Wissensmanagement und Content Management

    13. August 2001 von Dr. Bernhard von Guretzky

    Ein Gespräch mit dem `Chief Executive Officer` der Sitepark GmbH in Münster, Dr. Lars v. Olleschik

    The hybrid medium of internet technology
     facilitates information and knowledge sharing
     among colleagues which enhances the
     intellectual capital of the organisation.
     Peter Vieser 

     

    1. Einleitung

    Mitte Juni 2001 interviewte ich den Geschäftsführer der Sitepark GmbH, um herauszufinden welchen Stellenwert das Thema Wissensmanagement in seinem Unternehmen hat. Das Gespräch wandte sich jedoch sehr schnell dem Thema Content Management zu und welche Rolle es besonders in der kommunalen Verwaltung spielt. Daher wird im Folgenden nur beiläufig auf das Thema `Wissensmanagement bei Sitepark` eingegangen, vielmehr liegt der Schwerpunkt des Artikels beim Content Management und welche Rolle die sie unterstützenden Systeme im (kommunalen) Wissensmanagement spielen.

    2. Das Unternehmen

    Das 1997 gegründete Softwarehaus Sitepark GmbH ist Hersteller sog. Content Management Systeme (CMS) mit den Produkten InfoSite und CitySite, mit denen komplexe Web-Auftritte dezentral verwaltet werden können. Beide Systeme sind als `Community-Tools` über die Unternehmens- oder Kommunengrenzen hinausgehend konzipiert. Die Entwicklungsabteilung umfasst sechs der insgesamt 18 Mitarbeiter. Mit ca. 70 Installationen gehört die Firma zu den führenden CMS-Anbietern am deutschen Markt. Im kommunalen Bereich ist Sitepark mit seinem Produkt CitySite nach eigener Aussage sogar Markführer.

    Die Finanzierung der Firma erfolgt noch durch private Investoren, die Profitabilität ist für 2002 geplant. Dazu strebt Sitepark eine Position unter den Top Ten der High-End CMS-Anbieter in Deutschland an; ein Markt von derzeit etwa 70 Mio. Euro. Oder wie die Ovum Group [2] prognostiziert 1,5 Milliarden Euro in Europa allein, wobei das Spektrum dabei von Web-basierten Low-End-Lösungen bis hin zu ausgefeilten Komplettpaketen reicht, in die auch gleich Abläufe wie e-Commerce integriert werden können. Die Preisspanne beginnt bei wenigen tausend Euro und endet im sechsstelligen Bereich. 

    3. Content Management

    Als `Content` wird in diesem Zusammenhang der Inhalt bezeichnet, der sich dem Betrachter auf einem Informationsträger optisch präsentiert. Dabei handelt sich um die Summe wesentlicher Einzelinformationen wie: 

       
    •  die Struktur, mit der eine inhaltliche Definition der Einzelinformationen und ihrer Abfolge beschrieben wird 
    •  die Darstellung, die eine formale Beschreibung zur Repräsentation in einem möglichen Ausgabemedium enthält, so wie etwa Stylesheets Anweisungen enthalten, wie der Inhalt formatiert und positioniert werden soll. 
    •  den Inhalt, der entsprechend der Strukturdefinition in Datenelementen abgebildet wird. Dabei ist die Datenhaltung des Inhalts von besonderer Bedeutung.

     Diese sog. `Anatomie` der Dokumente ist besonders dann wichtig, wenn die Informationen nicht nur für das menschliche Auge bestimmt sind, sondern zur automatischen Weiterverarbeitung in Datenbanken und zur Weiterverwendung auf anderen Websites (`Content Syndication`). Besonders interessant ist solche Content Syndication für Websites, die ihr Angebot mit kundenrelevanten Informationen aufwerten wollen, beispielsweise mit Preisen, Nachrichten oder Börsenkursen oder solche, die bestimmte Inhalte von anderen Webseiten automatisch beziehen.

    Unter Content Management versteht man das Erstellen und Verwalten von digitalen Inhalten, die über das Internet bzw. das Intranet publiziert werden, wobei besonderer Augenmerk auf der Aktualität, Konsistenz und der Erschließbarkeit der Inhalte liegt. Content Management System nennt man die Software, mit deren Hilfe dies bewerkstelligt werden kann. Wer eine größere, ständig aktualisierte Website (Faustregel: mehrere hundert Seiten, mehr als fünf Redakteure, die daran arbeiten) betreibt, kommt ohne ein Content Management System nicht mehr aus. Tausende von Seiten und verschachtelte Verzeichnisstrukturen machen effizientes Arbeiten ohne die entsprechende Software unmöglich. Durch die Trennung von inhaltlichen und formalen Informationen und den Einsatz von Stylesheets können zudem die Dokumente benutzer- und bedarfsgerecht aufbereitet werden. Durch geeignete Rollenprofile werden die personen- und prozessrelevanten Sichten auf Informationen realisiert und das organisationstypische Erscheinungsbild (`Corporate Identity`) sichergestellt. 

