Wissensmanagement-Stammtische

    21. Januar 2004 von Steffen Doberstein

    Wissenstransfer funktioniert immer noch am effektivsten auf dem direkten Weg - von Mensch zu Mensch. Nun, diese Erfahrung haben auch einige Teilnehmer der KnowTech gemacht. Sie stellten fest, dass einer der interessantesten Teile der Kongresse die Pause war. Da fanden nämlich erregte Diskussionen zwischen den Teilnehmern statt. Warum nicht diese Diskussion in den Alltag hinüberretten, fragten sich drei Teilnehmer und gebaren so die Idee des Wissensmanagement-Stammtisches - eine auf persönliche Präsenz beruhende Community zum Thema Wissensmanagement von Interessierte für Interessierte, die als Best Practice mittlerweile bundesweit Nachahmer gefunden hat.

    Wissensmanagement-Stammtische - Was ist das?

    Umsetzungen von Wissensmanagement in die Praxis sind häufig sehr technisch orientiert. Die direkte Kommunikation zwischen den Menschen, den eigentlichen Wissensträgern, wird dagegen häufig vernachlässigt. Selbst Wissensmanager untereinander verlassen sich gern auf die moderne Technik, wenn es um Wissensaustausch geht - was zugegebenermaßen auch sehr bequem ist. Doch wenn die gleichen Personen gefragt werden, über welche Kommunikationskanäle denn Wissen am effektivsten ausgetauscht wird, wird häufig auf den direkten Kontakt verwiesen. Oder haben Sie nicht schon auf der Suche nach bestimmten Informationen, statt das hauseigene Intranet zu durchforsten, lieber einen Ihrer  Kollegen angerufen? Nun, obige Gedankengänge, haben sich auch einige Teilnehmer von Kongressen gemacht. Sie stellten fest, dass einer der interessantesten Teile der Kongresse die Pause war. Ja, Sie haben richtig gelesen. Da fanden nämlich erregte Diskussionen zwischen den Teilnehmern statt. Warum nicht diese Diskussion in den Alltag hinüberretten, fragten sich drei Teilnehmer und gebaren so die Idee des Wissensmanagement-Stammtisches.

    Aus dieser kleinen Vorgeschichte wird schon die Leitidee deutlich: "Erfahrungen, Informationen, letztlich Wissen über das Thema Wissensmanagement im direkten Kontakt austauschen." Deshalb wurde auch der im ersten Moment vielleicht etwas zu informell klingende Name "Stammtisch" gewählt. Symbolisiert er doch das direkte Gespräch zwischen Menschen, wie kaum ein anderes Wort. Gleichzeitig weist er auf Kontinuität hin.

    Im Laufe der Zeit haben sich einige Grundsätze als Erfolgsfaktoren für Aufbau und Durchführung eines Wissensmanagement-Stammtischs herauskristallisiert. Es handelt sich dabei um konkrete Regeln und Maßnahmen, die das Erreichen der oben beschriebenen Ziele sicherstellen sollen. Sie setzen sich wie folgt zusammen:

    • Berechenbarkeit - durch kalendarisch eindeutigen Termin, z.B. jeden 3. Donnerstag im Monat
    • Freiwilligkeit - durch Verzicht auf Zwänge wie Pflichtvorträge, Mindestteilnahme pro Jahr oder das Erheben von Mitgliedsbeiträgen
    • Inhaltliche Selbstbestimmung - durch Festlegung und Ausarbeitung der Themen aus der Gruppe heraus
    • Interdisziplinäre Zusammensetzung - durch die unterschiedlichste fachliche Herkunft der Mitglieder (ein breites Spektrum ist ausdrücklich erwünscht, weil es die Möglichkeit eröffnet sich durch Einflüsse anderer Disziplinen inspirieren zu lassen)
    • Kommunikationsmix - durch Fachvortrag im Büro zu Beginn des Stammtisches (maximal 1 ½ Stunden) sowie den anschließenden geselligen Teil (dies ermöglicht sowohl eine disziplinierte als auch eine lockere, ungezwungene Kommunikation, beides ist für eine effektive Wissensvermittlung unabdingbar)
    • Nicht kommerziell - durch Verzicht auf kommerziell ausgerichtete Vermarktungs- bzw. Vertriebsaktivitäten im Rahmen des Stammtischs zur Wahrung der Unabhängigkeit einerseits sowie andererseits kostenlose gegenseitige Hilfestellung der Stammtischteilnehmer untereinander; der Stammtisch ist eine reine Interessengemeinschaft
    • Organisches Wachstum - durch Erweiterung des Teilnehmerkreises ausschließlich über persönliche Empfehlung
    • Professionelle Organisation - durch vorherige Festlegung eines Organisators, der die Vorbereitung und Durchführung des Stammtischs koordiniert (es hat sich gezeigt, dass eine Kerngruppe von 4-6 Personen, die sich in dieser Verantwortung abwechseln, erforderlich ist, um einen Stammtisch dauerhaft am Leben zu erhalten)
    • Regionalprinzip - durch Fokussierung auf Personen, die eine Stunde Anfahrt zum Zentrum des Zielortes bzw. der Zielregion haben
    • Vertrauen - durch direkten persönlichen Kontakt sowie vertrauensvolle Kommunikation

