Wissensmanagement in Forschung & Entwicklung

    04. Dezember 2002 von Dr. Bernhard von Guretzky

    Dies ist der dritte Teil ("Wissensmanagement und Personalentwicklung"; "Wissensmanagement und Marketing" erschienen hier bereits) einer Reihe von Artikeln, in denen in lockerer Abfolge die internen Geschäftsprozesse im Unternehmen aus der Sicht des Wissensmanagements beschrieben werden. In der Wissensgesellschaft spielt der Bereich Forschung und Entwicklung eine wachsende Rolle. Dabei können Methoden des Wissensmanagements entscheidend die Innovationsfähigkeit der Unternehmen bestimmen.

    Wer allein arbeitet, addiert.
    Wer zusammen arbeitet, multipliziert.
    Arabisches Sprichwort

    Problemstellung

    Wissensproduktion und die Fähigkeit, über dieses Wissen effizient verfügen zu können, klaffen immer weiter auseinander. Der Prozess der "Wissensvermehrung" ist im Grunde außer Kontrolle geraten. Daher suchen zunehmend forschungsintensive Unternehmen ("Wissensunternehmen") nach Wegen, sich den stetig verändernden Herausforderungen der Technologien und des Marktes zu stellen. D.h. die eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen müssen sich schnell umorientieren können. Für die einzelnen Beteiligten bedeutet das, sich untereinander besser zu vernetzen, sich den Kundenbedürfnissen anzupassen oder neue firmenübergreifende Kooperationsformen aufzubauen. Für das Management bedeutet das, sich einen genauen überblick über die Entwicklungsprojekte, die beteiligten Personen und die dafür notwendigen Fähigkeiten zu verschaffen, um auf der Basis dieses Wissens potenzielle Entwicklungen anzustoßen.

    Dies wird umso notwendiger vor dem Hintergrund einer wachsenden Ungewißheit über künftige Entwicklungen des Marktes, des politischen Umfelds, der zur Verfügung stehenden technologischen Ressourcen, der Verfallszeit von Wissen und dem damit einhergehenden Druck auf die Budgets für Forschung und Entwicklung (F&E). F&E muss also nicht nur "effizienter" werden - auf die hemdsärmelige amerikanische Art ausgedrückt: "Get a bigger bang for your R&D buck!" - sondern sich auch mehr den Unternehmenszielen unterordnen. So scheinen im Moment die seligen Tage der achtziger und neunziger Jahre vorbei zu sein, wo F&E-Aktivitäten losgelöst vom unmittelbaren Druck des Tagesgeschäfts und der Firmenstrategie durchgeführt werden konnten. Klassisches Beispiel für diesen Wandel ist etwa die Firma Xerox, die sich mit dieser Einstellung bis an den Rand des Ruins manövriert hat.

    Innovationsmanagement

    Das Konzept der Innovation wurde bereits 1926 von Joseph Alois Schumpeter in die Wirtschaftswissenschaften eingeführt und als Garant von Wachstum und wirtschaftlicher Entwicklung dargestellt. Demzufolge gelten auch heute noch Innovationen als die wichtigsten Quellen des Wachstums in industrialisierten Ländern, die darauf ausgerichtet sind, Unternehmensziele auf eine neuartige Art und Weise zu erreichen. Aus betrieblicher Sicht läßt sich Innovation als das Durchsetzen neuer technologischer, wirtschaftlicher oder sozialer Problemlösungen im Unternehmen definieren. Darüber hinaus können Innovationen das Verhalten der Mitbewerber sowie die Bedarfe der Kunden oder Anwender beeinflussen. Innovationen zeichnen sich also nicht nur durch neuartige Technologien ab, die in Produkten zum Einsatz kommen, sondern können auch gänzlich neu Produkte sein. Es lassen sich folgende Arten von Innovationen unterscheiden:

    • Basisinnovation: Entwicklung von Schlüsseltechnologien oder deren Anwendung in neuen Organisations- oder Produktionsprinzipien, die zu neuen Produkten oder Verfahren führen
    • Verbesserungsinnovation: Verbesserung einiger ausgewählter Qualitäts- oder Funktionsparameter des Angebots
    • Anpassungsinnovation: Anpassung vorhandener Lösungen an spezifische Kundenbedingungen
    • Scheininnovation: Pseudoverbesserungen ohne messbaren Nutzen für Kunden oder Anbieter
    • Imitation: Nachentwicklung bereits vorhandener Lösungen

    Dabei wird die anwendungsorientierte Innovation (Pull-Innovation, siehe Abb. 1) von der technologieorientieren Innovation (Push-Innovation) unterschieden. Erste zeichnet ist vom Markt bzw. von einzelnen Kunden induziert Da eine Nachfrage nicht mehr geweckt werden muss, ist das Erfolgsrisiko begrenzt. Dagegen ist das Risiko der Push-Innovation ungleich höher, müssen hier doch neue Anwendungsfelder erst noch erschlossen werden (Beispiel UMTS). Innovation geht nicht nur aus Forschung und Entwicklung hervor, sie ist vielmehr die kundengerechte und nützliche Kombination verschiedener Fähigkeiten vom Dienstleistungsangebot und Produkt über die Distribution bis zum Management und der Struktur der Wertschöpfungskette.

    Zum Geschäftsprozess "Innovation" gehört die Ideenfindung für neue Problemlösungen, die Vorhabenplanung für entsprechenden F&E-Projekte sowie die Produkt bzw. Markteinführung. Innovationsmanagement umfaßt dann die strategischen und operativen Aufgaben zur Planung, Organisation und Kontrolle der Innovationsprozesse. Damit ergänzen sich Wissensmanagement und Innovationsmanagement im F&E-Bereich gegenseitig. Innovationsmanagement verstanden als Management der technischen Kernkompetenzen und des Wissens im Unternehmens muss die folgenden Aufgabenfelder abdecken:

    • Beobachtung und Anpassung technologischer und marktseitiger Entwicklungen um Umfeld des Unternehmens (Kunden und Mitbewerber),
    • schneller Transfer von Forschungsergebnissen in die industrielle oder dienstleistungsbezogene Nutzung,
    • Schaffen kreativer und lernender Organisationsstrukturen und
    • ein effizientes Schnittstellenmanagement für die möglichst vielfältigen und diversen Ressourcen und Mitarbeiter.

    Ein Unternehmen kann sich mit seinen Innovationen breit positionieren oder sich auf technologische Nischen spezialisieren. Die breite Positionierung erlaubt eine hohe Flexibilität im Ausnutzen von Marktchancen und in der Realisierung von F&E-Vorhaben, erfordert aber hohe Aufwendungen, um eine breite Wissensbasis im Unternehmen aufzubauen und das entsprechende Personal zu rekrutieren. Die Nischenstrategie erlaubt demgegenüber eine Fokussierung der F&E-Aufwendungen, die damit überschaubar bleiben. Demgegenüber steht jedoch ein erhöhtes Risiko, da die Nische möglicherweise vom Markt nicht in genügendem Umfang angenommen wird und alternative Innovationen nicht zur Verfügung stehen.

    Die Innovationsfähigkeit ist keineswegs abhängig von der Unternehmensgröße (siehe etwa die Beispiele aus der Bio- und Umwelttechnologie oder der Informations- und Verfahrenstechnik) sondern vielmehr von der Unternehmenskultur, d.h. den vorherrschenden Traditionen, Wertvorstellungen, Normen, Mythen und Geschichten der Firma. Zu den wesentlichen Elementen einer solchen innovationsfördernden Unternehmenskultur zählen:

    • dezentrale Strukturen und flache Hierarchien ("Verantwortung verteilt sich auf viele Köpfe")
    • Transparenz der Geschäftsprozesse wodurch die internen Informationsflüsse für andere sichtbar werden und sie sich daran beteiligen können.
    • Schaffen von Freiräumen und Förderung der Mitarbeiterpotenziale sowie informelle externe wie interne Netzwerke
    • Vertrauenskultur, die neben der Belohnung von Ideen auch die Toleranz gegenüber Fehlern fördert im Sinne eines: "Aus Fehlern lernen"

