Aspekte des Wissensmanagements in der Pflege (Teil 1)

    30. Dezember 2005 von Steffen Kosch

    Wisenslücken können speziell im Gesundheitswesen fatale Folgen haben. Da verwundert es schon, dass dieser Bereich im Wissensmanagement bisher relativ wenig Beachtung gefunden hat. Pflegewirt Steffen Kosch hat sich einen speziellen Teilbereich angesehen: die Pflege. Aufbauend auf den vier Dimensionen des Pflegewissens von Chinn und Kramer geht der Autor Fragen nach, wie "wo das Wissen entsteht" oder auch "wie Wissensmanagement gemeinsam mit Qualitätsmanagement und Change Management den Pflegestandard heben kann". Aufbauend auf der hier erarbeiteten Basis wird das Thema in einem zweiten Teil vertieft werden.

    Die Pflege im Umbruch des Gesundheitswesens

    Wissensmanagement in der Pflege ist ein noch wenig bearbeitetes Feld. Zum einen, weil die Pflege als Wissenschaft im mitteleuropäischen Raum, im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern, noch eher am Anfang steht. Auch, weil auf Grund des geringen Interesses der Politiker und der Arbeitgeber im Gesundheitsbereich, die Pflege als Wissenschaft überhaupt zu akzeptieren, kaum eine Förderung stattfindet. Schliesslich sind damit Kosten verbunden, die die sowieso schmalen Budgets der Krankenhäuser und Leistungsträger zusätzlich belasten. Auch den Bestrebungen, Pflege wissenschaftlich zu begründen (Evidence Based Nursing), wird erst dann Erfolg beschieden sein, wenn die dazu gehörigen Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens Eingang in Pflegestudiengänge an Hochschulen sowie in Ausbildungs-Curricula und in den Ausbildungsbetrieben den Weg in die Praxis finden. Unter den Bedingungen des neuen Fallpauschalen-Systems (DRGs) sind völlig neue Probleme entstanden, die den Erhalt von Stellen im Fachkraftbereich betreffen und damit auch Professionalität und Pflegequalität in neue Zusammenhänge stellen. Die notwendigen Bemühungen der Stationären Einrichtungen und Ambulanten Dienste, den Anforderungen an eine qualifizierte Versorgung gerecht zu werden, stehen meist Leistungsdruck und Budgetfragen im Wege, so dass Lösungen gefunden werden müssen, die es ermöglichen, Qualität und Fachlichkeit in der Pflege zu garantieren. Auch wenn dies nicht unbedingt immer so sein muss - die Wissenschaftlichkeit der Pflege rückt zumindest in den Hintergrund. An dieser Stelle setzen dann die Fragen an, die zu den Möglichkeiten des Wissensmanagements im Pflegebereich führen.

    Wie definiert sich Wissensmanagement in der Pflege, wie wird es gestaltet? Wissensmanagement nimmt auf die Wissensbasis des Unternehmens Einfluss, indem es alle Daten und Informationen systematisch erfasst und individuelles Wissen und Fähigkeiten(Humankapital) in der Organisation verankert. So wird gemäss der Definition Wissensmanagement ein Interventionsmechanismus, der auf den Theorien des Organisationalen Lernens und der Organisationslehre beruht und diese systematisch nutzt (Wikipedia 2005)

    Daten werden im Pflegebereich viele erhoben, auch solche, die mit dem eigentlichen Leiden des Patienten nichts zu tun haben. Die Datenflut hat seit Einführung von EDV im Pflegebereich massiv zugenommen. Zwischen der simplen "Fieberkurve" und dem elektronischen Dokumentationssystem liegen gerade mal 10 Jahre! So werden heute bereits Pflegeberichte und Leistungen elektronisch erfasst, Labor- und Röntgenuntersuchungen angefordert, die Befunde sind auf dem Bildschirm abrufbar. Aber eben - das alles sind "nur" Daten .Wie wird daraus Wissen?

