-dem-Bauch-heraus-entscheiden" hängt auch damit zusammen, dass 100 Millionen Nervenzellen den Verdauungstrakt umfassen und diese mehr Signale zum Hirn senden, als von dort empfangen werden. Unser "zweites" Hirn kann zudem autonom entscheiden und gespeichertes Wissen abrufen. Es lohnt sich also, es ebenfalls einzusetzen, denn gerade in hoch komplexen Entscheidungssituationen zahlt Intuition sich aus, da es oft schlicht unmöglich ist, alle Fakten zu berücksichtigen und alle Entscheidungsmöglichkeiten durchzurechnen. Häufig fehlen auch Informationen oder es sind widersprüchliche Daten vorhanden. Intuitive und emotionale Faktoren spielen dann eine unerlässliche Rolle, weil sie den Zugang zu verborgenem Erfahrungs- und Handlungswissen herstellen, die häufig Grundlage von tragfähigen Entscheidungen sind. Intuition dient hier der Komplexitätsreduzierung.

    Da Intuition in jedem Fall konservativ ist und auf vergangenen Erfahrungen basiert, sich die Realität aber inzwischen verändert haben kann, ist es sinnvoll, das Bauchgefühl zu analysieren und zu prüfen, inwieweit sich die Realität gegenüber den eigenen Erfahrungen vielleicht verändert hat. Auf Intuition basierende Entscheidungen sind also möglichst ans Licht zu bringen und zu explizitem Wissen zu machen, da intuitive Prozesse nämlich auch Auskunft über die eigenen Wertsysteme und die meist unbewusst gemachten Annahmen über die Realität geben. Diese Offenlegung ist ein Schritt der Selbstwahrnehmung und fördert die intuitive Kompetenz (siehe [9]), die

    • den Blick auf das Wesentliche,
    • Zugang zu Visionen,
    • kreative und innovative Problemlösungen und Entscheidungsfindungen in diffusen Informationslagen,
    • Gestaltungsfähigkeit von zwischenmenschlichen Beziehungen,
    • den Umgang mit Komplexität sowie die
    • Fähigkeit, Synergien herzustellen,

    ermöglicht. Um diese Kompetenz zu fördern, ist es notwendig, der Intuition einen Wert zu geben und dies seinen Mitarbeitern auch ganz bewusst zu vermitteln. Denn Kreativität besteht gerade aus der Kunst des Intuierens, des Kombinierens, des Assoziierens und setzt Querdenken, schöpferisches Gestalten und die Fähigkeit zum Ausbrechen aus eingeübten Denkbahnen voraus. Intuition ist die verborgene Intelligenz, die den Kern jeder Innovation darstellt. Sie gehört damit neben den emotionalen und sozialen Fähigkeiten eines Mitarbeiters zu dessen soft Skills.

    4. Innovation

    Die wesentlichen Ideen - und jede Innovation beginnt mit einer grundlegenden Idee -, die ein Unternehmen hervorgebracht hat, fallen nicht spontan vom Himmel und haben üblicherweise lange Vorlaufzeiten. Diese Ideen stellen einen Wert dar, nämlich den Wert des Wissens, über das der Konkurrent nicht so ohne weiteres verfügen kann, sei es durch Zukauf, Kopieren oder schiere Marketingmacht. Der Wert dieses Wissens richtet sich nach dem Reifegrad der Ideen also ihrer Bedeutung für Innovationen und dem im Unternehmen tief verankerten Verständnis der zugrundeliegenden Wissensprozesse. Innovation ist ein Geschäftsprozess mit den Hauptaktivitäten Ideenentwicklung, Ideenbewertung, der Entwicklung und der Ideendurchsetzung.

    Es werden drei Arten von Innovationen unterschieden (siehe [12]):

    • die Produktinnovation,
    • die Verfahrensinnovation und
    • die Sozialinnovation,

    wobei sich die beiden erstenVarianten jeweils in kunden- bzw. nutzerorientierte sowie in technologie- bzw. herstellerorientierte Innovationen unterscheiden lassen.

    Innovation ist kein Ereignis, kein Werkzeug geschweige denn eine Anwendung vorgegebener Richtlinien sondern vielmehr ein Wagnis, auf das es sich einzulassen gilt. Innovation kann auch kein Selbstzweck sein, denn es geht nicht darum, mehr Innovationen hervorzubringen, sondern vor allem darum, sie am Markt einzuführen und sie letztendlich auch dort durchzusetzen. Mit einem genialen Kopf allein ist es also nicht getan, denn eine Idee zu früh auf den Markt zu bringen, kann so schädlich sein wie zu spät. Gerade das Innovationstiming spielt eine große Rolle, geht es doch hierbei darum als Innovationsführer bzw. -folger auf den Markt zu kommen.

