Nach der Operationalisierung ist vor der Operationalisierung

    11. April 2014 von Dr. Werner Bünnagel

    Mit Kick-and-Rush wird eine Methode propagiert, die den Weg von der Operationalisierung zur Umsetzung bereitet. Schließlich ist die Erfahrung weit verbreitet, dass vielversprechende Ansätze nicht selten in der Umsetzungstheorie oder in der Planung stecken bleiben. Der Maßnahmenkatalog inklusive To-Do-Listen sowie die Verteilung von Verantwortlichkeiten reichen noch lange nicht aus, den Erfolg zu sichern. Kick-and-Rush ist dabei gewiss nicht die einzige Möglichkeit, die Lücke von der Operationalisierung hin zu den operativen Schritten zu schließen. Doch die Methodik passt vor allem dann, wenn der Komplexitätsgrad des betrieblichen Wissensmanagements sehr hoch ist und wenn Begeisterung wie Euphorie der beteiligten Mitarbeiter eine zielführende Kanalisierung brauchen.

    methodische Prinzipien für komplexe Wissensmanagement-ProjektDer Begriff des Kick-and-Rush ist der Fußballsprache entlehnt, wobei es sich nicht um eine originäre Begrifflichkeit aus dem Englischen handelt, sondern um eine Art Kunstwort der Berichterstattung. Im Vordergrund steht dabei das Gemeinschaftliche. Das bedeutet wiederum, dass es darum geht, mit allen zusammen auf ein nahes Ziel gewissermaßen zuzustürzen. Auf diese Weise müssen sich die Projektmitglieder nicht mit der Komplexität des Ganzen auseinandersetzen, vielmehr erfahren sie durch diese gezielte Bearbeitung kleiner Teilaspekte von Projekten einen schnellen Erfolg.

    Oft ist es doch so, dass die Einzelnen in zusammengewürfelten Teams nicht übersehen können, was sie zum Projekterfolg beitragen können, und dass sie ihr Engagement langsam verlieren, wenn sie für sich keine Bewegung im Projektverlauf wahrnehmen. Ein Teammitglied will nicht einfach To-Do-Listen abarbeiten, ohne zu wissen wofür und ohne einen Erfolg seines Handelns zu sehen.

    Das Handlungsgerüst von Kick-and-Rush bilden die methodischen Prinzipien. Dabei liegt es fast auf der Hand, dass eine derartige Vorgehensweise z.B. auf Induktivität und Flexibilität setzt. Ganz im Sinne der Spielweise stellt man sich einer besonderen Aufgabe und alle machen sich daran diese Aufgabe zu lösen. Dabei wechseln Aufgaben sowie Kontext und alle stellen sich immer neu auf das Anstehende ein. Ähnlich unscharf im Vorgehen wie beim Sturmlauf aufs gegnerische Tor werden so Feinheiten in der Projektarbeit ausgeblendet. Der Spielführer, also der Projektleiter muss die Projektmanagement-Kompetenz besitzen, einerseits die Fäden in der Hand zu halten, andererseits das Projekt so zu organisieren, dass sich die Teammitglieder in dieser Projektkultur ihren Platz finden.

    Daher ist es auf Seiten des Projektleiters enorm wichtig, dass er die Kicks definiert mittels der Seg-mentierung des Gesamtzieles in viele kleine Teilziele und dass er auf die Operativität, d.h. das Han-deln seines Teams setzt. Die Unschärfe soll ihm dabei helfen, die härenen Zieldefinitionen in den Hintergrund zu drängen und das Aktionistische in den Mittelpunkt zu stellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Methodik eher von Aktionismus geprägt ist. Vielmehr ist wichtig, dass nicht strenge Prozessabläufe und eng definierte Prozessschritte die Handlungsfähigkeit der einzelnen Teammit-glieder so begrenzen, dass sie sich nicht mehr mit der Aufgabe identifizieren können. Unschärfe dulden, dies bedeutet aber auch, dass die Energie nicht in der Zieldefinition und in der Maßnahmenplanung aufgebraucht wird. Übertragen auf das Managen von Wissen in Unternehmen kann außerdem noch hinzukommen, dass einzelne Wissens- sowie Projektziele nicht vollständig beschrieben werden können und deshalb anfänglich eine weiche Zielsetzung greifen muss.

    Am Anfang sind alle voller Tatendrang, wenn es darum geht, etwas Neues anzupacken. Doch dann droht auch schon Gefahr, wenn die Formalisierer die Zügel in die Hand nehmen. Projektpläne werden geschmiedet und nicht endende To-Do-Listen verteilt. Und bevor der erste Spatenstich getan ist, weiß keiner mehr so richtig, was man erreichen oder verändern will. Bleibt die Situation dergestalt, ist selbstverständlich auch schnell die Motivation der einzelnen Akteure dahin.