    Wie entsteht Pflegewissen?

    CHINN / KRAMER (1996) definieren Wissen für den Pflegebereich als " individuelle menschliche Prozesse der Erfahrung und Erfassung des Selbst und der Welt auf eine Art, die zu einem bestimmten Grad von Bewusstheit führt."(S.5ff) Somit wird Wissen zu einem dynamischen, Veränderlichen Prozess. Abzugrenzen ist hier der Begriff Erkenntnisse, der sich auf Wissen bezieht, welches mitgeteilt oder weitergegeben werden kann (CHINN/KRAMER, 1996). Die beiden Pflegewissenschaftlerinnen führen weiter aus, dass Pflegewissen vier konzeptuelle Dimensionen hat: Empirie als der wissenschaftliche Aspekt der Pflege, die Ethik als moralische Erkenntnis der Pflege, das Persönliche Wissen in der Pflege und Intuition als die Kunst in der Pflege (CHINN/KRAMER, 1996). In den dazugehörigen kommunikativen Dimensionen wird dargestellt, wie die Dimensionen ihren Ausdruck finden, in der Empirie und der Ethik durch die Sprache, in der Intuition und im Persönlichen Wissen in der Sprache, dem Handeln und dem Verhalten. Die einzelnen Dimensionen sind nur als Ganzes zu erfahren, was bedeutet, dass durch Vernetzungen ständig Wissen generiert wird, was aber selten artikuliert wird. Die Eigenart, pflegerisches Wissen zu generieren, ist, dass das Kranksein "eine menschliche Sprache ist, aus Emotionen und gelebten Erfahrungen" (GREB, 2003, S.198) besteht, die es aber der Berufsgruppe auch entsprechend schwer macht, ihre Erkenntnisse zu dokumentieren, woraus sich auch fachdidaktische Schwierigkeiten ergeben (GREB, 2003). Die Aufgabe besteht also darin, dieses Wissen zu formulieren, zu bearbeiten und denen, die damit arbeiten wollen, zugänglich zu machen. Das betrifft die Pflege als Berufsgruppe selbst und auch die Allgemeinheit, die mit diesem Wissen soziale Probleme lösen kann, wie zum Beispiel Fragen der Prävention oder das Dilemma der Altenpflege.

    Der Pflegeprozess als Quelle des Pflegewissens

    Das Wissen der Pflege kommt aus einem Problemlösungsmodell, welches Pflegewissen systematisiert, aus dem Pflegeprozess. Dieser Regelkreis umfasst die Erstellung einer Pflegediagnose nach Erhebung einer Pflegeanamnese, die Planung der Pflege nach den einzelnen Pflegediagnosen, die Durchführung der Pflegemassnahmen, deren Dokumentation und die Evaluation. Die an Vernetzungsmöglichkeiten reichsten Stadien des Pflegeprozesses sind die Diagnosestellung mit der daraus folgenden Planung und die Evaluation. Hier werden der Klient und seine spezifische Problematik in den Kontext zu den Möglichkeiten seiner Pflege gestellt. Durch Verknüpfungen der vier Dimensionen nach CHINN/KRAMER - in Form der Pflegediagnosen, der Kenntnis von Pflegemethoden und der Aufstellung eines oder mehrerer Pflegeziele - werden Wissensinhalte geschaffen. Ein einfaches Beispiel: Ein Patient leidet während des länger dauernden Krankenhausaufenthaltes unter Schlaflosigkeit. Im Anschluss an das Pflegegespräch wird die Diagnose erhoben: "Schlaflosigkeit in Zusammenhang mit länger dauerndem Krankenhausaufenthalt!". Da Schlafmedikamente zunächst nicht verordnet werden sollen, werden mit alternativen Methoden (Tees, Aromatherapie, Musik) und einer täglicher Gymnastik versucht, dem Patienten zu helfen. Schliesslich gelingt die Fixierung einer Therapie aus Orangenblütentee und einem abendlichen Spaziergang durch den Krankenhauspark. Durch Induktion kann nun eine abstraktere Formel gewählt werden: Patienten mit Schlafstörungen können mit abendlicher Bewegung und einem Orangenblütentee von Schlaflosigkeit kuriert werden. Auf fachlich höherem Niveau kann das auf einer Intensivstation passieren, wenn es beispielsweise um die Entwöhnung eines Patienten von der Beatmungsmaschine geht. Hier müssen pharmakologische und intensivtherapeutische Kenntnisse verbunden werden, um zu der richtigen Mischung der Atemluft und der Druckparameter zu kommen.