    Dass es oft sinnvoll ist, nicht als Erster den Markt zu betreten, zeigen Beispiele wie IBM mit dem PC. ähnlich wie Apple gegenüber IBM ging es Phillips mit dem Videorekorder. Beiden Unternehmen ist es damals nicht gelungen, ihre temporäre Monopolstellung auszunutzen, um Branchenstandards zu setzen und Imagevorteile zu erringen. Der Vorteil des Innovationsfolgers liegt darin, dass er von den Erfahrungen des Innovationsführers lernen kann. Das auch dies nicht immer getan wird, dafür ist ebenso IBM ein lehrreiches Beispiel, war doch der Misserfolg von OS/2 gegenüber Windows vorhersehbar. Schiere Marktmacht kann auf Dauer Innovationen nicht aufhalten. Dies wird auch Microsoft wiederum lernen müssen.

    5. Innovationsmanagement

    Wissen ist die Basis jeder Innovation - weshalb Wissensmanagement die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens entscheidend mitbestimmt. Wissensmanagement stellt damit einen der wichtigsten Wettbewerbsvorteile für innovationsabhängige Unternehmen dar. Es ermöglicht erstens eine schnelle Entwicklung von neuen Produkten und Prozessen und erhöht zweitens die Sensibilität und strategische Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen in der Umwelt. Unternehmen, die den Paradigmenwechsel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft erfolgreich bewältigen wollen, brauchen vor allem Wissen und die Fähigkeiten (siehe [11])

    • zum Wissenserwerb,
    • zur Wissensverarbeitung,
    • zur Wissenssicherung und -bewahrung,
    • zur Bewertung von Wissen und
    • zur Prozessgestaltung von Wissenserwerb und -verarbeitung sowie der Wissensspeicherung.

    Damit implizites Wissen im Unternehmen erzeugt, übertragen und gespeichert wird, ist ein wissensbasiertes Innovationsmanagement erforderlich. Diese Fähigkeiten werden maßgeblich durch die den Innovationsprozess bestimmenden Aufgaben der Gewinnung von Ideen, deren überprüfung und Auswahl sowie der Realisierung bestimmt. Voraussetzung für eine optimierte Vorgehensweise im Innovationsprozess ist die Erarbeitung einer Innovationsstrategie zur systematischen Ideengenerierung (siehe [1]), die sich aus den in den Managementprozessen abgeleiteten Unternehmenszielen ableiten lassen. Dabei sind diejenigen Gebiete zu definieren, in denen Fähigkeiten aufgebaut werden müssen, um die Kernkompetenzen des Unternehmens zu verteidigen bzw. auszubauen. Sie erst geben den Aktivitäten des Innovationsmanagements eine strategische Richtung (siehe auch [4]). Ein geschäfts- bzw. prozessorientiertes Vorgehen ist Voraussetzung dafür, die Aktivitäten des Innovationsmanagements in die Arbeitsabläufe zu integrieren und den Innovationsprozess unter Einhaltung vorgegebener Qualitätsstandards zu unterstützen. Der Prozesscharakter von Innovationsprojekten ist wesentlich, da sie die Mitwirkung verschiedener Mitarbeiter im Unternehmen aus den Bereichen Forschung und Entwicklung, Marketing und Vertrieb sowie Einkauf und strategische Planung voraussetzen.

    Der wachsende Bedarf an einem "geführten" Umgang mit Innovationen leitet sich aus folgenden Punkten ab:

    • beschleunigte Technologieentwicklung
    • höhere Aufwändungen für Innovationen
    • steigende Produktentwicklungszeiten
    • komplexerer Wettbewerb (Globalisierung)
    • gestiegenes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Technologiefolgen

    Ausgangspunkt des Innovationsmanagements ist die Definition von Problemfeldern und die damit verbundene strategische Orientierung des Unternehmens. Ausgehend von dieser strategischen Ausrichtung des Unternehmens werden in der Phase der Ideenfindung Neuerungen - die sog. Innovationspotenziale - gesucht und in der Phase der Ideenakzeptierung werden neue Vorschläge und Ansätze im Unternehmen bewertet und ausgewählt. Die entscheidende Frage ist hierbei, die knappen Ressourcen im Unternehmen - Kapital, Humankapital und Zeit - auf die erfolgversprechendsten Projekte zu konzentrieren. In der Phase der Realisierung muss sich schließlich die Innovation an den Kundenbedürfnissen orientierten. Dabei handelt es sich um einen wissensverarbeitenden Prozess, der durch die typischen Merkmale eines Projektes - Projektanfangs- und -endtermine, Teilaufgaben, Zwischenergebnisse, Ressourcenaufwand, etc. - gekennzeichnet ist. Ebenso wie die Finanzierung zählt daher das Wissensmanagement und das Projektmanagement zu den phasenübergreifenden Aufgaben des Innovationsmanagements.

