Wissensmanagement im Vertrieb

    05. Dezember 2002 von Dr. Bernhard von Guretzky

    Dies ist der vierte Teil ("Wissensmanagement und Personalentwicklung"; "Wissensmanagement und Marketing", "Wissensmanagement und Forschung und Entwicklung" erschienen hier bereits) einer Reihe von Artikeln, in denen die internen Geschäftsprozesse im Unternehmen aus der Sicht des Wissensmanagements beschrieben werden. Kundenwissen wird zunehmend zum Wertschöpfungsfaktor für ein Unternehmen. In diesem Papier werden Möglichkeiten beschrieben, in wie fern Wissensmanagement zur Unterstützung dieser Wertschöpfungsfaktoren zum Einsatz kommen kann und welche Anstrengungen das Unternehmen betreiben sollte, um sich das Kundenwissen zu sichern.

    Der Gott der Zukunft heißt Hermes.
    Er ist der Gott der Kommunikation, des Internets und der Händler.
    Prometheus, der alte Gott der Produktion, dankt ab.

    Peter Sloterdijk

    Problemstellung

    Austauschbare Güter und Dienstleistungen, globaler Wettbewerb und Marktsättigung in der industrialisierten Welt charakterisieren heute die Märkte und lassen die immer kleiner, weil vielfältiger werdenden Zielgruppen zunehmend schwerer als homogene Einheit erreichbar werden. Insbesondere das Internet bietet dem Kunden eine größere Auswahl und niedrigere Preise, durch die er besser auswählen, unterscheiden und verweigern kann denn je!

    Diese Machtposition führt zu einem Käufermarkt, der es dem Anbieter schwerer macht, seine Produkte zu verkaufen. Kundenbeziehungen und Informationen über Zielgruppen, wenn möglich sogar über den einzelnen Kunden, werden somit zu einem Gradmesser für den Unternehmenswert, da die Neukundengewinnung erheblich schwerer wird. Der richtige Einsatz von Informationstechnologien und die darauf abgestimmte Gestaltung der Geschäftsprozesse sind im Internetzeitalter also zum unbestrittenen Wettbewerbsfaktor geworden. Dabei geraten insbesondere mittelständische Unternehmen (siehe auch [3]) zunehmend unter Handlungsdruck, da zum einen steigende Kundenanforderungen Investitionen in neue Vertriebswege und -technologien verlangen und zum anderen der steigende Margendruck die Handlungsspielräume der Unternehmen um Maßnahmen zur Optimierung der Geschäftsprozesse zu ergreifen verringert. So hat etwa im Bereich der Finanzdienstleistungen der Auf- und Ausbau neuer Vertriebswege die oberste Priorität, wie sich u.a. an der übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz ablesen lässt.

    Wurden bislang die Informations- und Kommunikationstechnologien meist nur als Werkzeuge zur Effizienzsteigerung bei Geschäftsprozessen verstanden, so werden Sie zunehmend selbst zum Bestandteil insbesondere der vertrieblichen Geschäftsprozesse und zum Motor der Veränderung, oder wie es der Amerikaner ausdrückt: "All business is e-business!". Allgemein lässt sich feststellen, dass eine Verbesserung des Wissens über seine Kunden für ein Unternehmen der Schlüssel zur Umsatz- und Gewinnsteigerung ist. Die Bedeutung, die das Kundenwissen im Vertrieb spielt, wird demnach ständig zunehmen, was ein darauf gerichtetes, zielorientiertes Wissensmanagement notwendig macht. Darüber hinaus bildet akkurates Kundenwissen neben Markt- und technologischem Wissen einen der drei wesentlichen Pfeiler für ein erfolgreiches Produkt- bzw. Dienstleistungsportfolio des Unternehmens.

    Allerdings bedeutet ein Mehr an Information weder für den individuellen Kunden noch für das Unternehmen automatisch ein Mehr an Nutzen, sondern zunächst nur ein Mehr an Kosten und Aufwand. Die künftige Gestaltung der vertrieblichen Geschäftsprozesse ist also weniger eine technologische sondern eine "kognitive" Frage, denn das Management der Kundenbeziehungen wird nicht nur durch neue Vertriebswege (wie e-Commerce, Televerkauf, Call Center u.a.), sondern auch durch gesellschaftliche Trends (Personalisierung der Kundensegmente, Wandel vom lokalen zum globalen Markt u.a.) zunehmend komplexer. Trotz dieser zunehmenden Individualisierungsanforderungen der Leistungen aus Sicht der Kunden sind die dahinterstehenden Dienstleistungen, Produkte und Geschäftsprozesse weiter zu standardisieren, um sowohl der wachsenden Expertise des Kunden ("buyer sophistication") als auch der Bedrohung der bestehenden Marktanteile ("decline of market share") Rechnung tragen zu können.