    Der wichtigste Bereich des Pflegeprozesses, in dem Wissen hauptsächlich generiert wird, ist die Evaluation. In der Bewertung pflegerischer Massnahmen werden Konsequenzen über den Erfolg der Pflegetherapie gezogen - Pflege ist insoweit auch Therapie, als dass die kontinuierlich durchgeführten Massnahmen zur Heilung bzw. Linderung führen - und die sich anschliessende Pflege, zumindest strategisch, festgelegt wird. Auch hierzu ein Beispiel: ein bisher bettlägeriger Patient wurde bisher nach einem Lagerungsplan, Teil des Pflegeplans, zweistündlich im Bett gelagert. Durch Besserung seines Gesundheitszustandes kann mit einer Mobilisierung begonnen werden. Um ein optimales Gelingen zu gewährleisten, werden notwendige Materialien und ein Vorgehen festgelegt, die zum ersten Gang aus dem Bett benötigt werden. Nach dem ersten Gang werden dann Schlüsse gezogen, woraus Wissen erwächst - nach der eingangs erwähnten Definition.

    Dieses, aus beiden Prozessteilen entstehendes Wissen, gilt es zu vervollständigen, im Sinne von: mit anderem Wissen und Erkenntnissen zu verknüpfen, und zu speichern.

    Vom Wissen zum Wissensmanagement

     

    Die sehr komplexe Zielstellung kann nicht allein darin bestehen, durch Veröffentlichungen das Wissen zu teilen oder es in Standards und Richtlinien anzuwenden, sondern es muss auch im beruflichen Alltag Eingang finden können, es muss zur Anwendung bereit im Wissenshintergrund jeder einzelnen Pflegefachkraft sein. Wesentlicher Aspekt dabei ist, dass die Dimensionen des Wissens sich durchdringen aber trotzdem verifiziert werden können müssen. Das bedeutet, dass die vier Dimensionen nach CHINN / KRAMER durch Analyse sichtbar gemacht werden können müssen.

    Entscheidend ist es nun, das vorhandene Wissen so zu managen, dass es neben der praktischen Anwendung auch in Standards und Richtlinien aufgenommen wird bzw. in Wissensdatenbanken gespeichert wird. Besser ist natürlich ein ganzheitlich angelegtes Wissensmanagement, in dem der Mitarbeiter als Träger und Anwender von Wissen im Zentrum steht und mit dem der Umgang mit der Ressource Wissen kontrolliert werden kann.

    KERRES / SEEBERGER sagen: "Ein ganzheitliches Wissensmanagement in der Pflege braucht 8 Aspekte." (KERRES /SEEBERGER 2).

