Grundlagen, Erfolgsfaktoren und Umsetzung von Wissensmanagement-Systemen

    30. Juli 2001 von Dr. rer. pol. Frank Lasogga

    Aktuelle und sofort verfügbare Informations- und Wissensstände sind der Garant für den Markterfolg. Nur wer im entscheidenden Moment das Richtige weiß und antizipiert, welche Entwicklungen kommen werden, kann angemessen auf die ständig wechselnden Anforderungen des Marktes reagieren.

    Zentrale Herausforderung

     "Nichts ist so beständig wie der Wandel" - Dieses Sprichwort hat gerade in Zeiten technologischer Veränderungen und einer Zunahme der Wettbewerbsintensität an Bedeutung gewonnen. Der immer schnellere Wandel führt dazu, daß Informationen schnell ihre Aktualität verlieren und die Halbwertzeit des Wissens permanent sinkt. Dabei definiert sich Wissen in unserer Zeit als intelligente Verknüpfung von Informationen und Erfahrungen, die in einem unmittelbaren Kontext steht.

    Vor diesem Hintergrund nimmt der Informationsbedarf von Unternehmen stetig zu. Die Zeit zur Prüfung und Auswertung der Informationen im Umfeld betrieblicher Fragestellungen wird jedoch immer knapper. Da mehr Informationen angeboten als verarbeitet werden können, gehen die relevanten Informationen schnell unter. Mit dem Zuwachs der Informationsmenge schwindet zugleich die Handlungskompetenz. Es tritt ein Mangel an Wissen ein. Informationen werden, wenn überhaupt, nur noch oberflächlich wahrgenommen und selektiert (vgl. Lasogga, 1998, S. 157ff.). Eine Umwandlung der Informationen in Wissen findet im Regelfall nicht statt. Statt aus vorhandenen Informationen Wissen nutzbringend einzusetzen, z. B. um Geschäftsprozesse zu optimieren, werden die eingehenden Informationen als Papier- oder elektronische Dokumente abgelegt - sprich weggelegt. Im "günstigsten Fall" erfolgt die Verwaltung mit Hilfe von Dokumenten-Management-Systemen. Das Resultat sind große Datenarchive, deren immateriellen Wert niemand kennt und deren möglicher Nutzen verloren geht.

    Aktuelle und sofort verfügbare Informations- und Wissensstände sind jedoch der Garant für den Markterfolg. Nur wer im entscheidenden Moment das Richtige weiß und antizipiert, welche Entwicklungen kommen werden, kann angemessen auf die ständig wechselnden Anforderungen des Marktes reagieren. Time-to-Market heißt das Zauberwort. Zielorientierte und kontextbezogene Informations- und Wissensstände schaffen hierfür die Grundlagen. Dies betrifft nicht nur die Schnittstellen zwischen Markt und Unternehmen (vgl. Lasogga, 2000, S.371ff.), sondern umfaßt auch alle innerbetrieblichen Bereiche und Aktivitäten, z. B. in der Produktentwicklung oder beim Aufbau von Kompetenzen bzgl. Produkten, Prozessen und Programmen.

    Längst haben daher die Konzepte für ein fortschrittliches Wissensmanagement den Weg aus der Theorie in die Praxis des Geschäftsalltags gefunden. Wissensmanagement ist dennoch ein relativ neues Gebiet mit unterschiedlichen strategischen Ausrichtungen und Konzepten. Der vorliegende Beitrag verschafft nachfolgend einen Überblick zu den Grundlagen, den Erfolgsfaktoren und der Umsetzung von Wissensmanagement-Systemen.

    Grundlagen und Anspruch des Wissensmanagements

    Wissensmanagement - kurz WM oder KM für Knowledge Management genannt - umfaßt die Wissensbeschaffung und -erstellung, die -verteilung und letztendlich die Wissensarchivierung. Im Mittelpunkt steht die Beantwortung folgender Frage:

    • Wer benötigt
    • in welchem Umfang und in welcher Qualität
    • Informationen und Wissen
    • über welchen Sachverhalt,
    • zu welchem Zweck
    • von welchen Personen resp. aus welchen Quellen
    • zu welchem Zeitpunkt?

    Wie die Darstellung 1 zeigt, handelt es sich hierbei um einen Geschäftsprozeß, der unabhängig von konkreten Arbeitsfeldern und -bereichen kontinuierlich auftritt (vgl. Willke, 1998, S. 77ff.).

