Wissensmanagement bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit

    02. Mai 2002 von Dr. Bernhard von Guretzky

    Ein Gespräch mit dem Chief Knowledge Officer der GTZ, Peter Keller. Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH (GTZ) ist ein weltweit tätiges Dienstleistungsunternehmen. 1975 gegründet, arbeitet sie im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und leistet Beiträge zu Entwicklungs- und Reformprozessen in Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und den Reformstaaten Osteuropas.

    You have to challenge your people to break their habits
    of not cooperating, not listening, not understanding.
    You simply can"t accept the excuses that people
    give you, for why they can"t do something.
    You have to be persistent.

    Eric C. Dean

    Das Unternehmen

    Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH (GTZ) ist ein weltweit tätiges Dienstleistungsunternehmen für die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Ziel, die Lebensbedingungen der Menschen in den Ländern der dritten Welt nachhaltig zu verbessern und deren Lebensgrundlagen zu erhalten. Unter technischer Zusammenarbeit wird dabei verstanden, das politische, wirtschaftliche und soziale Leistungsvermögen von Menschen und Organisationen zu erhöhen, indem Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt und mobilisiert werden und die Eigeninitiative gestärkt wird. Die Arbeitsfelder der GTZ sind:

    • Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung
    • Ländliche Regionalentwicklung
    • Nothilfe- und Flüchtlingsprogramme
    • Gesundheit und Grundbildung
    • Umwelt- und Ressourcenschutz
    • Regierungsberatung bei der Veränderung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen

    In 126 Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und den Reformstaaten Osteuropas beschäftigt das Unternehmen über 12.000 Mitarbeiter, von denen rund 8.700 einheimische Ortskräfte sind. Die GTZ ist in 66 Ländern dieser Regionen mit eigenen Büros vertreten. Knapp 1.100 arbeiten am Hauptsitz des Unternehmens ins Eschborn. Im Rahmen einer von der Geschäftsführung beschlossenen finanziellen und politischen Fokussierung wird sich die GTZ künftig aus etwa 50% der Länder zurückziehen.

    1975 gegründet, arbeitet sie im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und leistet Beiträge zu Entwicklungs- und Reformprozessen auch für andere Ministerien des Bundes (Außen, Innen, Verteidigung), anderer Länder (u.a. Kuwait, Saudi-Arabien) und internationaler Organisationen wie der Weltbank, dem UNHCR oder der EU. Während sich etwa 60% des Umsatzes von derzeit 1,8 Mrd. DM aus dem Generalvertrag mit dem BMZ ergeben, entfallen jeweils circa 20% auf andere Bundesministerien bzw. auf andere Länder und Organisationen.

    Gerade dieser sog. Drittbereich soll forciert ausgebaut werden mit dem Ziel, die derzeitige Abhängigkeit von Aufträgen der Bundesministerien, die bislang 80% des Umsatzes ausmachen, in den kommenden Jahren auf 40% zu halbieren. Zu diesem Drittbereich gehören Projekte wie etwa der Ausbau der beruflichen Bildung in Saudi-Arabien oder der Entwurf eines Verkehrsmasterplans für Kuwait. Dazu gehört auch die immer stärker an Bedeutung gewinnende public-private Partnership (PPP), wo die GTZ etwa mit Nahrungsmittelunternehmen den Anbau von hochwertigem Kaffee und Kakao im südlichen Afrika fördert, in Zusammenarbeit mit der EADS die Erschließung von Tiefengrundwasser in Abu Dhabi vorantreibt oder gemeinsam mit dem Deutschen Sparkassenverband den Dachverband der peruanischen Sparkassen bei der Umsetzung einer sozialpolitisch orientierten Kreditpolitik zum Aufbau einer sich selbst tragenden wirtschaftlichen Grundstruktur berät.

    Trotz der zunehmenden Rolle, die der public-private Partnership beigemessen wird, versteht sich die GTZ nicht als Türöffner für die deutsche Wirtschaft. Vielmehr sieht die GTZ ihre Arbeit als Beitrag zur Friedenspolitik; ihre Aufgaben werden zunehmend politischer. Daher tritt neben der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen gerade in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz, Schutz der Menschenrechte und in der Korruptionsbekämpfung die Kooperation mit Nicht-Regierungsorganisationen (siehe auch [2]).

