Wissensmanagement - Mehr als eine moderne Philosophie!

    03. Januar 2001 von Eva Maria Scheid

    Dem professionellen Wissensmanagement kommt eine wachsende Bedeutung für den Erfolg von Unternehmen und öffentlichen Institutionen zu. Der Strukturwandel von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft bewirkt massive Änderungen bei den Organisationsformen von Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung.

    Während Unternehmen sich insbesondere neuen Formen des Wettbewerbs und einer zunehmenden Globalisierung stellen müssen, üben die Knappheit von Haushaltsmitteln und die Forderung nach mehr Dienstleistungsorientierung immer stärkere Zwänge auf die öffentliche Verwaltung aus. Gemeinsam ist allen Akteuren, dass die Informationsflut zum Problem geworden ist: Jeder hat viele Informationen im Zugriff, steuert aber auf den "Informationsgau" zu. Diese Informationsflut nicht nur zu kanalisieren, sondern sinnvoll für die jeweilige Organisation zu nutzen, ist Gegenstand des Wissensmanagements. In dieser Situation hängt der Erfolg maßgeblich vom laufenden Informations- und Wissens-austausch zwischen den Verantwortlichen und Beteiligten sowie von der Qualität und Verfügbarkeit relevanter Daten und Informationen ab.

    Zusätzlich ergeben sich insbesondere aufgrund der neuen Formen der Arbeit (z.B. Virtualisierung der Organisationen) neue Anforderungen an die Unterstützung des Informations- und Wissensaustauschs. Darüber hinaus werden die zu lösenden Aufgaben zunehmend zu komplex für Einzelne, Teamarbeit mit ständigem Austausch von Informationen und Wissen ist gefordert. Im Spannungsfeld dieser Entwicklungen gehen jedoch viele Organisationen mit ihrem Wissen nicht wirklich systematisch um.

    Hinter der oft technologiegeprägten Debatte um die besten Plattformen, Datenbanken und Groupware-Lösungen steht die Frage, wie sich die menschliche Kreativität und Leistungsbereitschaft dauerhaft für eine Organisation erschließen lässt. Auch die Anstrengungen der letzten Jahre im Bereich Prozessorganisation haben den Menschen nicht in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Vergessen wurde, das Bewusstsein im Umgang mit Informationen und dem daraus entstehenden Wissen zu verändern.

    Mit dem GHP-Vorgehensmodell zum Wissensmanagement wollen wir unseren Kunden dabei helfen, den systematischen Umgang mit Wissen zur Selbstverständlichkeit für alle Mitarbeiter werden zu lassen. Wem es gelingt, ein funktionierendes Informations- und Wissensmanagement aufzubauen und aktiv zu betreiben, der wird in vielen Fällen an der Spitze der Entwicklungen stehen.

    Definition Wissensmanagement

    Wissensmanagement heißt,

    • die in der Organisation vorhandenen Informationen und Daten, das Wissen sowie die diversen externen Informationsquellen
    • unter Ausnutzung der Informationstechnik
    • mit einem offenen und effizienten Kommunikationsverhalten zu verknüpfen und dadurch
    • Nutzen im Sinne der Zielsetzung des Unternehmens oder der Organisation zu schaffen.

    Wissensmanagement kann nicht von der Stange gekauft werden, es ist vielmehr jeweils speziell auf die betreffende Organisation auszurichten. Auch die Quantifizierung der Nutzenpotenziale des Wissensmanagements hängt sehr stark von der jeweiligen Situation ab. Generell gilt jedoch, dass sich bei einem professionellen Wissensmanagement rasch ein Multiplikatoreffekt einstellt und die Vorteile an diversen Kennzahlen gemessen werden können.

    Das Vorgehensmodell von GHP

    Basierend auf den Erkenntnissen bezüglich der Erfordernisse des Wissensmanagements hat das GHP-Competence Center "Wissensmanagement" ein ganzheitliches Vorgehensmodell für die Einführung von Wissensmanagement entwickelt, welches die Bereiche Strategie, Führung, Kultur, Prozesse sowie Informations- und Kommunikationssysteme (IuK-Systeme) umfasst (siehe Abbildung).

    Dieses Modell dient als konzeptionelle Basis für unsere Beratungsprojekte. Unsere Kunden haben die Möglichkeit, sich die für sie passende Kombination der Unterstützungsleistung auszuwählen, von der Moderation bereits gestarteter Wissensmanagementprojekte bis hin zur Gesamtprojektleitung. Das Modell erlaubt die flexible Reaktion auf unterschiedliche Bedürfnisse. Das Vorgehensmodell bietet den Vorteil, dass die Interdependenzen aller Fragestellungen berücksichtigt und somit die folgenden häufigsten Fehler bereits im Vorfeld vermieden werden können:

    • Wissensmanagement ist nicht auf der Führungsebene verankert oder die Führungsebene versäumt es, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.
    • Die Beiträge einzelner Mitarbeiter zum Wissensmanagement werden nicht honoriert.
    • Es wird versucht, eine immense Datenbank aufzubauen, anstatt die Frage zu beantworten, wer in der Organisation mit wem an welcher Aufgabe arbeitet und welche Informationen diese Mitarbeiter für die Durchführung der Aufgabe benötigen.
    • Die Schnittstelle Technologie - Mensch wird vernachlässigt: zu oft wird eine Entweder-Oder-Entscheidung getroffen.
    • Es herrscht die Erwartung vor, dass irgend jemand anders die erforderlichen Maßnahmen schon durchführen wird.