    Darstellung 1: Wissensmanagement als kontinuierlicher Geschäftsprozeß

    Die Wissensgenerierung ist immer das Ergebnis eines Lernprozesses, der innerhalb einer Person oder zwischen Personen stattfinden kann. Es werden hierbei Informationen und Erfahrungen (Aktivierung vorhandener Wissensstände) miteinander verknüpft, die zu einer Erweiterung des individuellen Verhaltensrepertoires führen. Die benötigten Informationen können sowohl aus unternehmensinternen Quellen (z. B. Rechnungswesen) als auch aus externen Quellen (z. B. Internet) stammen. Der Lernvorgang kann auf direkte Erfahrungen mit dem Objekt resp. Sachverhalt zurückgehen (Übung) oder auf symbolischen Erfahrungen (Beobachtung) beruhen. Konstituierend für das Lernen ist also ein situativer Kontext, in der sich die Person befindet (vgl. Lasogga, 1998, S.293ff.).

    Je nach Offensichtlichkeit wird zwischen implizitem und explizitem Wissen unterschieden (vgl. Polanyi, 1958). "Implizites Wissen ist ein Wissen, das eine Person aufgrund ihrer Erfahrung, ihrer Praxis und ihres Lernens im Sinne von "know-how" hat" (Willke, 1998, S. 12f.). Es befindet sich - übertragen auf Unternehmen - in den "Köpfen" der Mitarbeiter. Explizites Wissen dagegen ist ein ausgesprochenes, formuliertes, dokumentiertes Wissen, das für jeden sichtbar ist resp. durch die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern entstehen kann.

    Mithin sind Kommunikationsforen ein essentieller Bestandteil eines ganzheitlichen Wissensmanagements. Zielsetzung ist es, Informationen in universell nutzbares Wissen umzuwandeln und implizites Wissen in explizites Wissen zu überführen. Jeder Mitarbeiter, der diese Informationen und Wissensstände benötigt, sollte in die Lage versetzt werden, diese zeitnah abzurufen. Die Kommunikationsprozesse im Unternehmen erhalten somit eine andere Qualität als bisher: Sie stellen im Idealfall einen systematischen und konti- nuierlichen Prozeß dar, der zur Steigerung des gesamten Wissensniveaus im Unternehmen führt. Hierzu trägt sowohl die kontextbezogene Kommunikation als auch die Kombination von Wissensständen bei.

    Zu beachten ist, daß Wissen als Unternehmensressource nicht nur in den Köpfen der Mitarbeiter existiert. Es ist auch beim Kunden, in Universitäten, im Internet, in Akten, d. h. überall und nicht nur in Unternehmensdatenbanken oder Dokumentenmanagementsystemen zu finden. Je nach Themenstellung sollte sich der Informations- und Wissensaustausch ganzheitlich vollziehen: in und zwischen den Abteilungen, mit Kunden, Vertriebs- partnern, Lieferanten sowie mit sonstigen Multiplikatoren und Wissensträgern (z. B. externe Berater, Wissenschaftler). Wichtig ist, daß die Anzahl, die Mitwirkungs- und Informationsrechte der beteiligten Personen klar definiert sind. Zudem sollte sich für jeden ein nachvollziehbarer Nutzen ergeben.

    Wissensmanagement als einen unternehmensübergreifenden Geschäftsprozeß mit entsprechenden Kommunikationsmöglichkeiten zu sehen, leitet zu der Frage über, welche Faktoren die Entwicklung eines Unternehmens hin zu einer lernenden Organisation beeinflussen.

    Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements

    Unternehmenskultur und -struktur

    Viele Wissensmanagement-Fragen beziehen sich in Unternehmen ausschließlich auf die Implementierung, Anwendung und Veränderung von Tools und Technologien, wie z. B. Intranet, Groupware, Data Warehousing oder objektorientierte Datenbanken. Dabei wird allzu oft verkannt, daß soziokulturellen Aspekten wie den Einstellungen, Werten und Verhaltensweisen der Menschen, die diese Technik nutzen, eine bedeutende Rolle in der Kommunikation zukommt.