    Dazu gehört auch die systematische Förderung von Kreativität im Unternehmen etwa durch das Verknüpfen unterschiedlicher oder sogar konträrer Standpunkte, um das vorhandene Wissen zielorientiert zusammen zu bringen. Hierbei bieten sich unternehmensexterne Moderatoren an, die von den eingefahrenen Denkmustern im Unternehmen wenig berührt sind.

    Innovation lebt von gegenseitiger Befruchtung und einem hohen Maß von Lernbereitschaft der Mitarbeiter aber gerade auch ihrer Vorgesetzten sowie einer Offenheit gegenüber Fragestellungen, die auch außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs liegen. Das bedeutet bei kleinen und mittleren Unternehmen in der Konsequenz auch, dass der Einfluß der Gründer oder Eigentümer sowohl auf die Forschungsvorhaben und die Pflege der Kontakte mit anderen Institutionen verringert werden muß, sonst entsteht hier ein innovationshemmender Engpaß.

    Zu den Unternehmen, die einem zunehmendem Innovationsdruck ausgesetzt sind, gehören insbesondere die aus der chemische und pharmazeutische Industrie, die Energieversorgungsunternehmen, Banken sowie die aus der Automobil- und Zulieferindustrie. Dagegen machen die Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus zur Zeit noch die geringsten Anstrengungen, ihr Innovationsmanagement zu verbessern. Gerade in börsennotierten Unternehmen wird von Analysten den Innovationsanstrengungen ein großer Wert beigemessen, der das Rating direkt beeinflussen kann.

    Innovation ist eng verbunden mit Inspiration und Kreativität; nur dürfen diese Begriffe nicht als "Passworte für Faulheit, als Entschuldigung für Nichtstun oder gar als Honorarrechtfertigung herhalten", wie es der Modeschöpfer Karl Lagerfeld einmal ausgedrückt hat.

    Definition von Wissenszielen

    Kein Zitat hat es zu mehr Verbreitung gebracht wie der Spruch: "Wenn die Firma xyz wüsste, was sie weiß". Lernen geschieht durch Weitererzählen, durch soziale Kontextbildung, durch Gesichter und Geschichten. Und Wissen ist nicht die Summe von Informationen, sondern wird durch einen steten Diskurs innerhalb und außerhalb eines Unternehmens erzeugt. Im Bereich der Forschung und Entwicklung besteht daher das Wissensmanagement in der Kunst, Menschen mit Wissen zu faszinieren, zu Teams zusammenzufügen, zu halten und gedeihen zu lassen. Gerade in kreativen und damit gering strukturierten Arbeitsprozessen wie Forschung und Entwicklung kann Wissensmanagement die Bereitschaft der Mitarbeiter zum Austausch ihres intellektuellen Eigentums und zur Nutzung entsprechender Werkzeuge wesentlich erhöhen, zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen eingesetzt und damit die Effizienz gesteigert werden und den gesamten F&E-Prozessen im Unternehmen klar definierte Richtungen vorgeben.

    Mit Hilfe etwa einer SWOT-Analyse lassen sich die internen Stärken (Strength) und Schwächen (Weakness) einer Firma mit den Möglichkeiten (Opportunities) und Bedrohungen (Threats) in Bezug auf den Wettbewerb beschrieben. Auf Basis einer derartigen Analyse können Aktivitäten in die Wege geleitet werden, um Stärken abzusichern, Schwächen zu beheben, Bedrohungen zu vermeiden und Möglichkeiten zu kapitalisieren (siehe auch [4]). Hierbei ist es sinnvoll externe Berater als Moderatoren einzusetzen, die zwischen den oft konträren Standpunkten der einzelnen Unternehmensbereiche vermitteln und die Binnensicht des Unternehmens mit einer Außensicht spiegeln können. Aus der so erarbeiteten Firmenstrategie lassen sich dann die Wissensziele für die Forschung und Entwicklung ableiten, aus denen sich dann die Wissensziele für die Abteilungen und einzelnen Mitarbeiter definieren lassen. Konkret ausgedrückt heißt das: Aus der Definition der technologischen und marktbezogenen Geschäftsziele, ergeben sich Anforderungen an das dafür notwendigerweise zur Verfügung stehende Know-how, über das die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen albeit deren Mitarbeiter verfügen müssen. Umgekehrt ergibt sich daraus, ob die vorher definierten Geschäftsziele realistisch sind.