    Der Vertrieb hat Kundenaufträge zu generieren und sicherzustellen, dass deren Anforderungen und Erwartungen voll erfüllt werden, denn es ist stets schwieriger neue Kunden zu akquirieren, als alte Kunden zu halten. Dem Vertriebsmitarbeiter müssen also die Möglichkeiten und Werkzeuge in die Hand zu gegeben werden, diese Aufgabe zu erfüllen. Je erklärungsbedürftiger das Angebotsportfolio eines Unternehmens ist, desto mehr Wissen über

    • mögliche Kundenanforderungen,
    • das Kaufverhalten,
    • die angebotenen Produkte und
    • das Marktumfeld

    sind dem Vertriebsmitarbeiter zur Verfügung zu stellen. Wissensmanagement wird also auch im Vertrieb zur enabling technology, wobei sich hier die Grenzen zum Customer Relationship Management verwischen.

    Aufgaben des Vertriebs

    Eine zielgerichtete Folge inhaltlich verbundener Aufgaben, die zu einem definierten Ergebnis für den Kunden führt, wird als vertrieblicher Geschäftsprozess bezeichnet. Zur Reduzierung der Komplexität dieser Aufgabe, wird der Markt in möglichst homogene Gruppen von Kunden segmentiert, um das eigene Angebot besser auf diese Zielgruppen zuschneiden zu können. Zur optimalen Gestaltung der Vertriebsprozesse müssen geeignete Vertriebsformen ausgewählt werden (siehe auch [1]), die abhängig sind vom Marktumfeld sowohl auf Seiten anderer Anbieter als auch der Kunden, dem Angebotsportfolio, des Preisniveaus sowie dem vertrieblichen Know-how und der vorhandenen vertrieblichen Ressourcen im Unternehmen. Grundsätzlich sind in unserem Zusammenhang folgende Vertriebsformen von Bedeutung, die auch als Mischformen auftreten können:

    • Direktvertrieb,
    • Indirekter Vertrieb,
    • Vertrieb über Vertreter,
    • OEM-Vertrieb und
    • Lizenzvergabe.

    Die Kundennähe ist im ersten Fall am größten, aber auch beim indirekten Vertrieb und hier besonders bei erklärungsbedürftigen Angeboten besteht häufig ein Kontakt über Call Center o.ä. Je näher am Kunden desto näher am Markt ist das Unternehmen und kann dieses Wissen wiederum in die Produktentwicklung einfließen lassen. Umgekehrt hat Kundennähe jedoch ihren Preis, denn der Direktvertrieb bedeutet die höhere Personalfixkosten, während im anderen Extrem die Lizenzvergabe praktisch kostenfrei ist. Vertriebskosten sind allerdings umgekehrt proportional zur Vertriebsspanne, d.h. mit reiner Lizenzvergabe wird ein Unternehmen auf die Dauer nicht kostendeckend arbeiten können.

    Der Vertrieb als Eigner der angebotenen Produkte und Dienstleistungen

    ist Vermittler zwischen Umwelt und Unternehmen, dem die eingesetzten Technologien "gehören".

    Der Vertrieb hat einen Ausgleich des Gebens und Nehmens zwischen Umwelt und Unternehmen herbeizuführen. Für beide Seiten der Vertriebsprozesse muss es einen signifikanten Mehrwert geben, sonst ist das Gleichgewicht gestört und ein Deal wird nicht zustande kommen. Je weiter Angebot und Nachfrage auseinander klaffen, desto großer wird das Ungleichgewicht zwischen Anbieter und Kunden.

    Die wesentlichen Vertriebsprozesse (siehe auch [2]) sind je nach Natur des Angebotsportfolios unterschiedlich zu gewichten. Man unterscheidet:

    • die Kontaktaufnahme mit einem prospektiven Kunden und die Förderung seiner Anfragenauslösung,
    • die Bewertung der Anfrage und Angebotserstellung,
    • die Vertragsverhandlung und der Kaufabschluss,
    • die Auftragsabwicklung und -verfolgung sowie die Kundenbetreuung und
    • die Nachkaufphase.

    Prinzipiell sind bei Kontaktaufnahme, der Bewertung von Kundenanfragen und der sich möglicherweise daran anschließenden Angebotserstellung die übergeordneten Ziele des Unternehmens und des Kunden zu berücksichtigen. So kann ein Kunde durchaus als Konkurrent auftreten, um mittels eines Angebots Aufschluss über die Leistungsfähigkeit, Kapazitäten, die Preis- und Produktstrategie des Anbieters zu erlangen oder ein vorliegendes Angebot als Basis für Verhandlungen mit anderen Bietern zu benutzen. Umgekehrt verfolgt der Anbieter neben dem Ziel eines Auftrags möglicherweise ebenfalls eine verdeckte Strategie etwa zur Imagepflege, zur Forcierung eigener F&E-Aktivitäten oder um einen Abfluss von eigenem Know-how entgegenzutreten.