    Ein Wissensmanagement-Projekt ist immer ein Projekt mit Menschen und Organisationen. Dies erfordert viel Geduld und tiefes Verständnis persönlicher und organisatorischer Realitäten. Es ist nicht selbstverständlich, daß Mitarbeiter ihr fundiertes Wissen offenlegen, indem sie es detailliert in die Intranets der Organisation einpflegen. "Erst wenn die kulturellen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen sind, kann eine Technologie die Schaffung, Bewahrung, Verteilung und Nutzung des Unternehmens-Know how unterstützen" (Droske, 2000). Erfolgreiches Wissensmanagement erfordert deshalb eine offene Kommunikationskultur, die losgelöst von Person und Hierarchie einen kontextbezogenen Informationsaustausch fördert und einfordert. Damit erhält die interne Kommunikation eine völlig neue und entscheidende Bedeutung: Sie beinhaltet neben einer horizontalen auch eine vertikale Komponente. Die kommunikative Basis eines echten, aktiven Dialogs wird dadurch geschaffen. Dies setzt einerseits ein klares Regelwerk voraus, insbesondere im Umgang mit "Spielverderbern", andererseits ist eine starke Identität der Mitarbeiter mit dem Unternehmen erforderlich, die in hohem Maße von der Akzeptanz und der Identifikation der Mitarbeiter mit den Unternehmenszielen abhängig ist.

    Eine offene Kommunikationskultur schafft zudem die Grundlage, Wissensmanagement entlang der gesamten Wertschöpfungskette durch Einbeziehung von Lieferanten, Vertriebspartnern und Kunden zu praktizieren. Die Mitarbeiter wissensbasierter Unternehmen sind somit ernstzunehmende Multiplikatoren nach außen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag, um die in der Unternehmensphilosophie festgeschriebenen Wissensgrundsätze zu realisieren.

    Praktiziertes Wissensmanagement ist dabei immer mehr als eine offene Kommunikationskultur, die durch entsprechende IT-Lösungen unterstützt wird. Lebendiges Wissensmanagement (vgl. Roehl/Romhardt, 2000, S. 53ff.) ist balanciert und nicht fixiert, d. h.

    • fordert Wissensträger zur Selbstkenntnis auf,
    • akzeptiert Nicht-Wissen und hält nicht an absoluten Wahrheiten fest,
    • führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern zur Verflüssigung scheinbar gesicherter Erkenntnisse und Strukturen,
    • beruht auf inneren Wissensprozessen, die dem einzelnen nur bewußt sind und die interpretiert werden müssen, und auf äußeren Wissensmanifestationen in beobachtbaren Verhalten,
    • setzt bei Problemen an und klammert sich nicht an Instrumente,
    • schaut erst auf den Menschen, die Wissensgemeinschaft und dann auf die IT-Lösungen (und verknüpft beides zu einem lebendigen System),
    • basiert auf ethischen Grundprinzipien im Umgang mit Wissen und postuliert keine Wertneutralität,
    • kann intensiv Zuhören und Schweigen und durchbricht somit das Dauergerede in vielen (Wissens-) Meetings und anderen Kommunikationszusammenhängen,
    • setzt auf interne Kooperation und nicht auf internen Wettbewerb.

    Erstellung einer Wissensmanagement-Strategie

    Da viele Unternehmen keine konkrete Vorstellung davon haben, was unter Wissensmanagement genau zu verstehen ist bzw. wie es gewinnbringend im Unternehmen eingeführt werden kann, ist eine Wissensmanagement-Strategie mit einer klar definierten Zeitachse zu erarbeiten (vgl. hierzu auch Schönherr, 2000). Zu diesem Zweck sind abteilungsübergreifende Arbeitsgruppen, bestehend aus 4-6 Mitarbeitern einer Hierarchieebene, zu bilden. Zielsetzung ist es, die zum Teil diffusen Vorstellungen von Wissensmanagement zu konkretisieren, entsprechende Handlungsfelder und Nutzenkategorien zu identifizieren sowie den Informationsbedarf zu ermitteln. In diesem Zusammenhang sind auch die innerbetrieblichen Probleme und Barrieren anzusprechen, die sich der Einführung eines Wissensmanagements entgegenstellen.