    Darüber hinaus muß die Umsetzung der Wissensziele Teil der Geschäftsprozesse werden, sie reichen also in die anderen Unternehmensbereiche wie Finanzen, Marketing und Vertrieb, Personalentwicklung, Produktion, Kundenbetreuung hinein. Ohne die Abgleichung mit der Unternehmensstrategie läuft das Unternehmen Gefahr, dass die Wissensziele nicht wirklich in der Unternehmensplanung verankert sind. Umgekehrt können sich Wissensziele z.B. über zu verteidigende und auszubauende Kernkompetenzen im Unternehmen auch als künftige Konstanten der Unternehmensstrategie erweisen.

    Die Festlegung von Wissenszielen und deren Realisierung in F&E-Programmen hat einen auf Jahre hinaus bindenden Charakter, die die Flexibilität des Unternehmens einschränkt. Daher ist nicht nur bei der Bestimmung der Wissensziele große Sorgfalt von Nöten sondern auch bei der Umsetzung ein striktes operatives und strategisches Controlling und eine Bewertung der Ergebnisse unerläßlich. Ein solches F&E-Controlling dient demnach nicht nur der Projektkontrolle sondern ebenso zum Steuern und Anpassen der unternehmensinternen Veränderungen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die notwendigen kreativen Freiräume der F&E-Mitarbeiter nicht durch ein formalistisches von außen gesteuertes Controlling wieder erstickt werden. Hier ist ein Selbstcontrolling möglicherweise angemessen. Das hört sich zwar im Zeitalter der Enrons, Worldcoms und Kirchs verwegen an ("Wer traut schon den Rechenschaftsberichten der Betroffenen"), doch aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass ein solches Vorgehen überaus erfolgreich ist, da es die F&E-Mitarbeiter dazu veranlasst, auch die kritischen Erfolgsfaktoren zur Wertschöpfungskette nicht aus den Augen zu verlieren.

    Aufgaben des WM in F & E

    Für wissensintensive Unternehmen ist die Verknüpfung der Wissensprozesse Generierung, Speicherung und Nutzung mit den Geschäftsprozessen von entscheidender Bedeutung (siehe auch [7]); es sind also keine Einzelschritte gefragt sondern ein unternehmensweiter Gesamtprozess, der in der strategischen Unternehmensplanung verankert ist. Dabei geht es einmal um das von den F&E-Abteilungen bereitgestellte Wissen, das sich in marktfähigen, innovativen Produkten oder Dienstleistungen niederschlägt als auch um das im Entwicklungsprozess neu generierte Erfahrungswissen, das in künftigen Projekten genutzt werden kann. Da Forschung und Entwicklung ein kooperativer Prozess ist, der von sozialer Interaktion getragen wird, sind dazu die Wissensträger zu identifizieren, um Wissen Dritten verfügbar zu machen und organisatorischen Mechanismen im Unternehmen zu implementieren, um dieses Wissen zu externalisieren und archivieren. Folgende Methoden und Werkzeuge sind geeignet die Wissensprozesse zu unterstützen:

    • Wissen identifizieren: Gelbe Seiten, Wissenslandkarten
    • Wissen erwerben: Corporate Universities, Communities, Konkurrenz- und Kundenanalysen, Schulungen, Konferenzen, Workshops, Wissensnetze, Wissensbroker; strategische Partnerschaften, Firmenübernahmen
    • Wissen speichern: Wissensdatenbanken, Expertensysteme, Lessons Learnt, Best Practices
    • Wissen verteilen: Intra- und Extranet, Wissensmärkte, Jobrotation,
    • Wissen nutzen: Intranet als Plattform für interaktive Projektgruppen, Anreizsysteme, Wissensmanagement wird Teil der Geschäftsprozesse, Wissensaudit

    Es geht um ein systematisches bzw. zielgerichtetes Erzeugen von neuem Wissen, das vom Nutzer bewertet und interpretiert werden kann, um so die Kontrolle über die Anwendung des Wissens zu behalten. Dabei zählt nicht allein die Information, die das Unternehmen bereitstellt, sondern das, was einzelne Mitarbeiter, Teams oder Bereiche für ihre heutigen und künftigen Aufgaben benötigen. Denn gerade durch Kombination existierender Wissensbestände kann neues Wissen entstehen. Dazu bedarf es eines Wissensaustauschs auf horizontaler Ebene zwischen einzelne Mitarbeitern und auf vertikaler Ebene über Bereichs- und Unternehmensgrenzen hinweg. Im ersten Fall hat der Mitarbeiter Zugriff sowohl auf individuelle Wissensbasen innerhalb eines Projekts und steht im projektbezogenen Austausch zu anderen Mitarbeitern. Im anderen Fall erfolgt der Wissensaustausch über die Hierarchiegrenzen hinaus und es besteht ein Wissenszugang zu anderen Organisationseinheiten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens. Während ein horizontaler Wissensaustausch leicht zu etablieren ist - vorausgesetzt die beteiligten Personen tragen ihn - so setzt der vertikale Wissensaustausch nicht nur den guten Willen projektfremder Personen voraus sondern auch Vertrauen und den Mut zur Kooperation. In beiden Fällen ist das Management gefragt, Wissensaustausch durch flankierende Maßnahmen zu fördern, wobei es insbesondere um die folgenden Aktivitäten des Wissensmanagements geht:

    • Durch Sozialisation werden implizite Wissensinhalte anderer erlernt. Beispiele hierfür ist der informelle Erfahrungsaustausch.
    • Durch Kombination externer Wissensbestände sowie durch Nutzen des in produkten bzw. Dienstleistungen implizit vorhandenen Wissens wird neues erzeugt.

    Durch Erstellen von Forschungsberichten etc. oder Lessons Learnt wird Wissen externalisiert, wodurch der Kreislauf des Wissens:
    implizites Wissen der Person A -> explizites Wissen => implizites Wissen der Person B

    in Gang kommt, den es gilt am "Leben" zu erhalten. Dazu werden im folgenden einige Methoden beschrieben.

    Methoden des WM bei F & E

    Technologiefrüherkennung:

    Die Technologiefrüherkennung (siehe auch [8]) legt den Grundstein, um Wissensvorsprünge in Wettbewerbsvorteile ummünzen zu können. Dabei geht es neben dem Identifizieren neuer Technologien oder Produktionsmethoden im Zusammenhang des eigenen Angebotsportfolios auch um das rechtzeitige Erkennen sich abzeichnender Technologie- oder Marktbrüche. Dazu ist im Unternehmen das Bewußtsein zur Technologiefrüherkennung zu stärken, wozu konkrete organisatorische Maßnahmen gehören, nämlich das Benennen von entsprechenden Personen als auch das Festlegen eines Procedere, um auf mögliche Frühwarnungen im Unternehmen reagieren zu können. Denn technologischer Wandel kommt selten mit einem Paukenschlag daher, sondern kündigt sich eher schleichend an. Selbst Firmen, deren Angebotsportfolio eng mit dem technologischen Wandel verbunden ist, mißdeuten häufig diese zunächst schwachen Signale. Klassische Beispiele sind IBM, das den Trend zum PC zunächst verschlafen hat, Siemens mit dem Mobiltelefon oder Microsoft mit dem Internet. In allen Fällen sind im nachhinein riesige F&E-Investitionen zu tätigen, um technologisch und vertrieblich wieder Anschluß an den Markt zu gewinnen. Daher muss die Technologiefrüherkennung zu einem kontinuierlicher Geschäftsprozess in der Forschung und Entwicklung werden, der in Form einer Technologiebewertung auch Einfluss auf die Geschäfts- und damit wiederum die Wissensziele hat.

