Wikis, Blogs und Wissensmanagement

    20. September 2004 von Dr. Bernhard von Guretzky

    Das Web-Logging kurz Blogging hat sich in kurzer Zeit zum Publikationsformat unserer Aufmerksamkeitsökonomie gemausert. Blogging basiert auf einer Kultur, die durch den Austausch von Informationen, Ideen und Wissen in Form von Tage- oder eben Logbüchern definiert wird. Damit wird es fast zur natürlichen Ausdrucksform impliziten Wissens und gewinnt dadurch zunehmende Bedeutung für das Wissensmanagement im Unternehmen. Blogs mutieren somit zu Klogs, den Knowledge Logs.

    If my credibility goes down,
    then what do I have?

    Problemstellung

    Die wichtigste Währung in unserer individualisierten Gesellschaft ist die Aufmerksamkeit geworden. Descartes" "cogito ergo sum" wird zum "esse et percipi" ("sein ist, wahrgenommen werden"). Der Alltag des einzelnen Menschen mit seinen privaten Gedanken, Sorgen und Empfindungen und seiner Arbeit rückt immer mehr ins Zentrum der Betrachtung. Dazu muß man sich selbst bewerben, in dem man mit Offenherzigkeit punktet. Das Ego-googlen - die Anzahl der Einträge meines Namens, die Google liefert, ist zur beliebten Beschäftigung geworden, liefert doch das Ergebnis ein Ranking der eigenen Person in der Aufmerksamkeitsökonomie. "I get uncomfortable these days hiring a programmer who doesn"t have a weblog!" Ähnlich wie das Bekenntnis der 68iger "Alles Private ist politisch" zeigt dieses Zitat, daß die Trennung von Privatem und Beruflichem immer weniger akzeptiert wird.

    Im World Wide Web war bis Mitte der 90iger Jahre - ob Software, Information, Musik oder Kommunikation - im Prinzip alles frei verfügbar. Die Schwenk zum e-Commerce führte zur dot.com-Blase und als Reaktion auf diese explosionsartige Kommerzialisierung versuchten viele mit Opensource (Linux), Wikis (Enzyklopädien wie Wikipedia) und persönlichen Kommunikationswerkzeugen wie Weblogs den inzwischen das Netz und die öffentliche Meinung beherrschenden Firmen Paroli zu bieten. Mit dem Iraküberfall der USA sind Weblogs dann ins Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit durch das sog. Warlog von Salam Pax aus Bagdad (dearraed.blogspot.com) getreten, der den Bombenkrieg und den anschließenden Einmarsch der Amerikaner aus seiner ganz persönlichen Sicht geschildert hatte. Der Guardian hat darin eine neue Art des Journalismus gesehen - und sogleich seinen Lesern die Möglichkeit des Webloggen (www.guardian.co.uk/weblog/) geboten - eine Art des "Micro-Journalismus", der davon lebt, daß der Inhalt und Geschwindigkeit mit der dieser Inhalt verbreitet wird über die Technologie triumphiert. Inzwischen gibt es Moblogs (mobile logs), PRlogs (Public Relation logs, in denen der Kontakt zu Kunden und Partnern über täglich aktualisierte Einträge gepflegt wird), Teamlogs usf.

    1998 entstanden die ersten Weblogs (andere Autoren nennen als Geburtsdatum 1993, den Geburtsort Genf und als Vater den Erfinder des Webs Tim Berner Lee), doch erst in der diesjährigen April-Ausgabe von FastCompany, dem Zentralorgan der New Economy, erhält diese Form der Kommunikation den Ritterschlag auch für Geschäftsanwendungen. Mit halbjähriger Verspätung hat die Financial Times Deutschland (siehe auch [1]) Weblogs als Mittel der inner- wie außerbetrieblichen Kommunikation erkannt. Inzwischen gibt es auch schon eine ganze Reihe von Konferenzen, die sich diesem Thema annehmen (siehe auch [2]). Im Gegensatz zum Intranet bilden Weblogs so etwas wie einen bottom-up Ansatz der innerbetrieblichen Kommunikation; sie machen öffentlich, was im Unternehmen gedacht und gearbeitet wird und sind damit Ausdruck einer neuen Firmenkultur, die sich auf den Austausch von Informationen, Ideen und Wissen gründet. Ziel dieses Papiers ist es, Weblogs mit ihren Basistechnologien und Ablegern zu beschreiben und ihre Bedeutung für das Wissensmanagement im Unternehmen heraus zu arbeiten.