    Im Sinne des Erhalts von Begeisterung und Engagement sollte an der Projektmethodik gefeilt wer-den. Mit Kick-and-Rush [1]  wird eine neue Methodik ins Spiel gebracht, mit der die Motivation in die Projektumsetzung gerettet wird. Kleine wie überschaubare Projektschritte und schnelle Erfolge sind dabei wirkende Grundprinzipien. Ein Projektkoordinator, der es versteht ein Problem, eine Herausforderung zu segmentieren, ist der Erfolgsgarant. Die Kartentechnik kann ihm helfen, sich in die Methodik einzuleben.

    Kartentechnik für komplexe Wissensmanagement-Projekt

    Die Bildsprache soll an dieser Stelle nicht überstrapaziert werden, aber wenn die erwähnte Karten-technik als Hilfsmittel eingeführt wird, wird nicht alles auf eine Karte gesetzt. Kick-and-Rush ist selbstverständlich ein strukturierter Ablauf immanent und eine strukturgebende Funktion eigen. Selbst strategisches Denken wie Handeln ist eingeschlossen, obwohl die Begrifflichkeit für den einen oder anderen dies geradezu auszuschließen scheint.

    Projekt-Segmentierung bedeutet im Zusammenhang mit der vorgestellten Methode mehr als De-skription von Zielen und Schritten. Gemäß der operativen Linie sind Bausteine wie das Shaping und das Prototyping nicht nur reine, losgelöste Prozessschritte, sondern außerdem Werkzeuge für den Projektleiter, seine Arbeit zu gestalten. Denn die Unschärfe als Prinzip der Methodik verlangt es zugleich, dass je nach Zielvorgabe eine schrittweise Annäherung erfolgen muss und dass erst mit Hilfe eines Prototypings eine Arbeitsgrundlage sowie ein Ausgangspunkt geschaffen werden kann.

    Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Form der Zusammenarbeit im Projekt ist die Kollektivität. Hierzu bedarf es zweifellos eines gewissen Maßes an Mitarbeiterpsychologie. Dennoch können schon ein paar Handreichungen zur Kommunikation sowie die Sensibilisierung für Formen der Wertschätzung dabei helfen, Zusammenhalt und Teamgeist zu erzeugen.

    Eine derart offene Form des Projektmanagements passt am besten, wenn es gilt, Wissen im Unter-nehmen zu managen. Mit einer offenen Prozessführung kann dagegen kaum ein Auto konstruiert oder ein Flughafen gebaut werden. Kick-and-Rush ist damit ebenfalls keine Alternative zu einer funktionierenden Methodik und einem erfolgreichen Projektmanagement. Vielmehr handelt es sich um ein Lösungsangebot, wenn Projekte einfach nicht in Gang kommen wollen.

    Obgleich keine definiten Prozessketten sowie Prozesswerte erzeugt werden, unterliegen offene Projektierungen gleichfalls Anforderungen von Controlling und Evaluierung. Daher müssen sowohl der Projektleiter als auch seine Teammitglieder sich kontinuierlich mit Kennzahlen und dem Zielerreichungsgrad auseinandersetzen. Dies macht es wiederum erforderlich, dass der Projektleiter sich mit der Quantifizierung von Projektzielen im Allgemeinen und den Quantifizierungsmöglichkeiten im Besonderen auskennt.

    Die moderne Wissenswirtschaft im Unternehmen kann mit den bekannten Methoden sowie Werk-zeugen betrieben werden. Doch aufgrund des besonderen Gegenstandes sind die Wissensmanager aufgefordert, beständig an ihren Werkzeugen zu arbeiten und über neue Wege nachzudenken. Schließlich gibt es keine Garantie dafür, dass mit den verfügbaren Instrumenten auch adäquat Ergebnisse erzielt werden. Nicht selten hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass Wissensmanagement-Projekte an den klassischen Strukturen des Projekt-Managements sowie der Ausklammerung psychologischer Momente zerbrochen sind. Kick-and-Rush soll kein Allheilmittel sein, sondern – wie bereits oben erwähnt – ein Lösungsangebot, wenn traditionelle Methoden nicht ausreichend zielführend sind.

    Fußnote

    [1] Siehe W. Bünnagel: "Kick-and-Rush. Wie Projekte dynamisch werden", in: wissensmanagement. Das Magazin für Führungskräfte, 8 (2013), S. 38-41.

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