    Als Quellen der Technologiefrüherkennung bieten sich neben Informationen über Kunden (was ein funktionierendes Customer Relationship Management voraussetzt) und Mitbewerber (was eine funktionierende Kooperation mit Partnerfirmen voraussetzt) auch die an Universitäten, Kongressen oder sonstigen Fachveranstaltungen sich abzeichnenden Technologietrends (was eine ausgeprägte Lernkultur im Unternehmen voraussetzt) an. Eine Patentanalyse schließlich gibt Aufschluß über Forschungsschwerpunkte anderer Unternehmen, die sich aus der Literatur aus naheliegenden nur selten ablesen lässt.

    Online-Communties:

    Online-Communities erlauben den Aufbau themenspezifischer Diskussionsforen mit geringem Aufwand, sie sind zeitlich und räumlich flexibel und dienen sowohl der Ideengenerierung als auch der Problemlösung. Zudem können sie gezielt dazu eingesetzt werden, um Kunden in den Innovationsprozess einzubeziehen. Denn gerade in wissensintensiven Bereichen ist es notwendig, auch externes Wissen zu integrieren. Online-Communities werden somit zur Basis für eine effiziente Kooperation innerhalb der Firma aber auch besonders über die Grenzen des Unternehmens hinweg.

    Wissensgemeinschaften:

    Wissensgemeinschaften ("communities of practice", siehe auch [5]) sind selbstorganisierte, im wesentlichen hierarchiefreie Gruppen, in der die verschiedenen Bereichskulturen und -interessen garantiert werden und ausreichend Zeit zur Verfügung steht zu lernen, externe Kontakte zu knüpfen und zu fördern und die thematische Reflexion mit all ihren persönlichen Eigenheiten zu garantieren. Solche interdisziplinären Teams vernetzen ihr Wissen auf der Suche nach Innovationen durch gezielte Auswahl von viel versprechenden Entwicklungsprojekten unter Ausnutzung des menschlichen Grundbedürfnisses nach Kommunikation. Sie sind über einen längeren Zeitraum (½ Jahr und mehr) bestehende Gruppen, in der neues Wissen im Dialog mit allen Beteiligten entstehen soll. Die Teilnahme ist freiwillig und erfordert sowohl fachlichen als auch persönlichen Einsatz der Gruppenmitglieder. Die informelle, fehlertolerante Struktur einer solchen Wissensgemeinschaft ist kreativ, lernfördernd und dient der Verbreitung des Wissens im Unternehmen. Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg dabei ist, dass sich die Mitglieder nicht nur zur gemeinsamen Wissensentwicklung sondern auch zu einer Anwendung und Umsetzung dieses Wissens in Produkten, Projekten oder Abläufen verpflichten. Diese Verpflichtungen beziehen sich dabei weniger auf das unbedingte Erreichen zuvor gesteckter Ziele (was einer fehlertoleranten Atmosphäre widersprechen würde) als vielmehr auf die gegenseitige Unterstützung beim Erwerben und Umsetzen von Wissens.