    Es gibt verschiedene Formen eines Angebots: Neben dem Festpreisangebot, bei dem möglichst alle technischen und wirtschaftlichen Details spezifiziert und bepreist sind, und dem Aufwandsangebot, bei dem der Leistungsumfang im vorhinein sich nicht genau definieren lässt und das häufig für Spezifikationen oder Beratungen abgegeben wird, gibt es das sog. Kontaktangebot, das Informationen über Leistungen als Ganzes, pauschale Leistungs- und Funktionsbereiche sowie Preisbereiche enthält. Eine Mischform dieser Möglichkeiten ist das Richtangebot, das genaue Angaben über zu verwendende Materialien, Konstruktionen, Leistungsdaten und Dienstleistungen enthält, der Gesamtleistungsumfang aber je nach tatsächlichem Aufwand variieren kann. Folgende Tätigkeiten - jeweils wieder abhängig von der Natur des Angebotsportfolios - fallen bei der Angebotserstellung an:

    • Erfassen der Kundenanforderungen in einem Lastenheft
    • Erstellen eines Lösungskonzeptes in einem Pflichtenheft
    • Erstellen einer funktionalen und nicht-funktionalen Leistungsbeschreibung
    • Koordinieren der beteiligten Funktionsbereiche im Unternehmen wie etwa Forschung und Entwicklung, Produktion, Finanzierung, Rechtsabteilung
    • Integration des Kunden, um das Kundenwissen ins eigene Unternehmen einfließen zu lassen, insbesondere beim genauen Erfassen der Kundenanforderungen

    Ziel ist es, nur diejenigen Anfragen weiter zu verfolgen, die nicht nur technisch und unternehmerisch durchführbar und wirtschaftlich lukrativ sind, sondern auch mit den Unternehmenszielen möglichst genau übereinstimmen, was in einer kritischen Auftragsprüfung und Risikoanalyse vor der Angebotserstellung zu entscheiden ist; denn grundsätzlich gilt: Je höher der Vertragswert desto höher sind die Kosten für die Angebotserstellung (bis zu 5%).

    Bevor Vertragsverhandlungen beginnen, muss zwischen Kunde und Anbieter Einigkeit über die Eckdaten des zu liefernden Objektes erzielt werden, die auf einer gründlichen Untersuchung der Bedarfslage basieren. Bei der sich anschließenden Vertragsgestaltung sind sowohl die einschlägigen Gesetze und Rechtsprechung als auch die Geschäftsusancen des Marktes zu berücksichtigen. Da bei anspruchsvollen oder langfristigen Projekten viele relevante Details bei Vertragsabschluß noch weitgehend unbekannt sind, ist mit einer erheblichen Käuferunsicherheit zu rechnen, die sich wiederum in hohen Garantieansprüchen und Vertragsstrafen niederschlagen kann. Daher sind in den Kaufverträgen sowohl im Interesse des Kunden wie des Anbieters Möglichkeiten für änderungen und Nachverhandlungen einzubauen. Insgesamt sind die Verträge flexibel genug zu gestalten, um im beiderseitigen Interesse erforderliche Anpassungen vornehmen zu können. Zu diesem Vertriebsprozess gehört auch eine Spezifizierung der Vorteile des eigenen Angebots, das Herausstreichen möglicher Referenzprojekte und die Prüfung auf mögliche Gegenargumente sowie deren Erwiderung.

    Die Auftragsabwicklung ist der für beide Seiten wichtigste Vertriebsprozess, wozu neben der Planung aller kaufmännischen und technischen Arbeitsschritte folgende Tätigkeiten zählen:

    • Qualitätssicherung und -dokumentation,
    • Kontrolle der Realisierungsschritte und der Kosten,
    • Beschaffung, Fertigung, Verpackung, Versand,
    • Koordinierung von zu liefernden Dienst-, Engineering- und Konstruktionsleistungen und letztendlich
    • Schulung, Inbetriebnahme, Abnahme.