    Neben Fragen der Unternehmenskultur sind vor allem die Geschäftsprozesse hinsichtlich ihrer Wissensmanagement-Defizite und ihres strategischen Wissensbedarfs zu analysieren. Die Wissensmanagement-Defizite beziehen sich i. d. R. auf folgende Aspekte (vgl. Schönherr, 2000):

    • Informationsfluß innerhalb des Unternehmens (Medien, Durchlaufzeiten)
    • Mitwirkungs- und Informationspflichten der Beteiligten
    • Informationsbeschaffung durch die Mitarbeiter (Art, Dauer, Effizienz)
    • Ein- und Umlernprozesse der Mitarbeiter (Methodik, Zeitdauer, Unterstützung)
    • Kernkompetenzen (wertschöpfungsintensive Prozesse)

    Im Rahmen der strategischen Wissensbedarfsanalyse ist der individuelle Bedarf an zukünftig benötigtem Wissen und prozeßorientierter Kernkompetenz zu ermitteln. Es gilt die strategischen Wissensziele sowie die interessanten Informations- und Wissensquellen zu identifizieren (vgl. Schönherr, 2000). Die Ergebnisse dieser Analyse fließen anschließend in die Wissensmanagement-Strategie ein.

    Weiterhin ist die IT-Struktur zu untersuchen, insbesondere welche Informationen noch nicht in digitaler Form vorliegen. Die derzeit genutzte Software und Hardware legt zugleich den Investitionsbedarf, die technischen Auswahlkriterien und die Anforderungen eines Wissensmanagement-Systems fest. In Abgleich mit den fachlichen Anforderungen läßt sich ein Pflichtenheft zusammenstellen, das für die Auswahl des Wissensmanagement-Systems heranzuziehen ist.

    Die Festlegung, welche Handlungsfelder welche Priorität haben, bestimmt dabei die Reihenfolge der zu realisierenden Einzelprojekte. Beispielsweise wird mit der Optimierung der Informations- und Wissenslogistik im Außendienst begonnen, in den Folgeschritten werden dann andere Bereiche, wie z. B. Projekt-Management und Marketing, miteinbezogen (sogenanntes Domino-Prinzip). Das Ergebnis dieses Abstimmungsprozesses ist eine Wissensmanagement-Strategie, die alle Einzelmaßnahmen von der Konzeption, Zielsetzung und Ressourcenplanung bis hin zur Realisierung und Qualitätssicherung umfaßt.

    Flankierende Maßnahmen der Personalabteilung

    Projektbegleitend zur Umsetzung einer Wissensmanagement-Strategie sind im Rahmen der Personalpolitik Workshops und Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten, die insbesondere die "weichen" Faktoren des geplanten Veränderungsprozesses thematisieren. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die (erwünschten) Wissensmanagement-Aktivitäten in die betrieblichen Beurteilungs- und Vergütungssysteme mitaufzunehmen. Beispielsweise können Incentive-Systeme monetärer Art (z. B. Entlohnung nach Wissensumschlag) die aktive Nutzung von Wissensmanagement-Systemen fördern. Inhaltlich sind von der Personalabteilung die Qualifikations- und Wissensprofile sowie Benutzerprofile (Zugriffsrechte) eines Wissensmanagement-Systems zusammenzutragen und festzulegen.

    Technologische Umsetzung

    Die besten Ansatzpunkte für Wissensmanagement bieten derzeit Portal-Lösungen, die im Intranet (Mitarbeiter), Extranet (Lieferanten, Vertriebspartner) und Internet (Kunden) verschiedene Adressaten miteinbeziehen. Nachfolgend wird verdeutlicht, mit welchen Basisfunktionalitäten ein Wissenskreislauf, insbesondere bei dezentralen Strukturen und folglich unterschiedlichen Erfahrungen (losgelöst von der Qualifikation und Kompetenz der Mitarbeiter), effektiv unterstützt werden kann:

    Wissen bereitstellen

    Mit Hilfe eines Portals im Intranet besteht die Möglichkeit, alle Dokumente zu hinterlegen und bestimmten Themen zuzuordnen (Kunden-Reports, Finanzierungskonzepte, Produktbeschreibungen, Argumentationslinien etc.). Je nach angelegtem Benutzerprofil kön- nen individuelle Sichten auf den Dokumentenbestand zugelassen und die Zugriffsrechte in Bezug auf Veränderungen des Datenbestandes geregelt werden. Beispielsweise können vom Vertriebsleiter aufgrund seines Aufgaben- und Verantwortungsbereich Informationen abgefragt und verändert werden, die vertraulich oder für Mitarbeiter aus anderen Abteilungen nicht von Interesse sind (Kostenstellen-Übersicht, ABC-Kundenanalyse).