    Strategie

    Im Rahmen der Strategie steht zunächst die Frage nach dem erwarteten strategischen und wirtschaftlichen Nutzen des Wissensmanagements im Vordergrund. Nur wenn eine Zieldefinition formuliert wird, können die vielfältigen Einzelaktivitäten und ihre Implikationen erfolgreich gehandhabt und ausgerichtet werden. Darüber hinaus ist es wichtig, Wissensmanagement nicht rein vergangenheitsbezogen zu betrachten. Die Vorbereitung auf zukünftige Herausforderungen kann nur mit einem zukunftsgerichteten Wissensmanagement unterstützt werden. Die Zieldefinition sollte daher um die Formulierung einer Vision ergänzt werden.

    Parallel zur Formulierung von Zielsetzung und Vision des Wissensmanagements stellt sich die Frage nach der Kommunikationsstrategie. Diese berücksichtigt zwei Kommunikationsrichtungen: Alle Mitarbeiter werden informiert und können sich gleichzeitig mit ihren Erwartungen, Wünschen und Anregungen zum Wissensmanagement an den Wissensmanager wenden.

    Ist das Interesse am Wissensmanagement erst einmal geweckt, so verhindern fassbare "Quick Wins", dass es schnell wieder verblasst. Die Kommunikation der Zielsetzung kann zu diesem Zweck mit Berichten über Pilotprojekte verbunden werden. So wird verdeutlicht, dass es sich hier nicht nur um "gut gemeinte Worte" handelt.

    Führung

    Der Begriff Führung hat zwei Facetten. Einerseits ist Führung als Kontrollfunktion im Wissensmanagement-Prozess zu verstehen. Andererseits spiegelt sie die persönliche Haltung der Führungskräfte wider. Die Einführung von Wissensmanagement geht immer mit einer Analyse des Führungsverhaltens und der eingesetzten Führungsinstrumente einher. Bestandteile eines "Führungs-Audits" sind u.a. die Präferenzen-Analyse und die Führungsstil-Analyse.

    Ausgehend von den Ergebnissen des Führungs-Audits können entsprechende Leitlinien für die wissensorientierte Personal- und Organisationsentwicklung erarbeitet werden. Es kann erforderlich sein, dass ein Coaching zur Stärkung der Wissenskompetenz durchgeführt wird. Darüber hinaus können Feedback-Instrumentarien die Bereitschaft zur Bereitstellung von Wissen fördern. Hier ist insbesondere die Einbindung des Themas Wissensmanagement in die regelmäßige Mitarbeiter- und Vorgesetztenbeurteilung zu beachten.

    Ist die Zielsetzung des Wissensmanagements von der Unternehmenszielsetzung abgeleitet, so ist auch der Grundstein für ein weiteres Instrument gelegt: Es sollte untersucht werden, ob die Einführung einerBalanced Scorecard für die Messung des Erfolges von Wissensmanagement in der jeweiligen Organisation zweckdienlich ist.

    Kultur

    Unter Unternehmens- oder Behördenkultur verstehen wir das von den Mitarbeitern als Verpflichtung angenommene und gelebte (nicht bloß "akzeptierte") Werte- und Zielsystem der Organisation. Die Kultur beantwortet auf den beiden Ebenen "Werte" und "Ziele" folgende Fragen:

    • Wofür stehen wir?
    • Was sind unsere Prinzipien?
    • Wo wollen wir hin?

    Die Leitung definiert dazu den strategischen Rahmen (Leitplanken), die Inhalte werden (ggf. abteilungs- oder bereichsspezifisch) gemeinsam erarbeitet, verabschiedet und schriftlich fixiert. Die Organisation tut gut daran, speziell auf ihre Zwecke zugeschnittene Maßnahmen abzuleiten. Denn gerade im Bereich Kultur stoßen standardisierte Tools schnell an ihre Grenzen.

    Prozesse

    Die Strukturierung und Analyse von Organisationen anhand von Prozessen bzw. Prozessmodellen ist heute Standard. Wissensmanagement baut hierauf auf und untersucht, ob die wertschöpfenden Kernprozesse und die wichtigen unterstützenden Prozesse (z.B. Personalmanagement) mit dem jeweils richtigen Wissen optimal unterstützt werden. Es deckt Wissensdefizite auf und entwickelt Lösungen zur Schließung dieser Lücken.

    Die Strukturierung der Wissensinhalte entlang der Geschäftsprozesse ist noch kein Garant dafür, dass die gesuchten Informationen immer im richtigen Augenblick gefunden werden. Es hilft den Mitarbeitern, wenn der Zugang zu Informationen sowohl strukturiert als auch unstrukturiert erfolgen kann.

    Wissensmanagement "passiert nicht einfach", es wird von einer verantwortlichen Person im Unternehmen gestaltet und begleitet. Der Wissensmanager oder Chief Knowledge Officer (CKO) ist der Dreh- und Angelpunkt aller relevanten Aktivitäten. Er stellt selbst keine Inhalte zur Verfügung, es sei denn über das Wissensmanagement selbst. Er ist vielmehr verantwortlich für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess des Wissensmanagements und die Einbeziehung aller Mitarbeiter.

    Informations- und Kommunikationssysteme

    Die optimale Informations- und Kommunikationsplattform im Wissensmanagement variiert je nach Aufgabenstellung. Aufbauend auf einer Analyse der vorhandenen Systeme und Datenbanken hinsichtlich ihrer Eignung zur Unterstützung des Wissensmanagements ist ein Konzept zur Integration der vorhandenen Systeme sowie deren Erweiterung zu erarbeiten.

    Mittels Technik wird immer nur das umgesetzt, was auch organisatorisch entschieden wurde - und hier schließt sich der Kreis wieder in Richtung strategischer Zielsetzung und der Frage, was mit Wissensmanagement erreicht werden soll. Die Einführung und evolutionäre Weiterentwicklung der Systeme erfordern darüber hinaus - wie auch andere IT-Projekte -ein stringentes Projektmanagement.

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