    Als theoretisches Grundmodell für ein Content Management System dient der Content Lifecycle, der alle Stationen abbildet, die ein `Inhalt` im Laufe seiner `Lebensdauer` durchläuft, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Text, ein Bild, Musik oder eine Animation handelt und in welchem Format der Inhalt vorliegt. Ein CMS muss diesen Ablauf aktiv unterstützen können: 

       
    •  Recherchieren: Der Inhalt wird i.a. aus verschiedenen Quellen im Netz von einem Autor zusammengesucht. Diese Recherche wird mit Hilfe von Suchfunktionen oder intelligenten Agenten und einer Archivverwaltung unterstützt. 
    •  Erstellen: Dies ist eine der wesentlichen Funktionen eines CMS, wobei berücksichtigt werden muss, mit welchen Werkzeugen (verlinkte Standardsysteme oder eigene, integrierte Editoren) und von welchen Personengruppen die Inhalte erstellt werden. Wichtig ist dabei die Unterstützung des Systems für bestehende Informationsquellen, wozu digitale Archive aber auch Warenwirtschaftssysteme oder ähnliches gehören können. 
    •  Kontrollieren: Je nach Bedeutung des Inhalts und der Qualifikation der Autoren müssen die erstellten Texte im Sinne einer Qualitätssicherung von einer vorgesetzten Stelle kontrolliert werden. Dazu dient eine Versionsverwaltung, mit der die Nachbearbeitung und korrekte Aktualisierung sichergestellt wird. 
    •  Freigeben: Ist der Inhalt in Ordnung, kann er von der vorgesetzten Instanz zur Veröffentlichung freigegeben werden. Dazu gehört auch die Zeitschaltung, die dafür sorgt, dass bestimmte Inhalte zu einem bestimmten Zeitpunkt automatisch geschaltet und später archiviert werden. 
    •  Publizieren: Ein CMS muss, je nach Zielgruppe, die entsprechenden Ausgabemedien bedienen können. Es geht also nicht nur darum, Webseiten zu veröffentlichen, sondern auch die Ausgabe mediengerecht (XML, PDF, WAP, SMS) zu gestalten. Diese Funktionalität wird als Multi-Channeling bezeichnet. 
    •  Archivieren: Ein gut verwaltetes Archiv ist einer weiteren Bearbeitung der Inhalte zuträglich und ist damit gleichzeitig eine wichtige Grundlage für die künftige Recherche und die Wiederverwertung des Content. Aus Sicherheitsgründen ist zudem ein vollständiges und aktuell gehaltenes Archiv oft der letzte Rettungsanker, falls es mit der Website Probleme geben sollte. 
    •  Mehrsprachigkeit: Praktisch alle nicht-englischsprachigen Betreiber von Webseiten haben das Problem, denselben Inhalt in mehreren Sprachen veröffentlichen zu müssen. Den Übersetzungsprozess zu verwalten und die Verbindung zu den Ausgangsdokumenten stets aktuell zu halten, ist wesentliche Aufgabe des CMS. 

    Aus diesen Funktionen lassen sich die Kernkomponenten eines CMS ableiten: 

       
    •  Benutzerverwaltung: Mit der Festlegung von Gruppen, Rollen und Zugriffsrechten werden die Zugangs- und Bearbeitungsrechte für einzelne Anwender, Teams oder ganze Abteilungen detailliert abgelegt. 
    •  Workflowmanagement: Hiermit werden die Arbeitsabläufe innerhalb eines Teams gesteuert. Diese Funktionalität ist für die Qualitätssicherung, bei der Kontrolle und Freigabe der Inhalte wesentlich. 
    •  Strukturverwaltung: Bei aus unterschiedlichen Quellen zusammengesetzten Dokumenten stellt die Strukturverwaltung die Gültigkeit und Vollständigkeit der herangezogenen Webseiten und aller benutzter Links sicher. Content Syndication ohne eine leistungsfähige Strukturverwaltung ist nicht möglich. 
    •  Archivverwaltung: Diese bei großen Systemen datenbankbasierte Komponente (`asset management`) indiziert, speichert und verwaltet die Inhalte, seien es nun Texte, Bilder, Videos oder Tonsequenzen. Zur Archivverwaltung gehört auch die Versionsverwaltung und –kontrolle, sowie die Einbindung von externen oder internen Editoren, um sowohl die Inhalte, als auch die Stylesheets zu erstellen. 
    •  Im- und Export: Diese Funktion sorgt dafür, dass Inhalte aus den unterschiedlichsten Quellen integriert werden können und die Daten nach Ablauf ihrer Lebensdauer archiviert werden können, indem sie etwa als XML- oder Word-Dokumente formatiert werden.