    Im Idealfall werden die relevanten Informationen auch im direkten Zusammenhang mit den Aktivitäten eines Workflows automatisch zur Verfügung gestellt. Beispielsweise werden für die Erstellung von Angeboten ein Anschreiben (Briefvorlage), die aktuellen Konditionen (Preis- und Konditionenlisten) und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen benötigt. Die Angebote sind vom Vertrieb nachzufassen (Wiedervorlage), ggf. zu ergänzen und neu zu verschicken (Aktualisierung). Der Ablauf von standardisierten Geschäftsprozessen, mit der Option, auch ad hoc Workflows anzustoßen (z. B. Einladung zum Vertriebsmeeting), sollte aus Sicht der Informationslogistik im Portal darstellbar sein.

    Wissen austauschen

    Da nicht das gesamte Wissen einer Organisation als dokumentierte Information vorliegt, sind im Portal zudem Diskussionsforen anzubieten (vgl. Darstellung 2). Hierdurch wird die unmittelbare Kommunikation zwischen den Mitarbeitern unterstützt, die aufgrund der Webtechnologie standort- und zeitunabhängig erfolgen kann. Die automatische Zuordnung des Kommunikationsprozesses zu einem konkreten Thema gewährleistet, daß dieser auch für andere Mitarbeiter einen unmittelbaren Nutzen darstellt. Die Kommunikation kann zum einen ad hoc erfolgen (z. B. wenn in einer Region, bestimmte Beratungs- und Produkterfahrungen benötigt werden). Zum anderen können sich - sowohl formell als auch informell - Wissensgemeinschaften bilden ("communities of practice"), die sich regelmäßig austauschen. Mitarbeiter dieser Communities generieren somit Wissen aus einer bestimmten Branche, eines bestimmten Projektes oder eines bestimmten Prozesses. Sie unterstützen sich gegenseitig beim Erwerben und Umsetzen von Wissen (vgl. auch Müller, 1999).

    Darstellung 2: Wissensmanagement als Kreislauf mit Hilfe von WM-Systemen

    Wissen und Wissensträger finden

    In einem Portal hinterlassen alle Aktivitäten der Mitarbeiter "Spuren" in Form von Anfragen, Beiträgen, Suchen etc., so daß mit Hilfe von Suchmaschinen nicht nur Dokumente, sondern auch Wissensträger schnell gefunden werden können. Es entstehen dynamische Wissenslandkarten, die neben den "offiziellen" Experten auch die "versteckten" Experten identifizieren. Diese Wissenslandkarten spiegeln Erfahrungsprofile wider, die Qualifikationen dokumentieren, die noch nicht bewertet werden können oder auf Erfahrungsprozesse hinweisen, die zu einer bestimmten Qualifikation geführt haben. Die bereits hinterlegten Qualifikationsprofile der Benutzer (auch Yellow Pages genannt) lassen sich so ergänzen. Im Gegensatz zu den Erfahrungsprofilen sind diese relativ statisch, da nur strukturierte Informationen mit einem zuvor festgelegten Klassifikations-Schema festgehalten werden (z. B. Qualifikation "Englischkenntnisse" mit den Ausprägungen "Grundkenntnisse", "fließend" und "in Wort und Schrift").

    Wissen verwalten

    Ist Wissen oder das Wissen über Erfahrungen und Qualifikationen von Personen als Information dokumentiert, so muß diese gespeichert, abgelegt und bereitgestellt werden (vgl. Darstellung 2).

    Für die Verwaltung und Recherche von Dokumenten bieten sich insbesondere Dokumentenmanagement-Funktionen an, die Dokumenten ausführliche Meta-Informationen in Form übergeordneter Kategorien zuordnen. Weitere Funktionen sind die Versionsverwaltung und Mechanismen zur Vermeidung von Zugriffskonflikten (z. B. über Check-in-und Check-out-Mechanismen). Neben der Suche über die Meta-Informationen der Dokumente soll auch eine Volltextsuche im Dokumenteninhalt geboten sein.

    In den Fällen, in denen das Wissen über Wissensträger verwaltet werden soll, leisten Skill-Management-Funktionen eine hilfreiche Unterstützung, die eine Speicherung von Erfahrungs- und Qualifikationsprofilen zu Personen erlauben (siehe oben). Durch die Kopplung von Skill-Management-Funktionen mit Projektmanagement-Systemen kann die häufig auftretende Frage beantwortet werden, ob eine Person mit der richtigen Qualifikation, die für ein neues Projekt benötigt wird, auch für das Projekt zur Verfügung stehen kann, z. B. Fakturierungserfahrungen im Zusammenhang mit der Euro-Umstellung.

