Lernen ist wichtiger als Wissen

    09. September 2013 von Jörg Dirbach

    Wer innovative Produkte in kurzer Zeit entwickeln will, muss das im Unternehmen vorhandene Wissen effizient nutzen. Die zunehmende Spezialisierung und die räumliche Verteilung der Mitarbeiter in der globalisierten Welt erschweren dies – gezieltes Wissensmanagement ist zu einem Wettbewerbsfaktor geworden.

    Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Call for Papers für das Open Journal of Knowledge Management, Ausgabe VII/2013 eingereicht.


    Der Druck auf Unternehmen, innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, steigt weiter. Dies gilt nicht nur für die Schweiz aufgrund des starken Frankens, sondern bestimmt die Wirtschaft der gesamten westlichen Welt heute und in naher Zukunft. Nur wer vorne dabei ist, kann in der globalisierten Welt erfolgreich sein.

    Dienstleister wie Zühlke realisieren für solche innovative Unternehmen Projekte in verschiedenen Branchen. Für beide ist es sehr wichtig, das im eigenen Unternehmen vorhandene Wissen zu nutzen und es ständig weiterzuentwickeln. Dies bedingt ein gezieltes Wissensmanagement, das den Knowledge-Flow optimal gestaltet [1].

    Wissen externalisieren …

    Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Wege, Wissen auszutauschen: Bei der Kodifizierungsstrategie wird das Wissen der Mitarbeiter externalisiert, das heißt in Form von Dokumenten, Wikis oder anderen Mitteln unabhängig vom Mitarbeiter festgehalten und verfügbar gemacht. Damit verfolgen viele Unternehmen auch das Ziel, von einzelnen Wissensträgern unabhängig zu werden.

    Diese Strategie ist jedoch kaum umsetzbar. Schon seit langem ist bekannt, dass der größte Teil des Wissens an die Mitarbeiter gebunden ist und nicht externalisiert werden kann [1]. Dennoch haben in der Vergangenheit zahlreiche Unternehmen darauf gesetzt und Lehrgeld bezahlt. Dies ist ein Grund, weshalb der Ruf des Wissensmanagements heute negativ geprägt ist.

    … oder personifizieren?

    Der zweite Weg hingegen, die Personifizierungsstrategie, verspricht Erfolg. Sie geht davon aus, dass sich Wissen nur sehr eingeschränkt externalisieren lässt, und setzt darauf, den persönlichen Austausch zwischen den Mitarbeitern zu verbessern. Damit dies gelingt, muss Transparenz herrschen. Das heißt, die Mitarbeiter müssen wissen, wer welches Know-how trägt. Zudem sollte der Austausch mit modernen Kommunikationsmitteln vereinfacht werden.

    Auf diese Strategie setzt auch Zühlke. Denn die Erfahrung zeigt, dass Mitarbeiter gerne Wissen weitergeben, wenn das Unternehmen auch in ihre Weiterbildung investiert. Entscheidend ist, dass Lernen höher gewertet wird als Wissen: Ein Mitarbeiter, der sich nicht weiterentwickeln kann, ist versucht, seinen Status zu bewahren und sich unverzichtbar zu machen. Sein Wissen wird zum Machtfaktor, er gibt es nur ungern weiter. Wenn die Unternehmenskultur jedoch das Lernen in den Mittelpunkt stellt, profitiert jeder vom gegenseitigen Austausch und das Wissen wird ständig erneuert. Die Mitarbeiter lernen voneinander und sind oft auch außerhalb des Unternehmens in sozialen Netzwerken aktiv. Bei Zühlke sind an verschiedenen Standorten fast 600 Mitarbeiter tätig, die alle ihr Wissen austauschen. Damit ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass für fast jedes Problem irgendwo ein Mitarbeiter aufgrund seiner Erfahrung eine Lösung kennt.

    Vier Aspekte sind massgebend

    Vier unterschiedliche Aspekte bestimmen, wie produktiv das Wissen eines Unternehmens  genutzt wird (Abb. 1):

    Abb1_4_Aspekte_optimaler_Wissensnutzung

    Abbildung 1:

    Diese vier Aspekte optimaler Wissensnutzung müssen gut aufeinander abgestimmt sein

    Unter dem Begriff „Wissensarbeit“ sind Arbeitsprozesse, Organisation und verfügbare Werkzeuge zusammengefasst. Sie sind maßgebend dafür, wie produktiv die Projektmitarbeiter Neues entwickeln. Das Buch „Software entwickeln mit Verstand“ [2] beschreibt detailliert, wie einzelne Personen und Teams Produktivität in der Wissensarbeit erreichen.