    • Wissensidentifikation: Hier wird das Wissen im Pflegeprozess lokalisiert und die Grundlage für eine weitere Nutzung durch andere Mitarbeiter gelegt. Wichtiger Punkt ist hier, nachvollziehbare Arbeitsweisen zur transparenten Fixierung zu haben.
    • Wissenserwerb: Mit der Suche nach ähnlichen Verfahren in anderen Krankenhäusern wird nun die eigene Wissensbasis erweitert. Gleichartige Erkenntnisse können nun kombiniert werden, um die Methode zu verbessern. Bestenfalls werden Expertenstandards möglich, die sich nun verallgemeinern lassen und in einem ganzen Land gültig werden. (Beispiel: Expertenstandard Dekubitus)
    • Wissensentwicklung: Wird Wissensmanagement zur Führungsaufgabe, besteht die Möglichkeit, internes Wissen auf- bzw. auszubauen. Systematisch werden verschiedene Gebiete innerhalb einer Organisation angesehen und in Projektarbeitsweise Schritte zur Veränderung eingeleitet. Dies kann besonders dann geschehen, wenn das Unternehmen sich in Phasen der Umstrukturierung befindet. Findet Wissensmanagement als Teil von Qualitätsmanagementprojekten statt, ist dies der Punkt, dem besondere Bedeutung zukommt.
    • Wissensverteilung: Nun kommt der Punkt, an dem, beispielsweise, ein neuer Standard in Projektarbeitsweise eingeführt wird. Im DEMING -Zyklus wird das gewonnene Wissen in der ganzen Organisation publik gemacht und als Bestandteil des Pflegeprozesses aufgenommen. In der CHECK- Phase kann nochmals überprüft werden, ob sich eine weitere Verbesserung ergibt. Von einigen Organisationen werden auch Pflegequalifikationskurse angeboten, die dazu dienen, Mitarbeiter fester in die hausinterne Struktur einzubinden, indem in diesen Kursen der Umgang mit der eigenen Medizintechnik und die Kenntnis im Hause angewandter medizinischer und pflegerischer Verfahren gelehrt wird. Wiederum können auch Qualitätsmanagementhandbücher in den Bereich Wissensverteilung gehören.
    • Wissensbewahrung: Datenbanken, Manuale ("Blaue Bücher") und in Standards oder Richtlinien festgelegte Arbeitsweisen dienen der Wissensbewahrung. Informationsmanager sind bestellt, das Wissen der Organisation zu verwalten und die Bestände laufend zu aktualisieren.
    • Wissensnutzung: Ebenfalls eine Führungsaufgabe. Das aktualisierte organisationale Wissen ist auf pflegerelevante Inhalte hin zu überprüfen und an die Abteilungsleiter zur Umsetzung zu übergeben oder externes Wissen einzukaufen und zu übernehmen. Will eine Organisation auf Evidence Based Nursing umsteigen, kann es an dieser Stelle geschehen. Alle Arbeitsweisen können durch evidenzbasierte Tools ersetzt werden, so vorhanden.
    • Wissenscontrolling: Durch Beurteilungen bzw. Qualifikationen wird der Mitarbeiter eingeschätzt. In der Pflege gilt es vor allem das Fachwissen zu überprüfen, denn nur mit einer soliden Basis kann die Pflegende am Patienten arbeiten, ohne ihn zu gefährden. Neben pflegewissenschaftlichem, medizinischem und pharmakologischem Wissen ist es vor allem die Berufspraxis, die hier evaluiert wird und wesentliche Bedeutung hat. Durch das steigende Arbeitsvolumen und die damit steigenden Anforderungen an den Wissensstand der Pflegenden ist es um so wichtiger, soll eine sichere Pflege garantiert werden, kontinuierlich Wissen in der Organisation zu implementieren und man ist als Führungskraft stets gut beraten, dies auch zu kontrollieren. Sollten die Stellenzahlen weiter sinken, müssen die verbleibenden Pflegenden ausgewiesene Fachleute sein, um eine sichere Pflege zu gewährleisten.
    • Wissensziele: In der Pflege lässt sich die Zielstellung, die je nach Leitbild anders dargestellt wird, vereinfacht so ausdrücken: Höchste Sicherheit und Zufriedenheit für Patienten und Mitarbeiter! Die dazu notwendigen Kompetenzen sind vor allem über wissensgestützte Personalentwicklungsmassnahmen zu erreichen. Auf Grund der knappen Budgetlage können altruistische oder besser: ideelle Ziele nur sekundär, wenn nicht sogar tertiär verfolgt werden. Und nur sichere Pflege gewährleistet auch einen kontinuierlichen Patientenstrom und die Ausweitung des Leistungsspektrums.