    Weblogs - Blogs

    Weblogs sind Logbücher im Internet - logs of the web also, aus dem abgekürzt Blogs geworden sind. In ihrer ursprünglichen Form waren es kommentierte, in Form eines Tagebuchs verfaßte Verzeichnisse von Hyperlinks, die den persönlichen Geschmack des "Bloggers" - des Betreiber des Blogs - widerspiegeln und die sich meist nur verstehen lassen, wenn man den dort aufgeführten Hinweisen, den Hyperlinks folgt. Aus diesem Geflecht von persönlichen Beobachtungen und Verweisen auf die Anderer entsteht ein selbstorganisiertes Netzwerk. Blogs werden zum Medium einer personenbezogenen online Community, das die für das Internet so charakteristische Schnitzeljagd - Spurensuche und -produktion unterstützt und damit die scheinbar endlos langen Wissenspfade eröffnet, wobei sie die Unübersichtlichkeit des Netzes durch persönliche Interpretationen und semantische Zusammenhänge kompensieren. Bloggen ist nicht nur Selbstreflexion sondern auch eine Einladung zum Gespräch und zwar nicht mit einer unpersönlichen, anonymen Institution sondern mit einem - zwar meist unbekannten - persönlich angesprochenen Empfänger; deshalb auch das Zwiegespräch als Stilmittel. Nicht die Technologie steht beim Blog im Vordergrund sondern das Kommunikationsformat mit seinen ganz persönlichen Aspekten wie die Eigenheiten des Bloggers mit samt seinen Meinungen, Emotionen und Ideen, oder wie es die bekannte Bloggerin Lilia Efimova auf den Punkt bringt: "Blogs sind technisch einfach aber sozial komplex".

    Als abstrakte und weniger redselige Definition bietet sich die an M. Toyfl (siehe auch [3]) angelehnte Formulierung an: "Ein Blog ist eine von einem Autor verfasste und regelmäßig aktualisierte Webseite, deren Inhalt aus, in umgekehrt chronologischer Reihenfolge, geordneten Einträgen besteht, die, vom Autor selektierte und kommentierte, Hyperlinks zu Quellen außerhalb des Blogs enthalten und, über einen permanenten Referenzpunkt - dem sog. "Permalink" - erreichbar, archiviert sind."

    Blogs gibt es in verschiedenen Erscheinungsformen: Als Tagebücher, Geschichten, Diskussionsforen oder Verweise mit privaten, gesellschaftlichen oder beruflichen Inhalten ranken sich die Texte um Hyperlinks, ohne die die Inhalte kaum verständlich sind. Das Setzen von Links auf andere Blogger (sog. "Blogrolls") oder Inhalte wird somit zum integralen Teil des Blogs, wodurch die Fixierung auf lineare Texte aufgehoben wird, denn um diese Links ranken sich Kommentare und Erzählungen und geben dem Verlauf eine neue - auch von außen zu bestimmende - Richtung. Blogs werden damit zu einem offenen Medium, das sich im Netz fortpflanzt, in dem es Content-Inseln miteinander verbindet. Vielleicht sind sie etwas die Vorläufer eines neuen Online-Mediums, denn hier geht es nicht um das Abfassen von Artikeln sondern um Kommunikation und einen damit einhergehenden Austausch- und Lernprozess in einer Halböffentlichkeit. Weblogs laden zu Kommentaren und damit zu Spiegelungen der eigenen veröffentlichten Gedanken ein. Diese Offenheit, dieser beinahe rituelle Austausch von Informationen unter den Bloggern führt zu einer Vertrautheit, ja fast Freundschaft, wie sie im sonst so anonymen Netz eher selten ist. Diese Halböffentlichkeit des bloggenden Kollektivs wird als Blogosphäre bezeichnet; sie ist der virtuelle Raum, in dem die Trennung von Arbeits- und Privatleben aufgehoben ist, und wo die immateriellen Wissensarbeiter in Form von Aufmerksamkeit an ihrer kommunikativen und intellektuellen Kompetenz gemessen werden.