    Der zweite Aspekt betrifft die so genannten Wissensarbeiter, zum Beispiel Produkt- oder Softwareentwickler. Für sie ist das Wissen das Lebenselixier und das Lernen der Prozess, der ständig für Nachschub sorgt. Herausfordernde Projekte, Weiterbildung sowie die dazugehörige Grundeinstellung des lebenslangen Lernens sind Faktoren, welche die unternehmensweite Wissensnutzung stark beeinflussen.

    Unter „Wissensintensives Unternehmen“ sind Strategie, Unternehmenskultur, Führung und Organisation zusammengefasst. Das Unternehmen muss verstehen, wie diese Aspekte die Nutzung des Wissens beeinflussen. Wenn die Unternehmenskultur zum Beispiel auf internem Wettbewerb aufgebaut ist, wird die optimale Nutzung des Wissens von vornherein verhindert.

    Der vierte Aspekt ist der „Informations- und Wissensaustausch“. Bestandteil davon ist auch die IT-Infrastruktur für die Ablage und Suche von Information sowie für den Austausch von Wissen unter den Mitarbeitern.

    Die Lösung für Zühlke

    Bei Zühlke sind die Voraussetzungen für einen produktiven Wissensaustausch bezüglich aller vier Aspekte gegeben. Im Bereich der IT-Infrastruktur hatte sich jedoch in den letzten Jahren aufgrund des Wachstums ein Engpass ergeben. Im Jahr 2010 startete Zühlke deshalb ein Projekt und entwickelte eine IT-Lösung, die den Informations- und Wissensaustausch vereinfacht.

    Die Architektur des Systems basiert auf drei Säulen: Content, Yellow Pages und Kommunikation mit Social Networking (Abb. 2).

    Abb2_3_Säulen_Wissensmanagement_bei_Zühlke

    Abbildung 2:

    Bei Zühlke basiert das System für den Informations- und Wissensaustausch auf drei Säulen: Content, Yellow Pages und Kommunikation mit Social Networking.

    Zur Speicherung und für den Zugriff auf Web-Content, Wikis und Dokumente werden Sharepoint 2010 und das Framework Matchpoint 3.0 eingesetzt. Zühlke entwickelte zudem eine Yellow-Page-Applikation, um Experten einfach zu lokalisieren. Diese ist in Sharepoint 2010 integriert. Das Social Networking basiert auf Yammer als Cloud-Service. Diese Plattform hat sich in der Evaluation als die beste herausgestellt. Yammer bietet eine Integration in Sharepoint sowie ein API, das Zühlke für die Suche verwendet.

    Die zentrale Suche stellt mit einer einzigen Abfrage verschiedene Informationen zur Verfügung: Skills der Mitarbeiter in den Yellow Pages und Projekte, die mit diesen Skills durchgeführt wurden, Content im SharePoint sowie Diskussionen in Yammer. Mit einer Suchanfrage kann sich so jeder Mitarbeiter sofort ein Bild darüber machen, ob das gesuchte Know-how im Unternehmen vorhanden ist und welche Mitarbeiter sich schon einmal mit dem Thema beschäftigt haben. Sucht ein Mitarbeiter zum Beispiel einen Experten, der sich mit Scrum auskennt, findet er auf einen Blick alle Mitarbeiter und deren Scrum-Projekte sowie passende Dokumente und Diskussionen auf Yammer. Die zentrale Taxonomie, die wichtige Metadaten wie Dokumententypen, Branchen oder Zugehörigkeit zu Ländergesellschaften abbildet, vereinfacht die Suche zusätzlich, da man sehr einfach Filter für die gewünschten Suchergebnisse setzen kann. Zühlke hat das System im Dezember 2011 eingeführt.

    Engpässe kosten Geld

    Wie Abbildung 1 zeigt, sind die vier Aspekte nicht unabhängig voneinander, sondern zum Teil eng verwoben. Um die Wissensnutzung zu steigern, müssen alle vier detailliert analysiert werden. Denn jeder Engpass beeinträchtigt die Nutzung des vorhandenen Wissens. Wenn Wissensarbeit schlecht organisiert ist oder das Unternehmen aufgrund strategischer Entscheidungen auf die falsche Technologie setzt, wenn die Weiterentwicklung der Mitarbeiter vernachlässigt wird oder wenn die IT-Systeme den Informationsfluss und Wissensaustausch eher behindern als fördern, verschenkt ein Unternehmen jeden Tag bares Geld.

    Referenzen

    Links:

    Zühlke Website: http://www.zuehlke.com

    Blog von Jörg Dirbach: http://www.wissensarbeiter.org

    Bücher:

    [1] Frank Leistner: Mastering Organizational Knowledge Flow, Wiley, 2010

    [2] J. Dirbach, M. Flückiger, S. Lentz: Software entwickeln mit Verstand, dpunkt, 2011

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