    Die vorgestellten Aspekte werden nie einzeln durchlaufen - wichtig ist in einem dynamischen Prozess, dass sich alle Bestandteile desselben gegenseitig bedingen. Die Zielsetzung soll den Erwerb von Wissen beeinflussen, der gemessen werden muss und aus der Nutzung muss die Bewahrung hervorgehen. Das stellt hohe Anforderungen an die Führung eines Pflegedienstes, das hausinterne Informationsmanagement und die Pflegeportale, die sich als Gefässe für Pflegewissen etablieren.

    Wissensmanagement als Schnittstelle in der Qualitäts- und Berufspolitik

     

    Ob nun Wissensmanagement Bestandteil eines übergeordneten Qualitätsmanagements oder aber ein Instrument dafür ist, sei jetzt Sache der Konzeption des Qualitätsmanagements. Wissensmanagement allein kann jedoch ein Qualitätsmanagement vorbereiten, indem das Personal Entwicklungsmassnahmen durchläuft, die das Qualitätsmanagement ermöglichen und erfolgreicher gestalten.

    Sieht man vom Qualitätsmanagement einmal ab, kommen auf die Pflege in der angestrebten Professionalisierung aber auch noch andere Entscheidungen bezüglich des Wissensmanagements zu. Die scheinbar vorbildlichen Entwicklungen in der amerikanischen und der britischen Pflege, die die Pflege zu eigenständigen Professionen gemacht haben, in Deutschland bewegen wir uns erst darauf zu, zeigen zwei Wege auf. SCHAEFFER (2003) weist darauf hin, dass beide beschrittenen Wege erfolgreich sein können. In den USA hat es eine vertikale Entwicklung gegeben - es wurden ärztliche Tätigkeiten bis hin zur Pflegesprechstunde übernommen. Der britische Weg hat sich in die horizontale Richtung bewegt - die Pflege selbst suchte sich neue Aufgaben, zum Beispiel in der Hospizarbeit oder die Betreuung chronisch Kranker als typisch pflegerisches Arbeitsfeld. Letztere Aufgaben scheinen mir für die deutsche Pflege als gangbarer Weg. Sind die Ärzte mit ihrer Standesvertretung und ihrer Stellung in der Gesellschaft doch noch weit hinter den Erwartungen an offene und demokratische Strukturen zurückgeblieben. Da auch ein Grossteil der Gesellschaft nicht an einer Änderung dieser Organisation interessiert ist, würden solche Kämpfe eher zum Nachteil als zum Vorteil der Pflege sein. Auch ist es bei der aktuellen Situation in der deutschen Gesundheitspolitik nicht vermittelbar, warum beispielsweise einer ärztlichen Untersuchung erst eine durch eine Pflegende vorgeschaltet sein soll oder ganz und gar kleine chirurgische Eingriffe durch eine speziell ausgebildete Pflegefachkraft vorgenommen würden. Würde man sich dagegen auf ein generelles HMO - System (Health Maintenance Organisation - US-amerikanische Variante des Hausarztsystems) einigen, könnte das ein tatsächliches Mittel zur vertikalen Weiterentwicklung des Pflegeberufs und natürlich auch zur Kostenreduktion sein. Von verpflichtenden HMO- Strukturen aber ist das deutsche Gesundheitswesen noch weit entfernt. Ein deutscher Weg in Form einer horizontalen Entwicklung könnte die Aufgaben der Prävention, vor allem im Kinder und Jugendbereich, sehr gut mit pflegewissenschaftlichen Konzepten verbinden, ohne dabei der Sozialarbeit in den Weg zu kommen. In der Hospizarbeit und der Altenpflege sind grosse Veränderungen nötig, da die demographische Situation, das Ansteigen der Zahlen an Alten und Hochaltrigen, der Pflege noch grosse Aufgaben stellen wird. Auch die Ausdehnung der Pflegearbeit auf Schulen, auf Betriebe und Dienstleistungszentren steht zur Debatte, im Prinzip der Bereich, den man Öffentliche Gesundheitspflege, im angloamerikanischen Sprachraum unter dem Begriff Public Health bekannt, nennt. In diesem Bereich kann auch durch die Pflege noch einiges Terrain besetzt werden, da die Anbindung der Pflege an die Gesundheitswissenschaft bis dato noch sehr schwach ist. Zu beweisen an der unzureichenden Stellung von pflegerischen Präventionsvorhaben in der Gesundheitspolitik und der Undurchführbarkeit mancher staatlich gelenkten Kampagne, die meist den Fehler haben, die Betroffenen nicht dort abzuholen, wo sie aktuell stehen. Die Pflege bietet auch hier Konzepte an, Gesundheitswissen klientennah zu vermitteln und sich daraus selbst neue Aufgabenbereiche zu schaffen. Dieser Mechanismus muss in Gang gesetzt werden, um Pflegewissen und Pflegepraxis zu erweitern und in die Pflegewissenschaft einzubringen. Letztere Aufgabe ist zukunftsträchtiges Feld für das Pflegemanagement, welches den notwendigen betriebswirtschaftlichen- und Managementhintergrund besitzt.