    In Blogs (und nicht nur dort) gibt es keine Garantie der Autorenschaft, Genauigkeit und Korrektheit der aufgeführten Informationen; sie sind stets persönlich eingefärbt und voreingenommen und damit eine guter Gradmesser für authentische Stimmungen und Meinungen. Da sie leicht auch über mobile Medien wie Smartphones auf den neuesten Stand gehalten werden können (mobile logging: "moblogging"), läßt sich über sie ungefilterte Information viel schneller verbreiten, als das die klassischen Medien können. Diese Eigenschaft ist nicht nur für Berichte aus Kriegs- oder Unglückszonen nützlich sondern auch für Darstellungen von Ideen, Produkten oder Dienstleistungen. Damit werden Blogs zunehmend auch für Unternehmen interessant, denn sie leisten als neue Form der Groupware nicht nur wesentliche Beiträge zur Wissensgenerierung sondern tragen auch zur Formierung und Stärkung thematisch ausgerichteter Gruppen bei. Die Unterschiede zwischen privaten und von Firmen betriebenen Blogs verwischen sich dabei immer mehr, oder wie es ein Witzbold auf den Punkt gebracht hat: "A corporate blog is just like a personal blog, except you don"t get to use the word "motherfucker"."

    Gegenüber anderen Formen der Internetkommunikation wie Email oder Instant Messaging zeichnen sich Blogs durch folgende Eigenschaften aus:

    • Sie sind oft Startpunkt einer engen Zusammenarbeit und unterstützen aktiv gemeinsames Arbeiten - vernetzen also Gleichgesinnte miteinander,
    • Informationen müssen aktiv geholt werden,
    • neue Inhalte können abonniert werden (via RSS),
    • sie sind Speicher mit einer Verwaltung der eigenen Gedanken und Ideen und sind somit Zeugnis der eigenen Lernprozesse
    • und sie sind sehr persönlich und schulen durch die Kritik der Öffentlichkeit die eigene Ausdrucksweise.

    Aufgrund dieser Eigenschaften werden Blogging-Werkzeuge wie Blogger, Manila, Radio UserLand oder Movable Type (siehe auch [4]) auch als Personal Publishing Systeme, in denen Form und Inhalt strikt voneinander getrennt werden, bezeichnet. Sie sind meist als abgespeckte Versionen von Content Management Systemen entstanden, weshalb sie auch als Micro-Content Management Systeme bezeichnet werden und sind daher besonders dafür geeignet, Publikationen zeitlich und thematisch nachvollziehbar zu machen. Unter [5] ist eine Reihe von Blogs aufgeführt, die sich ausdrücklich mit dem Thema Wissensmanagement befassen.

    RSS

    RSS steht - je nach Geschmack - für rich site summary oder really simple syndication. Hinter der kryptischen Abkürzung verbirgt sich ein seit 1999 existierender XML-Dialekt in der aktuellen Version 2.0, der es erlaubt, Abonnenten über aktualisierte Listen (sog. "feeds") von Websites zu informieren (siehe auch [6]). Diese Eigenschaft ist speziell für Blogger interessant, bietet sie doch die Möglichkeit andere über neue oder veränderte Inhalte auf seinem Blog zu benachrichtigen, ohne daß das Blog dabei besucht werden müßte. Das Vorhandensein von RSS wird gewöhnlich mit einem gelben XML-Symbol auf der Website gekennzeichnet.

    Eine RSS-Datei ist eine strukturierte Liste von Überschriften, Abstracts oder Ankündigungen, die von speziellen Webservern - den sog. "news aggregators" - gesammelt werden und die der Nutzer über http abrufen kann und ihn darüber informieren, ob sich Inhalte auf diesen abonnierten Seiten geändert haben. Mit Hilfe dieser RSS-Aggregatoren lassen sich auf einfache Weise hunderte von Seiten, meist handelt es sich in solchen Fällen eben um Blogs oder um Seiten von Nachrichtenagenturen, verfolgen. Der Nutzer bekommt die Neuheiten seiner abonnierten "Channels" also geliefert (push) und muß nicht mühsam durch sämtliche Webseiten surfen (pull), um an neue Informationen zu kommen. Weblogs, die nicht über die Möglichkeit verfügen, über RSS von Veränderungen informiert zu werden, sterben den Aufmerksamkeitstod. RSS wird damit zum Nachrichtendienst der Blogosphäre.