    In ein innovationsfreudiges Unternehmen gehört auch ein effektives Ideenmanagement (siehe z.B. [10]), wobei es hier nicht um das Aufpeppen des bislang als passiven Ideensammelstelle fungierenden betrieblichen Vorschlagwesen geht, sondern vielmehr um eine Art von Kreativmanagement zur Unterstützung des Innovationsprozesses im Unternehmen, wobei alle Ideen im täglichen Arbeitsprozess miteingebunden werden sollten.

    Schließlich dokumentiert Innovationsmanagement nach außen den Kunden die Bereitschaft, sich zu erneuern und neuen Nutzen anzubieten; den Finanzmärkten zeigt es die Bemühungen um Marktorientierung und Wettbewerbsfähigkeit und bei den eigenen Mitarbeitern schafft es Vertrauen in die Zukunft, wodurch neue Talente von außen angezogen werden. Innovationsmanagement kann somit auch im Zusammenhang mit Basel II zum Wettbewerbsvorteil werden (siehe auch [6]).

    Ein eigentliches Konzept für den Erfolg im Innovationsprozess lässt sich nicht definieren. Allerdings deuten Erfahrungen daraufhin, dass schlanke Strukturen, flache Hierarchien und gute Kommunikation diesen Prozess erfolgreicher und zeitsparender gestalten. Vorteilhaft ist auch das Schaffen von Zusammenhängen zwischen neuen und alten Produkten, wobei Erfahrungen aus den vorhergegangenen Entwicklungsprojekten mitgenommen werden können und damit Risiken vermindert werden. Entsprechend sind diese Projekte zeitlich und personell zu überlagern, um Erfahrungen vom einen in den anderen Prozess zu erleichtern, denn Teamwork bzw. die Vernetzung der Mitarbeiter untereinander ist der Schlüssel zur Innovation.

    Zukunftsfähigkeit braucht Innovation. Prototyping, strategische Partnerschaften mit Kunden und Mitbewerbern und Trendforschung sind wichtige Schritte zur Entwicklung erfolgreicher Innovationen und zur Re-Positionierung von Produkten - sie helfen, Bedürfnisse und Marktentwicklungen früher zu erkennen.

    6. Der Innovationsmanager

    Die Aufgaben des Innovationsmanagers überlappen sich mit denjenigen des Wissensmanagers (siehe [5]), denn Wissensmanagement ist eine der Querschnittsaufgaben des Innovationsmanagers. Er muss die Informationsströme im Unternehmen initiieren und beherrschen. Weitere übergreifende Tätigkeiten sind das Projektmanagement und die Präsentation von Innovationsaufgaben und möglicher Alternativen.

    Aus dem Prozesscharakter der Innovation lassen sich folgende Aufgabenbereiche für den Innovationsmanager ableiten: Da ist zunächst die Entscheidungsvorbereitung für Innovationen im Unternehmen. Ein Ziel dabei ist es sicherzustellen, dass künftige Innovationen keine Insellösungen im Unternehmen sind. Der Innovationsmanager spielt hier die Rolle des "Vernetzers". Ein anderer Aufgabenbereich ist die Durchsetzung von Innovationen im Unternehmen. Hier muss er Widerstände der Mitarbeiter und bisweilen auch im Management, die im Zusammenhang mit Innovationen entstehen, überwinden. Die Aufgabe des Managers beschränkt sich daher nicht nur darauf, möglichst viele "innovationsfähige" Ideen in seinem Unternehmen hervorzubringen, sondern die richtige auszuwählen und dann sie dann auch durchzusetzen. Eine weitere Aufgabe des Innovationsmanagers ist es, die Innovation auch am Markt - in enger Zusammenarbeit mit Kunden - durchzusetzen. Neben der Geschäftsführung hat der Innovationsmanager auch für ein innovationsfreundliches Klima im Unternehmen zu sorgen. Hier gilt etwa Kreativitätstechniken einzuführen, um den Gedankenfluss in Gang zu setzen und Querdenken zu ermutigen. Aus dem bisher gesagten ergeben sich folgende Fähigkeitsanforderungen (siehe [8]) an einen Innovationsmanager:

    • Managementwissen sowohl in strategischer als auch operativer Hinsicht,
    • Beherrschung von Kommunikations- und Präsentationstechniken,
    • Technologische Kompetenz für die neuen Produkte oder Verfahren,
    • Durchsetzungsfähigkeit für neue Ideen,
    • Förderung der Kreativität bei den Mitarbeitern und die
    • Fähigkeit zur zielorientierten Durchsetzung einer Innovation am Markt.