    Wissen publizieren

    Die am Dokument resp. am Sachverhalt ausgerichtete Kommunikation kann durch ein Wechselspiel von Fragen und Antworten dazu führen, daß neues Wissen geschaffen wird. Im Vorfeld benannte Experten - verantwortlich für die Qualitätssicherung und Freigabe von Wissensinhalten - sind dabei in der Pflicht, die für ihren Verantwortungsbereich erstellten Inhalte zu sichten, zu bewerten und dergestalt aufzubereiten, daß sie wiederum anderen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden können. Die so erweiterte Wissensbasis führt dazu, daß Beiträge und Diskussionen auf einem höheren Niveau stattfinden. Beispielsweise können in einer Vertriebsniederlassung produktbezogene Argumentationsketten im direkten Kundenkontakt verwendet werden, die für andere Niederlassungen durchaus von Nutzen sind. Durch eine entsprechende Dokumentation und eventuelle Aufbereitung der Inhalte durch die Vertriebsleiter (Expertenrolle) können diese Erfahrungen im Portal publiziert und für andere Niederlassungen zur Verfügung gestellt werden (vgl. Darstellung 2). In Abhängigkeit von den Inhalten besteht durchaus die Möglichkeit, daß auch andere Unternehmensbereiche (z.B. die dem Trainingsbereich zugeordneten Produktschulungen) von diesem Wissen profitieren. Durch die Verknüpfung von zunächst separat abgebildeten Wissenskreisläufen entsteht nunmehr ein Netzwerk von Experten und Erfahrungen.

    Fazit

    Wissensmanagement ist vor allem dadurch gekennzeichnet, daß jeder Mitarbeiter die Bedeutung des Teilens von Wissen und des Erschließens neuer Quellen verinnerlicht hat. Deshalb ist Wissensmanagement zunächst eine Kultur - eine Kultur, die von Menschen gelebt und durch eine offene aktive Haltung der Führungsspitze in Unternehmen unterstützt, angestoßen und vorangetrieben werden muß. Dabei geht es nicht allein um die Ergreifung von Motivationsmaßnahmen zur Nutzung ausgefeilter Technologien und Wissensportale, sondern um die Veränderung der Mitarbeiter zu einem Wissensarbeiter, der von sich aus motiviert ist, Wissen zu teilen. Erst so können Hierarchie- und Konkurrenzdenken abgebaut werden, damit die Ressource Wissen endlich den Stellenwert in Unternehmen erlangt, den man sich heute wünscht und den sie verdient hat.

    Die elektronische Abbildung menschlichen Wissens in all seinen Ausprägungen wird auf lange Zeit ein Wunschtraum bleiben, da kein noch so "ausgeklügeltes" Wissensmanagement-System in der Lage sein wird, Wissen zu generieren. Es kann lediglich Hilfsmittel und Werkzeuge zur Verfügung stellen, die es den Mitarbeitern erleichtern, möglichst einfach und schnell an relevante (also vorgefilterte) Informationen und eingestellte Wissensstände zu gelangen.

    Literatur

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    Droske, O. (2000): e-Knowledge-Management - Von der Information zur Wissenskultur, Vortrag anlässlich der KnowTech in Leipzig 2000.

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    Lasogga, F. (1998): Emotionale Anzeigen- und Direktwerbung im Investitionsgüterbereich - Eine exploratorische Studie zu den Einsatzmöglichkeiten von emotionalen Erlebniswerten in der Investitionsgüterwerbung, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main, New York u. a. 1998.

    Lasogga, F. (2000): Optimierung der Wertschöpfungskette mit Hilfe des Customer Relationship Management, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, Heft 4/2000, 46. Jg., S. 371-385.

    Müller, M. (1999): Erfolgsfaktoren für Knowledge Management in der Praxis, Vortrag im Rahmen des Praxis-Forums der DaimlerChrysler Corporate University, München 23.9.1999.

    Roehl, H., Romhardt, K. (2000): Wissensmanagement - Ein Dialog über Totes und Lebendiges, in: OrganisationsEntwicklung, 4/2000, Heft 4, S. 50-61.

    Polanyi, M. (1958): Personal Knowledge, Chicago 1958.

    Schönherr, M. (2000): Knowledge Café - ein intranetbasiertes WM-System, in: wissensmanagement online, Heft 1, Januar 2000, o. S. (www.wissensmanagement.net).

    Willke, H. (1998): Systemisches Wissensmanagement, Stuttgart 1998.

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