    Zum Vertriebsprozess der Auftragsverfolgung gehört die Kontrolle der Auftragsabwicklung. Darüber hinaus sind alle Kundenbesuche zu bearbeiten, sowie die Kunden- und Auftragsdaten zur Referenz im Unternehmen in einer Vertriebsdatenbank zu speichern. Um späteren Missverständnissen rechtzeitig vorzubeugen, sollte der Kunde an der Entwicklung, Produktion und Qualitätskontrolle beteiligt sein und seine änderungswünsche oder Beschwerden prompt bearbeitet werden. Dem Kunden selbst müssen Information über den jeweiligen Bearbeitungsstatus zu Verfügung gestellt werden. Schließlich sind die Erfahrungen des und mit dem Kunden zu dokumentieren. Dieser Punkt ist für anschließende Projekte von entscheidender Bedeutung, beinhaltet er doch Lernmöglichkeiten ("Lessons Learnt" und "Best Practices") für das Unternehmen.

    Zum Vertriebsprozess "Nachkaufphase" gehört zum einen das Beschwerdemanagement, mit dem etwaige Dissonanzen zwischen Kunde und Anbieter möglichst schon im Vorfeld ausgeräumt werden sollen. Zum anderen gehört dazu die dauerhafte Sicherung der Geschäftsbeziehungen und das Nutzen der Informationen über den Kunden, um zu einem späteren Zeitpunkt kundenspezifische Leistungen anzubieten. Dazu ist es notwendig dem Kunden eine klare Projektion auf den Wert seines erworbenen Produktes zu vermitteln: Emotionalität und die Pflege einer Vertrauenskultur rund um das Produkt binden den Kunden an das Unternehmen umso mehr, wenn es gelingt, ihm eine Differenzierung gegenüber seiner Umwelt deutlich machen zu können.

    Wie die obigen Ausführungen zeigen, hat der Vertrieb sehr vielfältige und technisch wie organisatorisch teilweise sehr anspruchsvolle Aufgaben zu erfüllen, was besondere Fähigkeiten von den Vertriebsmitarbeiter erfordert. Dazu gehören in erster Linie Kontaktbereitschaft, Kommunikationsfähigkeit, Leistungsbereitschaft, Stressresistenz, diplomatisches Geschick und Durchsetzungsvermögen, wobei all diese Punkte sowohl im Innen- wie auch im Außenverhältnis zu gelten haben - also gegenüber dem Kunden genauso wie gegenüber Mitarbeitern des eigenen Unternehmens.

    Die Vertrieb ist sehr viel geringer formalisiert als andere Bereiche, weshalb es bisweilen schwierig ist, die eigenen Vertriebsmitarbeiter einzufangen und sie auf die Unternehmensziele einzuschwören. Diese geringe Formalisierung verlangt informelle und damit personengebundene Informationsflüsse, die vom Mitarbeiter ständig zu pflegen sind. Diese Personalisierung der Informationsflüsse ist die Machtressource des Vertriebsmitarbeiters, weshalb es ihm schwer fallen wird, seine Informationsflüsse offen zu legen und dem Unternehmen zur Verfügung stellen. Der Wissensprozess "Wissen (ver-) Teilen" ist hier wohl am schwierigsten einzuführen.

    Aufgaben des Wissensmanagements im Vertrieb

    Das Schlagwort von der "Optimierung der Vertriebsprozesse" bezeichnet nichts anderes als die Produktivitätssteigerung der Vertriebsorganisation durch:

    • eine verständliche Vertriebsstrategie (Marktsegmentierung...),
    • intensive und dauerhafte Kundenbeziehungen (Kundenorientierung, Beziehungs- und Betreuungsmanagement...),
    • eine effektive Vertriebsstruktur (Vertriebskanäle...),
    • ein transparentes Vertriebscontrolling (Auftragsabwicklung...),
    • eine effektives Vertriebsmanagement (übersicht über die Potenziale der Mitarbeiter, Vertriebskultur...),
    • und ausgezeichnetes Produkt-Know-how sowie einen konkurrenzfähigen Service.

    Dabei bedeutet Produktivitätssteigerung im Vertrieb ganz konkret eine kürzere Bearbeitungszeit von Angeboten und damit die Möglichkeit, mehr Kunden akquirieren zu können. Sind die Angebote, bzw. die daraus sich ableitenden Verträge, zudem genauer auf die Realität des Kunden abgestimmt und besitzen sie eine höhere Deckungsgleichheit mit dem Angebotsportfolio, so wird der Vertrieb darüber hinaus einen höheren Deckungsbeitrag erwirtschaften. Dazu soll der Einsatz des Wissensmanagement im Vertrieb dienen, wozu das