    Damit können Content Management Systeme den gesamten Informationsfluss im Unternehmen widerspiegeln und als `enabler` zur Vernetzung des innerbetrieblichen Know-hows dienen. Entscheidend dabei ist, dass das von einem CMS verwaltete Wissen all den Personen und Benutzerkreisen zur Verfügung gestellt werden kann, die es gerade für ihre Arbeit benötigen. Diese `Wissensverteilungskomponente` entspricht einem echten Mehrwert und rechtfertigt daher eine entsprechende Investition. 

    Die Schlüsseltechnologie von Content Management Systemen ist die Beschreibungssprache XML zur Abbildung etwa von Rollenprofilen oder als Speicherformat für die zu verwaltenden Inhalte. XML wird sich auf diesem Gebiet weiter durchsetzen und damit neue Anwendungsbereiche erschließen wie etwa ein `Webcontent-Management` und damit verbundene B2B- oder B2C-Anwendungen. 

    4. Vom Dokument über den Content zum Wissen (Management)

    Betrachtet man die Eigenschaften von Content Management Systemen und die dabei zum Einsatz kommende Technologie, so wird man viele Parallelen zu den seit etwa fünfzehn Jahren sich am Markt befindlichen Dokumentmanagement Systemen feststellen. Mit dem Aufkommen des Computersatzes waren es die größeren und mittleren Verlage die mit ihren Redaktionssystemen als erste so etwas wie Content Management betrieben. Daher rührt auch die andere Bezeichnungen für CMS nämlich Redaktionssystem. Die wesentlichen Überlappungen sind:

       
    •  Das Verwalten einer sehr großen Zahl von Dokumenten 
    •  Versionskontrolle und Workflowmanagement 
    •  Ein Zugriff auf die Dokumente mittels vielfältiger Auswahlmöglichkeiten 

    Als Konsequenz sind viele Anbieter von Systemen für das Dokumenten- bzw. das Konfigurationsmanagement auf den CMS-Zug gesprungen (Firmen wie FileNet oder Documentum sind typische Beispiele für den Wandel vom Dokumenten- zum Content Management Anbieter), viele davon indem sie einfach die Eigenschaften dieser Systeme internetfähig gemacht haben. Nur die wenigstens Anbieter aus dieser Ecke können mit ihren Systemen tatsächlich auch die Erstellung und Verwaltung komplexer Websites managen. Als Konsequenz stellt sich der Markt z.Zt. reichlich unübersichtlich dar. 

    Dies wird noch durch die in der gesamten Softwarebranche beliebte Methode verstärkt, herkömmliche Produkte mit einigen wenigen neuen Eigenschaften zu kombinieren und sie dann mit einem trendigen Etikett aufzupeppen und so zu verkaufen. Folgende `Transformationen` sind in der Branche zur Zeit en vogue und bestimmen die Entwicklungstrends der Softwarebranche: 

       
    •  Groupware -> Wissensmanagement 
    •  Collaborative Working -> Wissensmanagement 
    •  Dokumentenmanagement -> Content Management 
    •  Archiv -> Data Warehouse 
    •  OCR -> automatische Klassifikation bei der Archivierung 
    •  Intranet -> Unternehmens- und Wissensportale 

    Um die Verwirrung weiter voranzutreiben, werden bisweilen einige Begriffe synonym verwendet. Dies betrifft nicht nur den letzten Punkt, denn Wissensmanagement wird auch mit Content Management gleichgesetzt, um dann gleich wieder beim Dokumentenmanagement zu enden. 

    Portale sind nicht nur die natürlichen Plattformen für den e-Commerce sondern auch für das Content- und das Wissensmanagement ([3]). Alle verfügbaren und benötigten Informationen werden mit dieser Technologie aus den unterschiedlichsten Quellen zusammengetragen und dem Benutzer auf Grundlage seines tatsächlichen Bedarfs einheitlich präsentiert. 

    Die Systeme zum Wissensmanagement sind teilweise entstanden aus den entsprechenden Lösungen für Groupware bzw. Collaborative Working, für das Content Management und für online-Lernsysteme. Der Grund dafür ist, dass diese Systeme intellektuelles Kapital, Lessons learnt u.ä. speichern, darstellen und anderen Mitarbeitern damit zur Verfügung stellen können. Anders als im Content Management liegt das Problem jedoch nicht in der Software allein; Wissensmanagement geht weit darüber hinaus, da es die unternehmensinternen Arbeitsabläufe und den innerbetrieblichen Umgang berührt. 