    Die strategischen Herausforderungen

    War noch bis vor wenigen Jahren die GTZ ausführendes Organ deutscher Entwicklungszusammenarbeit, so hat sich die Situation inzwischen aufgrund eines Orientierungswechsels, der auf folgenden Leitlinien beruht:

    • Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit,
    • Flexibilität in Strukturen und Verfahren und
    • Eigenverantwortung

    verändert. Hinzu kommt, dass das Unternehmen seine Position für Dienstleistungen in der internationalen Zusammenarbeit ausbauen will und sich damit plötzlich in einer weltweiten Konkurrenzsituation mit nationalen und internationalen Organisationen sowie privatwirtschaftlich ausgerichteten Unternehmen befindet. Um sich auf diesem "Markt" behaupten zu können, ist nicht nur eine strikte Ergebnisorientierung im Sinne dauerhafter und nachprüfbarer Wirkungen notwendig, sondern auch dass die dafür notwendigen Leistungen so kostengünstig wie möglich erbracht werden. Für Bundesunternehmen waren solche Punkte bis vor wenigen Jahren nicht selbstverständlich.

    Eine weitere Herausforderung ergibt sich daraus, dass die GTZ in zunehmendem Maße zum Wissensträger für die sie beauftragenden Ministerien wird. Know-how wird dort also in Richtung der GTZ ausgelagert, was den Aufbau eines zusätzlichen Geschäftsfeldes bedeutet.

    Organisatorische Maßnahmen

    Zur Begleitung dieser strategischen Herausforderungen wurde im GTZ von der Geschäftsführung folgende Grundsatzentscheidung getroffen: "Keine Veränderung der Grundorientierung ohne ein professionelles Wissensmanagement". Dazu wurde Ende 1999 das sog. "strategische Projekt Wissensmanagement" ausdrücklich als Instrument der Unternehmensentwicklung ins Leben gerufen, dessen Projektleiter direkt an die Geschäftsführung berichtet.

    Das Team, bestehend aus drei hauptamtlichen Mitarbeitern und - je nach Aufgabenstellung - einer Reihe zusätzlich abgestellter Mitarbeiter aus den Fachabteilungen, ist mit der Einführung des Wissensmanagements in der GTZ betraut, legt dabei die Einführungsstrategie fest, koordiniert und überschaut sämtliche Projekte in den Abteilungen zu diesem Thema. Die konkreten Vorgaben des Teams sind klar umrissen:

    • Vorhandenes Wissen wiederverwenden: Damit können bereits einmal erbrachte Leistungen reproduziert werden.
    • Neues Wissen schaffen: Hier werden alle für die GTZ strategisch wichtigen Dienstleistungsangebote und Innovationsprojekte beschrieben, so dass Angebote schnell und genau erstellt werden können.
    • Wissensnetzwerke fördern und nutzen: Virtuelle Fachverbünde fördern die Kommunikation in der dezentral organisierten GTZ mit den Schwerpunkten eines regionalen Erfahrungsaustausches, der Auswertung von Projekterfahrungen, der Vermittlung von Querschnittsthemen und von Informationen über die Unternehmenspolitik.

     Bei der Ausrichtung der Wissensbasis konzentriert sich die GTZ auf das strikt personenorientierte Erfahrungswissen aus lokalen Projekten und Programmen. D.h. die Wissensbasis ("Wissensspeicher" im GTZ genannt) enthält zum einen in Form Gelber Seiten Know-how-Profile, aus denen sich ablesen läßt, wer welche Leistung innerhalb der GTZ erbringen kann. Zum anderen sind in sog. Beratungsmodulen Prozessbeschreibungen, verwendete Methoden und Instrumente, Leitfäden, Normen und Checklisten, sowie Lessons Learnt und Best Practices abgelegt. Zur Vermeidung eines Datenfriedhofes und zur Qualitätssteigerung sind diese Beratungsmodule den Projekten zugeordnet, in denen das Wissen erfolgreich angewendet wurde. In einer solchen Wissenstopographie bestehend aus den o.g. Gelben Seiten, den Wissensbestandskarten, in denen das explizite Wissen beschrieben wird und Wissensanwendungskarten, mit denen die Reihenfolge von Projekt- oder Prozessschritten in Bezug auf das jeweils benötigte Wissen visualisiert wird (siehe [3]), ist also stets der Praxisbezug sichtbar.

    Die Querschnittsaufgaben des Teams und die drei Schwerpunkte bei der Umsetzung der WM-Strategie soll folgende Grafik verdeutlichen:

    Der Einsatz des Wissensmanagement im Unternehmen wird als Alleinstellungsmerkmal gesehen, mit dem sich die GTZ als lernende Organisation nach außen hin darstellen will. Darüber hinaus werden kurzfristig handfeste finanzielle Erwartungen an den Einsatz des Wissensmanagement gesetzt; die Angebotserstellung soll nicht nur beschleunigt, sondern insbesondere auch die Genauigkeit der zeitlichen und finanziellen Aufwandsabschätzungen verbessert werden.