    Wikis

    Der Begriff "wiki" entstammt der hawaiianischen Sprache und bedeutet "schnell". Der Erfinder der Wikis Ward Cunningham prägte um 1995 diesen Begriff und bezeichnete damit die "einfachste funktionsfähige Online-Datenbank". Wikis sind leicht zu bedienende Autorensysteme (für eine Auswahl von Wiki-Werkzeugen siehe auch [7]), mit denen sich die Inhalte von Webseiten mit Hilfe von Browsern editieren lassen; sie zeichnen sich durch eine simple Syntax aus, so daß die Schwelle zur Mitarbeit denkbar niedrig ist. Wikis sind besonders für die verteilte Gruppenarbeit und die gemeinschaftliche Produktion von Wissen im Netz ("commons-based peer production") geeignet, unterstützen sie doch

    • hierarchische Strukturen von Wissensobjekten,
    • deren Archivierung
    • und Aktualisierung in Echtzeit,
    • das Verfolgen der Änderungshistorie von Texten sowie
    • das Anlegen von Linksammlungen,

    womit sie enge Verwandte von Blogs sind. Sie werden als Kommunikationsplattform in virtuellen Unternehmen oder Projekten (siehe auch [14]), dem Aufbau von Wissensdatenbanken oder als Basis für Communities of Practice in Form sog. Teamlogs, die thematisch eingeschränkt sind und von einer Gruppe betrieben werden, eingesetzt. Das wichtigste Beispiel ist Wikipedia, die in mehreren Sprachen und von zahlreichen Mitwirkenden herausgegebene Online-Enzyklopädie. Wikipedia hat inzwischen Schule gemacht; das Konzept verbreitet sich auch auf andere öffentlich zugängliche Portale (siehe auch [8]). Die Bedeutung von Wikis für das Wissensmanagement ist mittlerweile auch bei den Mainstream-Medien (siehe auch [9]) angekommen.

    Soziale Software

    Blogs und Wikis sind IT-Werkzeuge, die sowohl die Kommunikation über soziale Netze unterstützen als auch Daten darüber auswerten; sie fallen wie Instant Messaging, Chatrooms oder Email unter den Begriff "soziale Software". Dazu zählen auch spezielle Data-Mining-Programme, die Emails auswerten, oder die sozialen Netze zwischen Unternehmen und Kunden - den sog. PR-Logs, die auf die Kommunikation mit Kunden maßgeschneidert sind - sichtbar machen. Während üblicherweise Software wie Portale, Groupware u. ä. die Mitarbeiter top-down in Gruppen einteilt, hat soziale Software eine buttom-up Charakteristik, in dem sie es ermöglicht, sich in einem Netzwerk auf Basis persönlicher Präferenzen zusammenzuschließen. In diesem Sinne hat sie für den Nutzer einen sozialen Nutzen wie etwa Kommunikation, Wissensbeschaffung oder Wissensspeicherung und unterstützt

    • die sprachliche Interaktion zwischen Menschen und Gruppen,
    • den sozialen Feedback und
    • den Ausbau und die Darstellung sozialer Netze oder Alumni-Programme.

    Durch gegenseitiges Verlinken von Inhalten und Kommentaren mittels RSS kann mit Hilfe von Wikis und Blogs ein soziales Wissensnetzwerk aufgebaut werden, in dem die gemeinsam verfolgten Inhalte und die handelnden Personen mit ihren ähnlichen Interessen auch nach außen hin sichtbar werden. Die Analyse dieses Netzwerks mit seinen Knoten und Kommunikationsverbindungen macht die Wissensflüsse im Unternehmen deutlich und ganz nebenbei erhält man dadurch Wissenslandkarten und Gelbe Seiten mit deren Hilfe sich diejenigen finden lassen, mit denen man zusammenarbeiten und sich austauschen will.