    Die spezifischen Inhalte, um die sich eine Wissensgemeinschaft gruppiert, können vielfältiger Natur sein wie z.B. im Unternehmen bisher nicht verwendete Technologien, Methoden oder Ablaufprozesse, die Durchführung bereichsübergreifender Projekte bis hin zur individuellen Ausbildung von Mitarbeitern. Als konkrete Ziele, die mit dem Etablieren von Wissensgemeinschaften erreicht werden sollen, lassen sich folgende Punkte nennen:

    • Durch den permanenten persönlichen Kontakt der Mitglieder untereinander wird implizites Wissen verteilt und kann im Unternehmen weiter verbreitet - also externalisiert - werden.
    • Durch die Unabhängigkeit vom Tagesgeschäft kann die Wissensgemeinschaft schneller auf neueste Entwicklungen reagieren bzw. sie absorbieren. Dadurch entsteht das Gefühl, an "vorderster Front" dabei zu sein, was zusätzlich die Mitarbeiter motiviert.
    • Wissensgemeinschaften stiften Identität, die auch deren Lebenszeit überdauert und deren Mitglieder weiterhin in Kontakt bleiben lässt ("Alumni-Nets").
    • Durch das gemeinsam erworbene Verständnis des Leitthemas, die gemeinsame Präsentation der Ergebnisse und durch die anschließende Reflexion lernen die Mitglieder, was und wie am besten präsentiert wird. Dadurch sind sie besonders geeignet, das neu erworbene Wissen zu verbreiten.

    Wissensnetze:

    Da viele Unternehmen Wissen nicht mehr allein gestalten und entwickeln können bieten sich Wissensnetze in strategischen Partnerschaften mit Universitäten oder industriellen Partnern an. Zur Beantwortung der Frage, "was wo wem bekannt ist?" helfen Wissensnetze, die weniger als globales Langzeitgedächtnis sondern vielmehr als "Network of Competence" zu verstehen sind. Wissensnetze verbinden Wissensquellen mit Wissenssenken und Wissensträgern, ohne auf die Gruppenzugehörigkeit der Mitglieder Rücksicht zu nehmen. Diese Relationen lassen sich graphisch darstellen, sodass der Zugriff zu den einzelnen Objekten einfach und übersichtlich wird. Umgekehrt kann ein Wissensnetz selbst von der Art und Weise, wie ein Benutzer sich darin bewegt, darauf schließen, an welchen Themen er interessiert ist. Das Wissensnetz kann somit selbstständig versuchen, Wissenssenken dadurch zu füllen, indem es den Benutzer mit dem entsprechenden Wissen oder ihren Wissensträgern in Verbindung bringt.

    Wesentliche Funktion eines Wissensnetzes ist es, interaktive Kontakte zwischen einzelnen Wissensträgern zu vermitteln und eine übersicht über deren Praktiken, Erfahrungen und Aufgaben zu erstellen. Darüber hinaus haben sie folgende Aufgaben:

    • Identifizierung des außerhalb einer Firma vorhandenen Wissens,
    • Verteilen des Wissens innerhalb und außerhalb eines Unternehmens und
    • Vernetzen der beteiligten Akteure und Sicherstellen der Kommunikation.

    Wissensnetze sind Partnerschaften von Organisationen, die einen gemeinsamen Fokus in ihrer Arbeit haben. Sie ermöglichen eine zielgerichtete Arbeit über Unternehmensgrenzen hinweg und sind damit Grundlage für eine veränderte Art von Forschung und Entwicklung.

    Gelbe Seiten:

    In Gelben Seiten werden Personen mit speziellen Kenntnissen erfasst und sind somit über geeignete Suchmechanismen (intelligente Agenten, Schlagwortsuche u.ä.) auffindbar. Solche Verzeichnisse von Experten schaffen die (Wissens-) Transparenz und ermöglichen das Verteilen von Wissen in F&E-Teams.

    Wissensmarktplätze:

    Zur Erschließung und Vernetzung der Wissensressourcen mit einem breiten Kreis potenzieller Interessenten bieten sich elektronische Marktplatze des Wissens an. Sie sind als Dreh- und Angelpunkt für den Informations- und Wissensaustausch gedacht und soll den Mitarbeitern einen zentralen Einstiegspunkt zu den verschiedenen Informationsressourcen (z.B. externe Datenbanken und alle eingestellten Dokumente) des Unternehmens bieten. Solche Wissensmarktplätze müssen sich in eine heterogene Systemlandschaft einfügen, sowohl über intelligente Suchfunktionen ("Agenten") als auch zur Automatisierung von Arbeitsschritten über eine leistungsfähige Ablaufsteuerung verfügen. Zur Verwaltung von Dokumente und ihren Abhängigkeiten lassen sich Content Management Systeme einsetzen.