    • Produktwissen,
    • Kundenwissen,
    • Marktwissen und
    • Wissen über Wettbewerber

    in Kunden- und Produktdatenbanken aufbereitet und ausgewertet werden muss, d.h. es muß jederzeit und an jedem Ort etwa über PDAs, Smartphones oder mobilnetzfähige Laptops (siehe auch [5]) jedem berechtigten Vertriebsmitarbeiter zur Verfügung stehen. Es geht also um einen ortsunabhängigen Zugriff auf diejenigen unternehmensinternen Wissensquellen (Kundeninformation, Customer Relation Management, Lagerverwaltungs- und Warenwirtschaftssysteme), die zur Erfüllung der vertrieblichen Aufgaben notwendig sind. Dieser Zugriff kann über Gateways auf stationäre Systeme für Wissensmanagement erfolgen, wobei die Informationen gemäß den mobilen Endgeräten präsentiert, oder Verbindungen zu den relevanten mobilen Wissensträgern hergestellt werden. Dadurch bleibt der Mitarbeiter vor Ort in die Unternehmensstruktur eingebunden, da er weiterhin Zugriff auf alle für die Arbeit notwendigen Informationen wie E-mail, Sitzungsprotokolle, technische Berichte, Richtlinien, Kundeninformationen, Arbeits- und Erfahrungsergebnisse usw. hat. Dieses Wissen erleichtert ihm die Entscheidungsfindung vor Ort. Die wesentlichen Komponenten eines vertrieblichen Wissensmanagement sind:

    • Wissenslandkarten,
    • Gelbe Seiten und Wissensnetze
    • Lessons Learnt und Best Practices sowie,
    • Kundeninformationen.

    Wissenslandkarten bieten sich als Vehikel zur Kommunikation zwischen Vertrieb und Kunde an, die in Form von unternehmens- oder produktspezifischen Wissensgemeinschaften dem Kunden Zugriff auf die Wissensbasis des Unternehmens ermöglichen. Durch Feedback können sie darüber hinaus zur Verbesserung und Aktualisierung der organisationalen Wissensbasis beitragen. Der Kunde wird damit in den Wissenskreislauf der Firma miteinbezogen, was nicht nur die Kundenbindung gewaltig fördert, sondern auch das Wissen über den Kunden qualitativ verbessert, der dadurch zu einem echten Partner wird, der das Produktportfolio mit prägen kann - mit angenehmen Folgen für die Kundenloyalität.

    Gelbe Seiten, in denen die Know-how-Träger des Unternehmens leicht zu identifizieren sind, spielen gerade im Vertrieb eine wichtige Rolle, weil man unabhängig von Abteilungsgrenzen Antworten auf Anfragen innerhalb weniger Stunden erhalten kann; ein Plus gerade in Bereichen, wo alles schon vorgestern fertig sein muss. Wie in anderen Bereichen des Unternehmens dienen Wissensnetze (siehe [4]) auch im Vertrieb dazu, Wissensquellen mit Wissenssenken und Wissensträgern zu verbinden oder ganz prosaisch bei der Beantwortung der Frage, "was ist wo und wem bekannt?" zu helfen. Wesentliche Funktion eines Wissensnetzes ist es, interaktive Kontakte zwischen einzelnen Wissensträgern zu vermitteln und eine übersicht über deren Praktiken, Erfahrungen und Aufgaben zu erstellen. Gelbe Seiten zusammen mit Wissensnetzen eignen sich hervorragend dazu, vertriebsspezifische Wissensobjekte wie etwa Präsentationen, Konfigurationen, Verträge oder Kalkulationen in nachfolgenden Projekten wiederzuverwenden. Dazu ist es notwendig diese Objekte - dazu gehören auch Lessons Learnt und Best Practices ("Wie bin ich an einen bestimmten Kunden herangegangen?"; "Welche Schwachstellen waren zu umschiffen?"; "Wie hat sich der Kunde bzw. die Mitbewerber verhalten?" etc.) - in möglichst strukturierter Form zu erfassen. Siemens hat hier das offenbar recht erfolgreiche Wissensmanagementsystem ShareNet (siehe auch [6]) für den Vertriebsbereich entwickelt.

    Der Kalauer "Vertriebsleute lesen nicht" stimmt bis zu einem gewissen Grade, bezieht sich aber wohl eher auf die Unfähigkeit derjenigen, die Wissen so aufzubereiten haben, das es schnell und exakt abrufbar ist. Diesem "garbage in, garbage out!" Paradigma ist also vorzubeugen, Das Speichern von Hunderten von Dokumenten ohne Bezug, Verlinken oder Abstrahierung ist ein unnützer Prozess und daher kontraproduktiv. Bei der technischen Unterstützung von Prozessen des Wissensmanagement ist besonders im Vertrieb folgenden Standards zu folgen:

    • Abstrahierung: Jedem Wissensobjekt muss ein "Abstract" vorangeschickt werden, in dem in Schlagworten der Inhalt beschrieben wird.
    • Navigation: Alle Wissensobjekte müssen thematisch und inhaltlich so gegliedert sein, dass sie einen sequentiellen Lernprozess darstellen.
    • Format: Alle Wissensobjekte müssen in einem einheitlichen Format, das den Richtlinien der Corporate Identity entspricht, verfasst sein, so dass sie Präsentationen oder Angeboten wiederverwendet werden können.
    • Verlinken: Alle Wissensobjekte müssen referenziert sein.