    Die durch soziale Software getragenen Netzwerke sind in der Regel selbstorganisierte Problemlösungsgemeinschaften, die nicht primär dem Austausch expliziten Wissens dienen, sondern in denen Menschen sich mit anderen verbinden, gemeinsam Ideen entwickeln und damit den Austausch impliziten Wissens fördern. Dieses soziale Lernen in virtuellen Gruppen ist weitaus effektiver, als wenn es in der Vereinzelung stattfindet; deshalb ist es in einer auf ständige Innovationen angewiesenen Volkswirtschaft so unentbehrlich. Soziale Software leistet als individuelle wie als Groupware einen wesentlichen Beitrag zur Wissensgenerierung und Wissensverbreitung, da Wissen nicht mehr in persönlichen Emails, Plattenspeichern oder Favoritensammlungen verschwindet, sondern chronologisch und nach Personen geordnet unternehmensweit zur Verfügung gestellt wird. Dies läßt sich in der Tat als Paradigmenwechsel bezeichnen, denn das Nachdenken wird dadurch zu einer öffentlichen Angelegenheit; Gedanken und Ideen - selbst wenn sie noch unausgegoren sind - können von einem Kollegen oder von zuvor unbekannten Wissensträgern aufgegriffen werden, so daß sich daraus in kurzer Zeit Diskussionen und Lösungsvorschläge entwickeln können: Ohne soziale Software wie Wikis und Blogs keine Innovation!

    Klogs

    In Anlehnung an die in [3] vorgeschlagene Definition wird unter einem Knowledge Log ("Klog") verstanden: "Ein Klog ist eine, von einem oder mehreren Autoren verfasste und regelmäßig aktualisierte Webseite, deren Inhalt aus, in umgekehrt chronologischer Reihenfolge, geordneten Einträgen besteht, die einem vom einem der Autoren definiertem Themengebiet zuzuordnen sind und zusätzlich eine Dokumentation, der von den Autoren bei der Bearbeitung des Themas durchlaufenen Denk- und Entscheidungsprozesse enthalten sollen. Darüber hinaus enthält es neben einer Kalender basierten Organisationsform die Möglichkeit, Einträge nach vorgegebenen Begriffen zu kategorisieren." Im Gegensatz zu Blogs oder Wikis werden Klogs meist nur im Intranet veröffentlicht und sind damit durch Firewalls vor Spamattacken geschützt, die bisweilen normalen Bloggern das Leben erschweren.

    Klogs sind also spezielle Blogs in denen Wissen in Form von Kommentaren, Beobachtungen, Ideen, Meinungen, Gedankenschnipseln, Kenntnissen, Fragen, Lessons Learnt oder Best Practices veröffentlicht wird, womit sie zu leicht handhabenden und kostengünstigen Werkzeugen für das persönliche Wissensmanagement geworden sind (siehe auch [12] und [13]). Obwohl sie weniger personen- als themenbezogen als Blogs sind, bewahren auch sie den so charakteristischen persönlichen Stil, bringen den Leser zum Lachen und entführen ihn in eine andere Welt, wodurch stillschweigend (tacit) eine persönliche Beziehung zwischen Schreiber und Leser des Blogs aufgebaut wird, in der der Austausch von Wissens gedeiht, denn Wissen entsteht ja im Prozeß menschlicher Interaktion und bleibt an diesen gebunden. Der Blogger wird damit zum Wissensbroker und schafft einen echten Mehrwert für das Unternehmen (siehe auch [14]); umgekehrt sind Klogs eine Hauptquelle, um Information über Stakeholder aus den verschiedensten Quellen zusammenzuführen (das sog. Business Intelligence) und daraus Wissen für Unternehmenssteuerung abzuleiten.