    Intra- und Extranets als Technologieplattform in Forschung & Entwicklung

    Die traditionelle Rolle des Management, Informationen zu verteilen, übernimmt zunehmend das Intranet. Der Manager hat sich damit mehr auf die Rolle des Analytikers, des Kritikers und des Ideengebers zu konzentrieren. Er wird zunehmend weniger Dinge managen als vielmehr den optimalen Fluss von Wissen. Portale dienen dabei der Strukturierung von Information und Wissen im Unternehmen und ermöglichen Mitarbeitern einen zentralen Zugriff darauf. Aus Sicht des Wissensmanagement sind zwei Arten von Portalen wesentlich, die zur besseren Verwaltung und Bereitstellung von explizitem Wissen dienen:

    • Kommunikationsportale ermöglichen den Austausch und unterstützen die Zusammenarbeit in verteilten Gruppen.
    • Publikationsportale dienen der Präsentation von Informationen und der Darstellung von Wissen. Die Verwaltung und Verknüpfung von Web- oder organisationsinterner Dokumente erfolgt dann sinnvollerweise mit Hilfe von Dokumentenmanagementsystemen.

    Zunehmend haben Portale auch eine Außenfunktion, dienen sie doch dem Akquirieren von geeigneten Mitarbeitern wie der Suche nach strategischen Partnerschaften, die ebenso wie Wissensnetze ohne Netzwerke, die über die Unternehmensgrenzen hinaus reichen nicht mehr denkbar sind. Solche Extranets öffnen das Intranet den Kunden, Zulieferern oder Partnerfirmen und formen dadurch sog. "vertrauliche Arbeitsgruppen". Die Virtual Private Networks (VPNs) benutzen zusätzlich Entschlüsselungstechniken, um sichere Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zu ermöglichen. Nur so kann das öffentliche Medium Internet als Träger vertraulicher Kommunikation zwischen Kunden, Zulieferern und Partnern benutzt werden.

    Links

    [1] Gehle/Mülder: "Wissensmanagement in der Praxis", www.competence-site.de/C1256AC7005889B7/0/DEF7DCDE7CE3965AC1256B600056B933

    [2] Schmidt: "Wissensmanagement für den Innovationsprozess", archiv.ub.uni-bielefeld.de/disshabi/2000/0009.pdf

    [3] B. Schütze: "Werkzeuge für kooperatives Wissensmanagement"; www.talessin.de/medinf/wissen/kapitel_08.html

    [4] B. von Guretzky: "Schritte zur Einführung des Wissensmanagement: Definition und Bewertung von Wissenszielen"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/schritte-zur-einfuehrung-des-wissensmanagements-definition-und-bewertung-von-wissenszielen-teil/

    [5] B. von Guretzky: "Schritte zur Einführung des Wissensmanagement: Wissen erwerben und entwickeln"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/schritte-zur-einfuehrung-des-wissensmanagements-wissen-erwerben-und-entwickeln/

    [6] B. von Guretzky: "Schritte zur Einführung des Wissensmanagement: Wissen verteilen und nutzen"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/schritte-zur-einfuehrung-des-wissensmanagements-wissen-verteilen-und-nutzen/

    [7] B. von Guretzky: "Wissen aus IT-Projekten für das Unternehmen nutzen"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/wissen-aus-it-projekten-fuer-das-unternehmen-nutzen/

    [8] Kulicke et al: "Innovationsmanagement in jungen Biotechnologieunternehmen"; www.isi.fhg.de/ir/download/leitfaden-jtu.pdf

    [Standard] Namensnennung 3.0 Deutschland - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland
    Lizenziert unter einer Creative-Commmons Lizenz

Kommentare

Das Kommentarsystem ist zurzeit deaktiviert.