    Technische Maßnahmen

    Zur Umsetzung dieser organisatorischen Maßnahmen hat die GTZ auf der Basis eines Intranetportals einen Wissensspeicher implementiert, auf den jeder Mitarbeiter ob vor Ort, den Außenstellen oder in der Zentrale über Projektnummer, Projektverantwortlichen oder Volltextrecherche zugreifen kann. Diese Wissensbestandskarten bestehend aus Gelben Seiten der Mitarbeiter, Dokumenten, Präsentationen, Tabellen, Marktstudien, technischen Handbüchern, Projektberichten, Lessons Learnt oder Best Practices sind nach vorgegebenen Templates aufgebaut, um die Vergleichbarkeit der Informationen sicherzustellen. Zur Zeit wird der Einsatz eines Content Managementsystems geprüft, um die notwendigen Funktionen der Recherche, des Erstellens, der Qualitätskontrolle, der Freigabe, der Archivierung und vor allem der Mehrsprachigkeit der Wissensbestandskarten zu unterstützen.

    Gab es zu Beginn des Projekts vor dem Hintergrund einer sich verschärfenden Konkurrenzsituation noch Überlegungen, den Zugriff auf den Wissensspeicher restriktiv zu handhaben, so wird inzwischen nach der Maxime "Wir machen auf" verfahren. So soll künftig auch Externen der Zugang zum Wissensspeicher ermöglicht werden. Nur strategisch und politisch sensitives Wissen erfordert dann noch einen besonderen Zugriffscode.

    Externe Berater und Kontakte

    Beim Start des Projekts Wissensmanagement wurde die GTZ bei der Definition der Aufgabenstellung und der Planung einer DV-Infrastruktur von einem bekannten Beratungsunternehmen unterstützt. Befürchtungen über einen möglichen Know-how-Verlust bestanden nicht, da die GTZ beim Einsatz von Beratungsunternehmen über eine lange Tradition des externen Wissenserwerbs verfügt. Für spezielle Aufgaben werden zudem Praktikanten und Hospitanten eingesetzt.

    Die GTZ pflegt einen engen Kontakt zu Fachtagungen ("Eschborner Fachtage"), Universitäten und den relevanten Technologieunternehmen in Deutschland. Darüber hinaus ist sie eingebettet in ein Netzwerk europäischer Ministerien für Entwicklungszusammenarbeit, der Weltbank, der UN-Organisation für Food and Agriculture (FAO) und ihren europäischen Partnerorganisationen. Dieses (Wissens-) Netzwerk wird aktiv gepflegt, um zusätzlich Informationen über Kunden und Arbeitsweisen (sog. Stakeholder-Wissen) zu sammeln.

    Schritte zur Umsetzung

    Die Bedeutung des Projektes Wissensmanagement wurde durch die gute Ausstattung mit Mitarbeitern, Investitionsmitteln und insbesondere durch die hohe organisatorische Anbindung an die Geschäftsführung unterstrichen. Doch obwohl das Projekt von ihr initiiert wurde, mußte zunächst der obere Führungskreis der GTZ von der wirtschaftlichen Notwendigkeit überzeugt werden, sich dieses Themas anzunehmen. Dies ist trotz anfänglicher Schwierigkeiten inzwischen gelungen. Beim mittleren Führungskreis ist dies bislang noch nicht in ausreichendem Maße geglückt. Immer wieder stolperte man über die "alte" von Beamtenmentalität geprägte Unternehmenskultur. Hier ist noch überzeugungsarbeit zu leisten, weniger fast als bei den meisten Mitarbeitern, die sich die Devise "Man kann etwas erwarten, wenn man etwas reintut!" zu eigen gemacht, den Nutzen des Systems schnell begriffen haben und sich zunehmend am Projekt beteiligen.

    Der Betriebsrat wurde bei der Planung des strategischen Projekts Wissensmanagement und bei der Installation der Wissenstopographie stets eingebunden, so dass Widerstände kaum zu überwinden waren. Als Anreiz ist geplant, "Bonuspunkte", die in Urlaub oder Geldprämien eingetauscht werden können, für zur Verfügung gestelltes Wissen zu vergeben. Damit soll das Wissensportal bald von allen GTZ-Mitarbeitern aktiv benutzt und weiterentwickelt werden.

    Das Gespräch führte Dr. Bernhard v. Guretzky, m2 Consulting

    Links

    [1] Homepage der GTZ: www.gtz.de

    [2] Bernhard v. Guretzky: "Die Rolle des Wissensmanagement bei Nicht-Regierungsorganisationen";

    [3] Bernhard v. Guretzky: "Schritte zur Einführung des Wissensmanagement: Wissenskarten - Gelbe Seiten"

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