    Das in Klogs gespeicherte Wissen kann mit Archivierungssystemen verwaltet anschließend zum Data Mining von den Mitarbeitern im Unternehmen genutzt werden. Damit können sie unternehmensintern zum Wissensaustausch eingesetzt werden; sie laufen inzwischen den Intranetportalen (siehe auch [11]) den Rang für das innerbetriebliche Wissensmanagement ab. Mit dem Veröffentlichen von Einzel- oder Gruppenwissen in Klogs wird zu Dialog und Feedback eingeladen und der bislang eingeschränkte Prozeß der Suche um außenstehende Wissensträger erweitert. Typische Themen für Klogs sind etwa

    • persönliche Erfahrungen im Unternehmen,
    • Berichte von Konferenzen, Tagungen u.ä. in Realzeit,
    • Projekt- und Statusreports,
    • Lernerfahrungen (persönlich und gruppenbezogen),
    • Ideenblogs und
    • Berichte von Communities of Practice

    Darüber hinaus eignen sich Klogs zum systematischen Dokumentieren des eigenen oder des Gruppenwissen und werden dadurch zu Wissensspeichern von Mitarbeitern, die das Unternehmen oder die Gruppe schon verlassen haben. Kürzere Einarbeitungszeiten für neue Mitarbeiter sind die Folge, wenn diese die Klogs dazu benutzen können, die internen Diskussionen und gewählten bzw. verworfenen Lösungsansätze verfolgen zu können. Dadurch vermittelt sich den neuen Mitarbeitern nicht nur explizites sondern auch das für den Lernprozeß so wichtige implizite Wissen seines Umfelds. Je kleiner der Fokus des Klogs ist, desto nützlicher für die unmittelbaren Aufgaben wird es sein. Je weiter dieser Fokus umgekehrt gefaßt ist, desto generischer und unpersönlicher werden die veröffentlichen Informationen und damit der Wirkung auf die tägliche Arbeit.

    In dem sie wie Merkzettel oder Gedächtnisstützen geführt werden, laden Klogs zum asynchronen Wissensaustausch (siehe auch [12]) ein, da die eigentliche Arbeit kaum unterbrochen wird. Wissen wird dokumentiert, wenn es entsteht und dieser Prozeß wird von den Wissensarbeitern selbst und nicht von einem anonymen Management kontrolliert. Kommunikation und Denken über die angestammten, durch die Unternehmensstruktur festgelegten Grenzen hinweg führt zu einem "von unten" betriebenen und selbstorganisierten sog. "informellen" Wissensmanagement. Das heißt nicht, daß Initiativen zum Wissensmanagement langfristig ohne die ausdrückliche Unterstützung der Geschäftsleitung erfolgreich sein werden, nur verbreitert das durch Klogs getragene informelle Wissensmanagement die Basis und führt es aus der bislang überwiegend durch IT-Werkzeuge bestimmten Ecke eines "formellen" oder strukturierten Wissensmanagements.

    Seit einiger Zeit gibt es eine Yahoo-Group (groups.yahoo.com/group/klogs) zu diesem Themenkomplex und im Newsletter von David Gurteen"s Knowledge Community (www.gurteen.com) spielen Klogs ebenso eine wichtige Rolle.

    Blogs und Wissensmanagement

    Wikis und Blogs stehen an einem Ende der innerbetrieblichen Informationskette, die auf der anderen Seite mit Enterprise Relationship Programmen beginnt und mit Portalen, Customer Relationship Systemen, Personaldatenbanken, Content Management Systemen und Groupware fortgesetzt wird. Die Wirkung von Wikis und Blogs läßt sich noch erhöhen, wenn sie als Ergänzung zu diesen Informationssystemen im Unternehmen genutzt werden. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen können Blogs einen wesentlichen Beitrag für das Wissensmanagement liefern, berühren sie doch praktisch alle Bereiche im Betrieb:

    • Das Betreiben von Blogs kann den Mitarbeitern in Eigenregie überlassen werden, ohne daß unbeteiligte Abteilungen eingebunden werden müssen.
    • Blogs geben dem Unternehmen ein persönliche Note und leisten daher wertvolle Dienste für die Beziehungen zu den Stakeholdern.
    • Sie eröffnen die Möglichkeit eines unmittelbaren Feedbacks zu den Produkten und Dienstleistungen, verstärken dadurch die Kundenbindung und dienen der Marktforschung.
    • Sie sind ein wichtiges Element des Marketing, wenn die Blogs aufrichtig und authentisch geschrieben sind.
    • Sie verwalten und ordnen persönliches Wissen, lassen sich daher als kostengünstiges Werkzeug für Gelbe Seiten und Lessons Learnt verwenden.
    • Die Wissensgenerierung und -speicherung bleibt nahe bei den Wissensträgern; Blogs senken die Schwelle zum Veröffentlichen, personalisieren damit das Wissen und stärken die Position der eigenen Experten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens.
    • Sie haben Vorbildfunktion für die Unternehmenskultur, insbesondere für das (Ver)Teilen von Wissen und das Zusammenführen verschiedener Wissenskategorien im Betrieb.
    • Sie sind Initialzündung für Wissensgemeinschaften und Communities of Practice.

    Blogs sind persönliche Publikationssysteme, über die mittels RSS Wissen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens verfügbar gemacht werden kann. Dadurch können dezentral organisierte Arbeitsgruppen an gemeinsamen Prozessen involviert werden. Insbesondere für Forschung und Entwicklung im Unternehmen sind sie ein probates Hilfsmittel, erleichtern sie doch den Austausch und den Kontakt mit anderen Entwicklern, stärken das Vertrauen untereinander und ermöglichen schnelles Feedback zu veröffentlichen Ideen. Der meist private Prozeß der Suche, Analyse und Auswahl von Informationen wird nun mit anderen geteilt und da Blogs grundsätzlich von jedermann gelesen werden können, öffnen sie Fenster im Elfenbeinturm. Aber auch in der internen Unternehmenskommunikation können sie wertvolle Dienste leisten, verleihen sie doch dem Management eine persönliche Stimme und stärken dadurch die Identifikation im Betrieb. In der Außenkommunikation lassen sie sich als geeigneter Kanal zum Kunden benutzen.

    Bloggen repräsentiert so etwas wie einen Paradigmenwechsel im Wissensmanagement, bedeutet es doch eine Ergänzung der mechanistischen oder werkzeugorientierten Sichtweise um eine verhaltensorientierte Komponente (siehe auch [15]). Denn ohne Einbeziehung einer "inneren Dimension", wie es K. Romhardt, einer der Autoren der "Bausteine des Wissensmanagements", ausdrückt, ohne den Schwerpunkt auf den Austausch zwischen den an den Wissensprozessen beteiligten Personen zu legen, wird die weitere Entwicklung stagnieren. Viel Aufwand wird mit den klassischen WM-Werkzeugen dafür betrieben, zu abstrakten Darstellungen von Wissen zu gelangen. Blogs personalisieren Wissen, bringen das Gespräch, die Kommunikation zurück ins Unternehmen und heben die Trennung von Wissen und Wissensträger wieder auf, wodurch der Erfahrungsaustausch, die Konversation oft überhaupt erst in Gang gesetzt, auf jeden Fall aber beschleunigt wird. Damit wird das Bloggen auch zum Hilfsmittel des Story Telling, in dem Erfahrungswissen und unternehmenskulturelle Normen und Werte weitergegeben und zur Disposition gestellt werden - was nicht nur der Kultivierung der Corporate Identity hilft, sondern auch zum Aufbau bzw. zur Verbesserung einer Fehlerkultur beiträgt (siehe auch [16]). Bloggen und Story Telling lassen sich als zwei durchaus ähnliche Formate ansehen, wie Wissen dargestellt und verteilt werden kann, während Bloggen eine Art Tagebuch einer Person ist, mit dem sie ihr Erfahrungswissen zur Verfügung stellt, läßt sich Story Telling als das Zusammenführen verschiedener solcher Tagebücher - Blogs - auffassen, in dem Gruppen ihr Erfahrungswissen narrativ also mit Protagonisten, Spannungsbögen, Handlungen etc. weitergeben. Das Story Telling liefert damit die "Rahmenhandlung" für die einzelnen Blogs und stellt dadurch einen tieferen Zusammenhang her.