    Je nach Unternehmensgröße wird der Innovationsmanager eine Vollstelle sein oder vom F&E-Manager oder dem entsprechenden Produktmanager übernommen, wobei im letzen Fall dieser Doppelfunktion bezüglich des Budgets für Zeit und Weiterbildung von der Geschäftsführung Rechnung zu tragen ist.

    Aus den Tätigkeiten des Innovationsmanagers ergibt sich die Notwendigkeit zur Weisungsbefugnis (z. B. die Anforderung notwendiger Zuarbeiten) und operativer Gestaltungsfreiheit (z. B. die Durchführung von Kreativitätssitzungen, Budgetentscheidungen über die Zuteilung von Projektressourcen oder die Möglichkeit innovationshemmende Strukturen im Unternehmen aufzulösen). Daher muss er nicht nur mit den entsprechenden Befugnissen ausgestattet sein, sondern auch direkten Zugang zu den Leitern verschiedener Unternehmensbereiche und zur Geschäftsführung haben. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die organisatorische Einbindung des Innovationsmanagers auf der oberen oder obersten Leitungsebene des Unternehmens erfolgen sollte. Für kleine und mittlere Unternehmen ist dies sicher sehr viel leichter möglich als für größere.

    Schließlich muss der Innovationsmanager über eine starke Persönlichkeit verfügen, denn Unsicherheit als Begleiterin jeder Entscheidung ist schlicht nicht aus der Welt zu rechnen. Entscheidungssicherheit ist ein Widerspruch in sich und der Zweifel - zum Glück - der Weisheit Anfang. Die Wissensgesellschaft zwingt zum täglichen Lernen und der Fortschritt erzeugt so "infantile" Gefühle wie Hilfsbedürftigkeit und Ausgeliefertsein. Aber diese Angst vor dem Versagen kann als Antrieb zum Erfolg umschlagen und zu Höchstleistungen führen.

    7. Links

    [1] P. Nikodemus: "Anwenderwissen im Innovationsmanagement", http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/anwenderwissen-im-innovationsmanagement/

    [2] M. Varga v. Kibéd: Ganz im Gegenteil... Querdenken als Quelle der Veränderung

    [3] Schmidt: "Wissensmanagement für den Innovationsprozess", archiv.ub.uni-bielefeld.de/disshabi/2000/0009.pdf

    [4] B. v. Guretzky: "Schritte zur Einführung des Wissensmanagements: Definition und Bewertung von Wissenszielen"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/schritte-zur-einfuehrung-des-wissensmanagements-definition-und-bewertung-von-wissenszielen-teil/

    [5] B. v. Guretzky: "Der Wissensmanager"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/der-wissensmanager/

    [6] B. v. Guretzky: "Wissensmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/wissensmanagement-in-kleinen-und-mittleren-unternehmen/

    [7] K. Wöhlert: "Der Innovationsmanager - Aufgaben und Instrumente im Unternehmen"; www.econbiz.de/archiv/e/ue/produktion/innovationsmanager.pdf

    [8] U. Dornberger: "Innovationsmanager in Klein- und Mittelunternehmen"; www.innoways.de/pdf/Ausbildungskonzept_Innovationsmanager.pdf

    [9] M. Hänsel et. al.: "Erfolgsfaktor Intuition"; www.professionelle-intuition.com/Publikation___Download/Erfolgsfaktor_Intuition-Artikel_2002.pdf

    [10] Das Portal für das Ideenmanagement, www.our-ideas.de/start.php

    [11] Probst/Romhardt: "Bausteine des Wissensmanagement - ein praxisorientierter Ansatz"; www.cck.uni-kl.de/wmk/papers/public/Bausteine/

    [12] Osterloh/Wartburg: "Was ist und wozu treibt man Innovations- und Technologiemanagement?"; www.ifbf.unizh.ch/orga/downloads/vorlesungen/TIM.pdf

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