    Alle diese Eigenschaften dienen dem schnellen Auffinden von Wissensobjekten und der Bewertung ihrer Nützlichkeit im konkreten Anwendungsfall. Sie gelten nicht nur im Vertrieb, sondern für alle Unternehmensbereiche.

    M.E. ist die Einführung von Wissensmanagement im Vertrieb weitaus problematischer als in anderen Unternehmensbereichen. Hier sind nicht nur kundenspezifische Daten in Form von Kundenanalysen und des Kundenwertes sowie die Konkurrenzdaten aufzubereiten und aktuell zu halten. Vielmehr gibt es die prinzipielle Schwierigkeit, persönliche Erfahrungen und eine oft gefühlsmäßige Vorgehensweise zu dokumentieren, d.h. das hochgradig implizite Wissen der Vertriebsmitarbeiter zu externalisieren und auch die Beteiligten davon zu überzeugen, ihre persönlichen Kontakte und Informationsflüsse anderen zu Verfügung zu stellen und damit - in der "alten Denke" - ihre Machtbasis und ihr Gehalt zu gefährden. Daher müssen die Beteiligten davon überzeugt werden, durch Wissensteilung einen Mehrwert zu generieren. Stolz allein, das seine persönlichen Erfahrungen und Leistungen unternehmensweit im Intranet präsentiert sind, wird da nicht ausreichen. Handfeste wirtschaftliche Vorteile sind bei der Einführung herauszuarbeiten.

    CRM = WM + Vertrieb

    Die offizielle Definition für Customer Relationship Management lautet: "CRM ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Unternehmensführung. Er integriert und optimiert auf der Grundlage einer Datenbank und Software zur Marktbearbeitung sowie eines definierten Verkaufsprozesses, abteilungsübergreifend alle kundenbezogenen Prozesse in Marketing, Vertrieb, Kundendienst und F&E. Zielsetzung von CRM ist die gemeinsame Schaffung von Mehrwerten auf Kunden- und Lieferantenseite über die Lebenszyklen von Geschäftsbeziehungen. Das setzt voraus, dass CRM-Konzepte Vorkehrungen zur permanenten Verbesserung der Kundenprozesse und für ein berufslebenslanges Lernen der Mitarbeiter enthalten."

    In der IT-basierten Realisierung wird man dabei die verschiedenen internen und externen Datenbestände im Unternehmen zusammenfassen, abgleichen und bereinigen (Data Warehouse) müssen, um Zusammenhänge zwischen den vertriebsrelevanten Daten wie Rabatte, Absatzzahlen, Umsatz, Deckungsbeitrag, Preise, Auftragshöhe oder Besuchsfrequenz (Data Mining) aufdecken zu können. Dabei erweisen sich die Methoden des Online Analytical Processing (OLAP) als hilfreich. Dies erlaubt es zumindest IT-mäßig das Unternehmen prozessorientiert d.h. kundenorientiert aufbauen zu können, anstatt es an den Produkten bzw. Dienstleistungen zu orientieren. Damit wird die CRM-fähige Organisation also nicht mehr nach getrennten Funktionen wie Marketing, Vertrieb, Service usf. orientiert, sondern nach dem Prozess der Interaktion mit dem Kunden. Dieser Prozess zieht sich durch das ganze Unternehmen - vom Vertriebsmitarbeiter über das Marketing bis zum Controlling. Die Informationen, die an den Schnittstellen Kunde-Unternehmen gesammelt werden, müssen ins Innere gelangen, damit etwa in die F&E-Abteilungen Produktoptimierungen oder Produktdifferenzierungen durchgeführt können.

    Wissensbasierter Vertrieb bedeutet, jeden einzelnen Kunden mit all seinen Kontaktpunkten zum Unternehmen zu kennen und dieses Wissen bei jeder Interaktion, ob im Vertrieb, im Service, beim Call Center oder im Webportal auch anzuwenden. Durch diese qualifizierte Personalisierung entsteht eine Atmosphäre des gegenseitigen Verstehens und Vertrauens, auf deren Basis beide Seiten "geeignete" Maßnahmen durchführen können. Ziel dieser Maßnahmen ist es, eine Situation herbeizuführen, in der der Kunde die Aktivitäten des Vertriebs nicht als Belästigung empfindet, sondern als Bereicherung seiner eigenen Aktivitäten und damit die Angebote gerne und unaufgefordert weiter empfiehlt ("virales Marketing"). Dieser Ansatz basiert auf:

    • dem Wissen über Kunden und Märkte,
    • dem Erfahrungswissen, d.h. welche Informationen über den Kunden werden benötigt,
    • der Vertriebskompetenz, d.h. welche Auswirkungen könnten bestimmte vertriebliche Maßnahmen haben? und
    • dem Unternehmenswissen.