    Nicht jeder im Unternehmen wird erfolgreicher - viel gelesener - Blogger werden. Der Erfolg d.h. die Aufmerksamkeit, die ein Blog erfährt, hängt wie beim Wissensmanagement ganz allgemein sehr an der Person des Bloggers. Die Wahrscheinlichkeit, daß Blogger

    • neugierig sind und Spaß am Schreiben haben,
    • sich gerne über ihre Ideen austauschen,
    • nicht davor zurückschrecken, sich öffentlich zu zeigen, mit dem was sie denken,
    • über soziale Kompetenz verfügen und Freude am Networken haben,
    • Freude daran haben, anderen zu helfen,
    • kritische Auseinandersetzung mit ihrem Umfeld suchen und
    • Kritik und Feedback nicht als dauernden persönlichen Angriff mißverstehen sondern als Lernmöglichkeit für sich und ihre Umwelt begreifen,

    ist größer als beim Durchschnitt der Mitarbeiter und sollte von der Unternehmensseite beim Planen der Aktivitäten zum Wissensmanagement berücksichtigt werden, in dem etwa geeignete Personen direkt zum Bloggen ermutigt oder entsprechende Freiräume geschaffen werden, damit sich eine Blogosphäre innerhalb des Unternehmen entwickeln kann.

    Bloggen erfordert im Gegensatz zu klassischen IT-Systemen des Wissensmanagement geringe Investitionen, da die Software erstens kostengünstig zu installieren und zu betreiben und zweitens leicht bedienbar ist und damit wenig Ausbildung erfordert. Da Bloggen zudem als Teil des innerbetrieblichen Kommunikationsprozesses angesehen werden kann, unterbricht es kaum den Arbeitsablauf. Darüber hinaus werden im selben Augenblick persönliche Ablagen und Archive angelegt, ein in Zeiten wachsender Mitarbeiterfluktuation unschätzbarer Vorteil für die Wissensbewahrung im Unternehmen. So scheint es, daß Blogs zur Killerapplikation für das innerbetriebliche Wissensmanagement werden.

    Links

    [1] Financial Times Deutschland (Zugriff am 31.8.04); www.ftd.de/tm/it/1093671014015.html

    [2] BlogTalk 2.0; www.blogtalk.net/mission.html

    [3] M. Toyfl: "K-Logs: Definition und Analyse möglicher Erfolgsfaktoren"; randgaenge.net/gems/PDF/Toyflthese.pdf

    [4] Blogging-Werkzeuge:
    www.blogger.com;
    www.moveabletype.org;
    www.userland.com;
    www.diaryland.com;
    snipsnap.org/space/start

    [5] Beispiele für WM-referentielle Weblogs:
    blog.mathemagenic.com;
    www.roell.net/weblog/;
    www.schockwellenreiter.de;
    randgaenge.net;
    seblogging.cognitivearchitects.com;
    wrede.interfacedesign.org;
    www.dienstraum.com;
    www.weiterbildungsblog.de siehe dazu auch Dr. Jochen Robes: "Zwischen Community und Selbstfindung - Erfahrungen eines Wissensarbeiters";

    [6] RSS - A Primer for Publishers & Content Providers; www.eevl.ac.uk/rss_primer/

    [7] Wiki-Werkzeuge: www.zdnet.de/downloads/weekly/16/weekly_332-wc.html

    [8] Beispiele für Wikis:
    www.world66.com;
    de.wikibooks.org;
    de.wikipedia.org

    [9] Wissen im Web: Spiegel Online (Zugriff am 7.9.04); www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,316933,00.html

    [10] C. Eigner et. al.: "Social Learning"; www.kakanien.ac.at/beitr/theorie/CEigner_PNausner1.pdf

    [11] M. Roell: "Business Weblogs - Ein pragmatischer Ansatz zur Einführung von Weblogs in mittleren und großen Unternehmen"; www.roell.net/publikationen/business-weblogs-de.shtml

    [12] P. Bausch et. al.: "Publishing online with Weblogs: Using Blogs in Business"; www.blogroots.com/chapters.blog/id/4

    [13] B. v. Guretzky: "Persönliches Wissensmanagement";

    [14] B. v. Guretzky: "Wissensmanagement in virtuellen Unternehmen";

    [15] B. v. Guretzky: "Kommunikationsmethoden im Wissensmanagement"; 

    [16] C. Erlach: "Blogging"; persönliche Mitteilung vom 5. 4. 2004 per Email

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