    5. `e-Government` und kommunales Wissensmanagement

    Als e-Government wird die Nutzung von Internet-basierter Lösungen verstanden, mit denen die Beziehungen zwischen der öffentlichen Verwaltung und ihren Kunden, den Bürgern, den öffentlichen und privaten Institutionen und der Wirtschaft gestaltet und unterstützt werden. Folgende Ziele werden damit verfolgt: 

       
    •  Verbesserter Service für die Kunden der öffentlichen Verwaltung 
    •  Aufbau eines elektronischen Leistungsangebotes für die Kunden 
    •  Vereinfachung der internen (`back office`) und externen (`front office`) Verwaltungsabläufe und eine damit verbundene Zeit- und Kosteneinsparung 
    •  Präsentation der Region und Marketing für kommunale Unternehmen, kulturelle und touristische Angebote 
    •  neue Formen der Bürgerbeteiligung 

    Das e-Government bietet also Chancen für die Bürgerorientierung und das kommunale Dienstleistungsangebot; es ist viel mehr als der Internetauftritt einer Kommune. Es geht um die Ausrichtung an die Nachfragesituationen der kommunalen Leistungen und Produkte, sowie deren Herstellungsprozesse, den sog. `Lebenslagen` der Bürger und Kunden. Das erfordert eine Neuorganisation der Kommunen um diese Lebenslagen herum. 

    Und so wie Firmen das Angebot und den Verkauf von Waren und Dienstleistungen über das Internet mit Informationen, die sowohl von außerhalb wie von innerhalb des Unternehmens (Content Syndication) bezogen werden, unterstützen, so gilt dies genauso auch für die öffentliche Verwaltung. Die Kommunen entdecken den Wert ihres `prozeduralen Wissens`. Kundenfreundlichkeit und Ausweitung des klassischen kommunalen Produktportfolios sind die Ziele, Content Management Systeme sind die Schlüsseltechnologie für das e-Government, mit denen das Wissen `vor Ort` parat gehalten und damit eine organisatorische Ansprechstelle für alle Kunden angeboten werden kann. 

    Neben diesen die öffentliche Verwaltung revolutionierenden Veränderungen ist im Themenkomplex `kommunales Wissensmanagement` ein weiterer Punkt zu erwähnen, an dem, neben anderen Kommunen, in Berlin seit 1999 gearbeitet wird ([4]). Dabei geht es um den Zusammenhang von Wissenserwerb und Austausch: Hochpreisige Wirtschaftsstandorte wie Deutschland mit einer Konzentration von hohen Qualifikationen sind darauf angewiesen, Wissensvorsprünge zu organisieren, um Aktivitäten, Beschäftigung und Arbeit vor Ort zu ermöglichen und wirtschaftlich attraktiv zu halten. Da in den Mittelpunkt der wirtschaftlicher Tätigkeit statt der klassischen Güter zunehmend Dienstleistungen und Wissen treten, kommt dem Wissensmanagement in der öffentlichen Verwaltung eine besondere Rolle zu. Da Wissen personengebunden ist, fällt der individuellen Kommunikation beim Wissensaustausch eine entscheidende Rolle zu. Unter diesem Gesichtspunkt sind Städte die natürlichen Orte zur Wissensgenerierung und des Wissensaustausches. Der kommunalen Verwaltung fällt daher die Aufgabe zu, Bildung und Austausch zwischen den Wissensträgern der Region zu fördern. Kommunales Wissensmanagement als Teil des e-Government muss sich daher auf folgende drei Bereiche konzentrieren: 

       
    •  Wissensproduktion: Organisation und Vernetzung von Wissenschaft und Forschung innerhalb und außerhalb der Hochschulen 
    •  Wissensvermittlung: Wissen aus den kommunalen Bibliotheken, Archiven, Museen, Kulturzentren etc. zu erschließen 
    •  Wissensanwendung: Weiterentwicklung von Wissen in Bezug auf konkrete Projekte in der Alltagswelt, der Wirtschaft und Verwaltung. 

    e-Government hat also die Aufgabe, Wissensschätze in den Köpfen der Eliten, in konventionell geführten Unterlagen wie Bücher oder Aufsätze und in informationstechnisch unterstützten Datenbanken zu heben und damit anderen `Köpfen` zur Verfügung zustellen.

     

    Das Gespräch führte Dr. Bernhard v. Guretzky, m2-Consulting

    6. Links

     [1] www.sitepark.com
     [2] www.ovum.com
     [3] Die Bedeutung des Wissensmanagement und seine Implementierung mittels Intranet und Unternehmensportalen von Dr. Bernhard von Guretzky
     [4] www.berlinews.de/archiv/702.shtml

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