    Beim wissensbasierten Vertrieb handelt es sich also vorrangig um das Management von Wissen über Kunden, Lieferanten und Märkte und somit gelten beim CRM dieselben Erfolgsfaktoren wie beim Wissensmanagement, nämlich die Unternehmensstrategie mit der Definition wo welches Wissen wann benötigt wird, sowie der Unternehmenskultur. Wie Wissensmanagement weicht CRM die innerbetrieblichen Grenzen auf, macht etwa den Vertriebsleiter zum Wissensmanager oder bietet für den Vertriebsmitarbeiter neue Aufgaben- und Karrieremöglichkeiten.

    Beschwerdemanagement

    Beschwerden von Kunden über erbrachte Leistungen eines Unternehmens sind Wissen und bieten damit Möglichkeiten zum Wissenserwerb. In einer wissensbasierten und kundenorientierten Unternehmenskultur muss daher dieses Wissen "sorgfältig" behandelt und anderen Mitarbeitern im Unternehmen (Vertrieb, Marketing, Entwicklung) zur Verfügung gestellt werden. Wer Kundenorientierung als Unternehmensziel definiert hat, wird Beschwerden nicht als Problem von Nörglern abwimmeln, sondern als Chance zur Sicherung für die langfristige überlebensfähigkeit des Unternehmens sehen. Beschwerdemanagement (siehe auch [7]) wird somit zum Kern einer kundenorientierten Unternehmensstrategie.

    Unter Beschwerdemanagement wird die Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen verstanden, die ein Unternehmen im Zusammenhang mit Kundenbeschwerden ergreift. Professionelles Beschwerdemanagement dient dazu, die Zufriedenheit und Treue der Kunden zu erhöhen, andererseits soll es im Sinne des Wissensmanagement die Beschwerden, d.h. das Kundenwissen im Unternehmen verteilen. In der praktischen Umsetzung heißt das, die negativen Auswirkungen von Unzufriedenheit der Kunden mit erbrachten Leistungen des Unternehmen zu minimieren und die in Beschwerden enthaltenen Hinweise auf betriebliche Schwächen hin zu identifizieren und zu nutzen. Daraus ergeben sich folgende Aufgaben:

    • Herstellen von Zufriedenheit,
    • Vermeiden von "Kollateralschäden" (negative Mund-zu-Mund-Propaganda),
    • Auswerten und Explizieren des in Beschwerden enthaltenen Wissens und
    • Reduzieren zukünftiger Kosten für die Fehlerbehandlung (Wissen verteilen, Lessons Learnt)

    Die wenigsten Kunden tragen ihre Beschwerden schriftlich und damit explizit vor, die meisten äußern sich dagegen in mündlicher (impliziter) Form. Daher sind die Ziele des Beschwerdemanagements nur erreichbar, wenn leicht zugängliche Kanäle für Beschwerden geschaffen und diese systematisch hinsichtlich ihres informatorischen Gehalts ausgewertet werden.

    Mit der unmittelbaren Reaktion auf eine vorgebrachte Beschwerde bestimmt das Unternehmen, ob die Unzufriedenheit des Kunden abgebaut oder sogar noch gesteigert wird. Kunden sind sich meist durchaus bewusst, dass Probleme auftreten können und zeigen in gewissem Maße sogar Verständnis für aufgetretene Fehler. Doch dies schlägt i.A. sehr schnell in Ablehnung und Unverständnis um, wenn sich niemand für zuständig erklärt und die Bereitschaft fehlt, das Problem zu beseitigen. Damit wird der Kunde allein gelassen und ihm letztendlich die Partnerschaft aufgekündigt; ein sicherer Weg ihn zu verlieren.

    Die Grundgedanke des Beschwerdemanagement besteht darin, dass schon der erste Ansprechpartner die Fähigkeit und Kompetenz hat, das Problem des Kunden zu lösen, ohne dass ein Vorgesetzter eingeschaltet ("empowerment") werden muss. Damit soll dem Kunden erspart werden, von Mitarbeitern, die sich für nicht zuständig erklären, an weitere Personen weiterverwiesen zu werden, ohne dass unmittelbares Bemühen um die Erledigung des Falls für ihn erkennbar wäre. Um das erreichen zu können, sind folgende Schritte notwendig:

    • Zugriff auf Wissen, das zur Problembehandlung notwendig ist,
    • schneller und unmittelbarer Zugang zu den mit dem Kundenproblem vertrauten bzw. verantwortlichen Mitarbeitern und
    • Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu den Mitarbeitern untereinander.