    Wissensmanagement im Change Management

    In der aktuellen Diskussion zur Lage der Gesundheitsstruktur in Deutschland kommt für die Pflege eine bedeutende Chance, sich auf dem Gebiet der Organisationsgestaltung einzubringen. Durch die Einführung von DRGs sind viele Krankenhäuser zu Veränderungsprozessen gezwungen bzw. stellen sich den bedeutenden Herausforderungen des Change Managements. Unter den insgesamt dreizehn Schlüsselfaktoren (GREILING, 2004), die das Konzept des Change Managements ausmachen, sind für die Wissensarbeit in der Pflege drei von Bedeutung: dass Prozessdenken Strukturdenken ablöst, die Sicherung kontinuierlichen Lernens und auf der Leitungsebene der Pflege, dass Change Management Führungsaufgabe ist. Zum erstgenannten Punkt wäre zu sagen, dass es mit einer Ausweitung des Personalangebots und der Schaffung räumlicher oder organisatorischer Strukturen nicht getan ist, über die Wege des Qualitätsmanagements und durch transparente Führungsprozesse müssen Arbeitsprozesse effektiver gestaltet werden. Die Absicherung kontinuierlichen Lernens kann über Personalentwicklungspläne geschehen, wichtig ist, dass die Umsetzung des Gelernten durch Multiplikatoren sichergestellt wird. Die Leitungsebene der Pflege ist ferner verantwortlich dafür, dass in den Veränderungen die Strategie der Krankenhausentwicklung abgebildet wird. Hierzu sind Visionen notwendig, ein einheitliches Leitbildverständnis innerhalb der Pflegeleitung und die Kenntnis von Wegen der Umsetzung in der Organisation. Diese Faktoren müssen in die Vision eines Pflegedienstes als "lernende Organisation" eingehen, quasi Bild und Philosophie der Pflege im Change Management prägen. Dem Change Management in der Pflege können auch Pflegemodelle zu Grunde gelegt werden, die neue Wege in der Patientenversorgung möglich machen, z. B. der Ausbau ambulanter Betreuungsprozesse und der dazugehörigen Überleitungspflege. Ökonomische Vorbehalte sind meist von der Administration zu hören, weil mit pflegewissenschaftlichen Argumenten diese auch Stellenplanerhöhungen vermutet. Anders ist es dann, wenn durch zielgerichtete Personalentwicklung Verwirrungen bezüglich des eingeschlagenen Wegs der Krankenhausführung vorgesorgt wird. Dies tritt klar zu Tage, wenn man sich die Pflegequalität auf Intensivstationen anschaut: ausreichend ausgebildetes Personal bestimmt die Pflegequalität, die im Bereich Intensive Care hoch ist. In der Schweiz, beispielsweise, ist es nur dann möglich auf einer Intensivstation zu arbeiten, wenn man die notwendigen Fachnachweise erbracht hat. Dementsprechend ist auch die Pflegequalität, das Ergebnis eines korrekt ausgeführten und damit produktiven Pflegeprozesses, auf sehr gutem Niveau. GREILING (2004) dazu in Anlehnung an KAPLAN/NORTON (1997): "Die Mitarbeiterproduktivität bezieht sich auf den Einfluss, den eine Steigerung der Kompetenz in Bezug auf Innovationen, die Verbesserung interner Prozesse und die Befriedigung der Kundenwünsche ausübt." (GREILING,2004, S. 281). Weiter wird ausgeführt, dass hohe Kompetenz und grosser Informiertheitsgrad elementare Voraussetzungen für den Unternehmenserfolg sind (ebd.). Beides ist in der direkten Pflege am Patientenbett noch nicht in ausreichendem Masse angekommen. Teilweise verkrustete Strukturen, sog. "Informelle Systeme", auf allen Leitungsebenen sorgen dafür, dass in zentralen Bereichen der täglichen Führungsarbeit kaum Förderung statt findet, statt dessen werden Fehlerkultur und Veränderungsmanagement zu Verhinderungskultur bzw. -management, wenn es um die Weiterbildung beim Nachwuchs geht. Mit PC-Arbeitsplätzen ist es nicht getan und auch nicht ausschliesslich mit externer Fortbildung, die gehört dazu. Einbeziehung in die Führungs- und Gestaltungsprozesse vor Ort schafft innovatives Denken, Qualitätsbewusstsein und als "angenehmen Nebeneffekt" auch Mitarbeitertreue.