    Wissensmanagement-Stammtische am Beispiel des Berliner Stammtisches

    Der Berliner Stammtisch trifft sich, wie im allgemeinen auch die anderen Stammtische, monatlich. Die Treffen sind zweigeteilt. Zuerst wird zu einem bestimmten Thema diskutiert. Im allgemeinen gibt es einen Referenten, der einen Vortrag zu dem Thema hält mit einer anschließenden Diskussion. Das dauert zwischen 1 1/2 und 2 Stunden und findet wegen der benötigten Infrastruktur häufig in Firmengebäuden in zentraler Lage statt. Danach kommt der informelle Teil. Jetzt wird das Wort Stammtisch auch seiner geläufigeren Verwendung gerecht. In einer naheliegenden Lokalität diskutieren die Teilnehmer weiter über das vorangegangene oder eben auch andere Themen.

    Bei den Themen gibt es eine große Bandbreite. Auch die Art und Weise, wie ein Thema nähergebracht wird, variiert. So hat beispielsweise Frau Prof. Brigitte Stieler-Lorenz ihre in der Praxis mehrfach erprobte Methode des Kommunizierenden Lernens vorgestellt und wird voraussichtlich Mitte 2004 auch den Erfolg oder Misserfolg eines gerade laufenden Projektes, in dem die Methode angewandt wird, vorstellen. Mit einer praktischen Übung verband Ulrich Reuther die Vorstellung der Methode der Organisationsaufstellung, eine Übertragung der Familienaufstellung auf Organisationsebene.

    Qualitativ hochwertig sind auch die Veranstaltungen, die mehr auf die Erfahrungen aller Teilnehmer bauen, wenn wie Letztens beispielsweise über Probleme bei der Einführung von Wissensmanagement gefachsimpelt wird. Zu dieser Veranstaltungsform kommen insbesondere Teilnehmer, die ganz speziell dieses Thema interessiert. Dann wirkt sich die Mischung der Teilnehmer hinsichtlich ihres praktischen und theoretischen Hintergrundes besonders positiv aus.

    Wissensmanagement-Stammtische - überregional

    Schirmherr der Veranstaltungen ist die Gesellschaft für Wissensmanagement (GfWM), die bei Bedarf auch eine Onlineplattform für die Stammtische zur Verfügung stellt. Dort findet man auch aktuelle Informationen über Ansprechpartner und in welchen Regionen bereits Stammtische bestehen bzw. in Planung sind. Bisher gibt es Stammtische in Frankfurt/Main, Berlin, Bremen, Stuttgart, Hannover, München, Erlangen, Chemnitz/Hof und der Region Rheinland (Aachen-Köln-Bonn-Düsseldorf). Hamburg ist in Planung. Mitmachen (oder auch neu gründen) kann jeder, einzige Voraussetzung ist die persönliche Teilnahme. Nur so kann der Charakter der Stammtische erhalten bleiben.

    Ziel der Stammtische ist es, einen zwar regional organisierten, aber letztlich über eine lose Vernetzung der Stammtische untereinander und der GfWM doch überregionalen Austausch zum Thema "Wissensmanagement in Theorie und Praxis" zu ermöglichen. Dabei spielt die Interdisziplinarität der Teilnehmer eine wichtige Rolle. Letztlich sollen so auch Netzwerke von mit Wissensmanagement befassten Leuten entstehen.

    Ach, übrigens sind die Teilnehmer der modernen Technik gegenüber alles andere als feindselig eingestellt. Auch der Stammtisch organisiert sich letztlich über E-Mails. Stattgefundene Vorträge können in Informationsplattformen auch später noch gelesen werden. Aber die Technik hat eben nur unterstützende Funktion, der Wissensaustausch findet primär bei den Stammtischen statt.

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