    Da Beschwerden eine Form von Kundenkontakten sind, liegt es nahe, das Beschwerdemanagement als vertriebliche Aufgabe anzusehen und die Bearbeitung als normalen Bestandteil der Arbeit zu definieren, um einerseits die Kundenunzufriedenheit abzubauen und andererseits die Kundenbindung auszubauen.

    Call Center

    Wie bisher betont, ist Kundenorientierung die Zauberformel für Unternehmen, um sich im immer stärker werdenden Konkurrenzkampf von seinen Wettbewerbern zu differenzieren. Der Einsatz von Call Centern soll Kundennähe garantieren, denn indem sich ein Anrufer meist auf eigene Kosten mit dem Unternehmen in Verbindung setzt, qualifiziert er sich als potenzieller Kunde und hat eine positive Erwartungshaltung gegenüber dem Unternehmen. Der Kunde, der andererseits über den Kontakt mit dem Call Center enttäuscht ist, wird davon auf die gesamte Leistungsfähigkeit des Unternehmens schließen. Call Center gelten daher als Visitenkarte des Unternehmens und leisten im Idealfall einen positiven Beitrag zur Kundengewinnung und -bindung. Call Center sind IT-gestützte Systeme zur Pflege und Verbesserung von Kommunikation zwischen Unternehmen und seinem Marktumfeld. Es sollte Idealerweise folgende Leistungen abdecken:

    • Dem Kunden steht 24 Stunden, 7 Tage in der Woche, ein persönlicher Ansprechpartner für alle Anliegen zur Verfügung,
    • es werden Kundendaten erfasst und ergänzt,
    • es stößt Workflow-Prozesse zur Bearbeitung der Kundenanfrage an,
    • enthält Hilfesysteme, um typische und immer wieder gestellte Kundenanfragen beim ersten Kontakt ("FAQs") bearbeiten zu können und
    • es dient der Vertriebsunterstützung.

    Die drei letzten Punkte beschreiben typische Aufgaben des Wissensmanagement und daher sind Call Center ("electronic front door") auch unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Um die Effektivität der Mitarbeiter im Call Center zu erhöhen, sind die Arbeitsplätze an die Datenbanken des internen Wissensmanagement anzuschließen. Das vertriebliche Axiom des "One Face to the Customer" wird somit auch aus Sicht des Unternehmens erfüllt, denn der potenzielle Kunde erhält keine widersprüchlichen Informationen am Telefon, im Internet, in Katalogen oder von Technikern.

    Allerdings weicht die Realität der Call Center bislang noch häufig von diesen Prinzipien ab, denn oft wissen die Gesprächspartner nicht, wer für das Anliegen des Anrufers zuständig ist, bleiben Interessenten in den Leitungen hängen oder sind Ansprechpartner nicht erreichbar, noch das sie, wie vereinbart, zurückrufen. Immerhin haben sich Selbstverständlichkeiten wie Höflichkeit und Hilfsbereitschaft weitgehend durchgesetzt.

    Links

    [1] Kulicke et al: "Innovationsmanagement in jungen Biotechnologieunternehmen"; www.isi.fhg.de/ir/download/leitfaden-jtu.pdf

    [2] E. Kuhlmann: "Industrielles Vertriebsmanagement: Vertriebsprozess"; pm-box.ww.tu-berlin.de/marketing2/IVM_6_dop.pdf

    [3] B. v. Guretzky: "Wissensmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/wissensmanagement-in-kleinen-und-mittleren-unternehmen/

    [4] B. v. Guretzky: "Wissensmanagement in Forschung & Entwicklung"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/wissensmanagement-in-forschung-entwicklung/

    [5] B. v. Guretzky: "Mobiles Wissensmanagement"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/mobiles-wissensmanagement/

    [6] J. Döring et al.: "ShareNet: Die nächste Generation von Wissensmanagement im Vertrieb bei Siemens ICN"; www.symposion.de/wm-ph/wm-ph_02.htm

    [7] Seidel et al: "Beschwerdemanagement"; www.symposion.de/qm-service/qm-service05.htm

    [8] F. Baumgartner: "Call Center als Instrumente der Kundenbindung"; http://www.dienstleistungsmanagement-competence-center.de/dienstleistung.nsf/ B40A2D365985C4CEC1256AB20041960B/$File/callcenter_instrument_kundenbindung.pdf

    [Standard] Namensnennung 3.0 Deutschland - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland
    Lizenziert unter einer Creative-Commmons Lizenz

Kommentare

Das Kommentarsystem ist zurzeit deaktiviert.



Themengruppen

Dieser Beitrag ist den folgenden Themengruppen zugeordnet