    Natürlich wird in der Pflege Hochschulpersonal benötigt, auch aus anderen Wissenschaftszweigen, um den Anspruch auf Akademisierung zu untermauern und neue Aufgabenfelder für die Pflege zu eruieren. Auch Fachausbildungen in den Funktionsbereichen (OPS, IPS etc.) sind notwendig, um die Pflegepraxis dort auf hohem Niveau zu halten. Aktuelle Diskussionen in Deutschland gehen dahin, diese Fachweiterbildungen abzuschaffen, da viele Fachhochschulen Bachelor - Studiengänge anbieten. Die Ergebnisse sind abzuwarten. Als Kern bleiben aber nach wie vor für die Pflege die Erkenntnisse aus dem Pflegeprozess und deren wissenschaftliche Aufarbeitung. Hierzu sind Anstrengungen nötig, dahingehend, dass alle Mitarbeiter im Pflegebereich in der Lage sind, die Berufspraxis zu hinterfragen, induktiv Erfahrungen zu formulieren und in den Wissensfundus der Pflege einzubringen. Die Pflegewissenschaft hat dann die Aufgabe, die gewonnen Wissensbestände zu reflektieren und zu vernetzen, sie in die Pflegeforschung einzubringen. Für die Zukunft der Pflege als Profession und akademisches Fach wird Wissensmanagement also von enormer Bedeutung sein.

    Literaturliste

    BÜSSING,A. /GLASER,J.(2003): Dienstleistungsqualität und Qualität des Arbeitslebens im Krankenhaus. 1.Auflage, Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe
    CHINN,P.L./KRAMER,M.K:(1996):Pflegetheorie.1.Auflage; Stuttgart, Jena, Lübeck, Ulm: G. Fischer
    GREB,U.: (2003): Identitätskritik und Lehrerbildung.1.Auflage; Frankfurt: Mabuse-Verlag
    GREILING,M. (2003): Pfade durch das Klinische Prozessmanagement.1.Auflage, Stuttgart: Kohlhammer
    KERRES,A./SEEBERGER,B. (2001):Lehrbuch Pflegemanagement 2. 1.Auflage, Berlin, Heidelberg, New York: Springer

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