Wissensmanagement in der Unternehmensnachfolge

    26. August 2014 von Prof. Dr. Birgit Felden, Laura Marwede, Michael Graffius, Stefanie Mnich

    Die Unternehmensnachfolge stellt kleine und mittlere Unternehmen nicht nur vor rechtliche, finanzielle oder steuerliche Herausforderungen, sondern auch vor wissensrelevante Herausforderungen, die bisher oft vernachlässigt wurden. Dabei kann ein gezieltes Wissensmanagement erheblich zum Erfolg einer Nachfolge beitragen. Besonders wichtig ist dabei die Vermeidung des Verlusts von relevantem Wissen, aber auch die Gewinnung von neuem relevantem Wissen sowie die Sicherstellung einer kontinuierlichen Wissensnutzung. Wissensmanagement befasst sich mit Erwerb, Entwicklung, Transfer, Speicherung und Nutzung von Wissen. Dabei zählen Wissen und Wissensmanagement zu den wichtigsten Ressourcen in Unternehmen. Aber erst der richtige Umgang mit Wissen kann Unternehmen Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz verschaffen.

    Dieser Artikel ist im NachfolgeWiki, dem mit ESF-Mitteln und vom Berliner Senat geförderten umfassenden Nachschlagewerk zum Thema Unternehmensnachfolge, erschienen und kann dort gern weiter verbessert werden.


    Wissen in kleinen und mittleren Unternehmen

    Wissen sind die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zur Lösung von Problemen eingesetzt werden. Diese umfassen theoretische Erkenntnisse sowie Alltagsregeln und Handlungsweisen. Beim Wissensmanagement im Kontext der Unternehmensführung geht es um die effektive Bereitstellung des für die Unternehmensbereiche erforderlichen Wissens. Dies soll durch die optimale Nutzung vorhandenen Wissens und die externe Beschaffung oder interne Generierung von Wissen geschehen. Es lassen sich zwei Arten des Wissenstransfers unterscheiden:

    Implizites Wissen: Es ist subjektives Erfahrungswissen und spiegelt persönliches Wissen von Personen und Individuen wider, das sich in Werten, Handlungen und Erfahrungen manifestiert. Es ist erwerbbar durch Handlungen der Nachahmung oder im Unterbewusstsein bereits vorhanden. Implizites Wissen ist schwer zu beobachten, so hat der Unternehmer z.B. „ein Gefühl“ für den Markt bekommen.

    Explizites Wissen: Es ist sowohl methodisch als auch systematisch und liegt in artikulierter Form vor. Darüber hinaus ist es leicht verfügbar und über mehrere Individuen hinaus nutzbar. Beispiele: Dokumente, Datenbanken, Prozessbeschreibungen, Organigramme. [1]

    Wenn Wissen von Personen gespeichert wird, handelt es sich um die Personifizierung von Wissen. Bei einer Speicherung von Dokumenten wird dagegen von Kodifizierung gesprochen. Diese entsteht auch, wenn implizites und explizites Wissen ineinander überführt werden. Durch die Kodifizierung kann auch implizites Wissen für andere verständlich und verfügbar gemacht werden.

    Führungskräfte in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) benötigen, um ihre Aufgaben effektiv und effizient erfüllen zu können, ausreichendes Wissen über ihr Handlungsfeld. Dieses Handlungsfeld wird durch die Eigenschaften des eigenen Unternehmens und des Leistungsangebots, der Kunden, der Lieferanten, der Geldgeber und der Wettbewerber geprägt. Dabei bestehen teilweise Abhängigkeiten zwischen den Bereichen, zusätzlich werden sie vom jeweiligen wirtschaftlichen und sonstigen Umfeld beeinflusst. In der Tabelle haben Jenny und Günter Amelingmeyer Beispiele für mögliche Wissensinhalte dieser Felder zusammengetragen: [2]

    Wissensfeld

    Mögliche Wissensinhalte

    Unternehmen

    Organisation, Prozessabläufe, Managementinstrumente, Unternehmenshistorie etc.

    Leistungsangebot

    Funktionsweise, genutzte Technologien, Stärken und Schwächen im Vergleich etc.

    Kunden

    Kundenportfolio, Kundenanforderungen, Kundenverhalten, Ansprechpartner, Historie der Geschäftsbeziehung etc.

    Lieferanten

    Lieferantenleistungen und -konditionen, Ansprechpartner, Historie der Geschäftsbeziehung etc.

    Geldgeber

    Konditionen, Anforderungen, Historie der Geschäftsbeziehung etc.

    Wettbewerber

    Wettbewerbsfeld, Wettbewerbsunternehmen, Wettbewerberstärken und -schwächen, Wettbewerbsprodukte etc.

    Umfeld

    wirtschaftliche, politische, rechtliche, technische Rahmenbedingungen etc.

    Für die Führung von KMU ist zum einen allgemeingültiges Wissen bedeutend, das zum Beispiel in der Ausbildung oder im Studium erworben wird, und zum anderen unternehmensspezifisches Wissen, das auf Erfahrungen in dem bestimmten Unternehmen aufbaut. Meist können Führungskräfte in KMU nicht das gesamte relevante Wissensspektrum durch ihre Ausbildung abdecken. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn ihr Hintergrund technisch geprägt ist und sie ihre Kenntnisse der Unternehmensführung nicht systematisch erworben haben. Wenn die Führungskräfte zuvor jedoch unmittelbar am Betriebsgeschehen teilgenommen haben, verfügen sie über intensive Erfahrungen im Unternehmen und dessen unmittelbaren Umfeld.

    Wissenstransfer

    Wissenstransfer, also der Austausch von Wissen, erfolgt, wenn Sender und Empfänger von Informationen ein ähnliches Verständnis vom Inhalt und von der Quelle des Wissens besitzen. Schwierigkeiten entstehen bei der Übermittlung, wenn Lernprozesse nicht eintreten und Wissen verloren geht.[3]

    In Unternehmen gibt es einen kontinuierlichen Wissenstransfer und Wissensflüsse, die sowohl geplant, als auch spontan und unsystematisch ablaufen können. Zudem können Wissensflüsse formell und informell geregelt sein. Ungeplante Wissensflüsse entstehen meist aus der täglichen Zusammenarbeit der Mitarbeiter und deren Kommunikation, oft auch im Unterbewusstsein.

    Der bewusste Transfer von implizitem und explizitem Wissen in Form eines Wissensmanagements kann in folgende Phasen eingeteilt werden:[4]

    Phase

    Beschreibung

    Erfolgsfaktoren [5]

    Phase 1 - Initiierung eines Wissensmanagement-Projektes

     

    • Definition der Zielstellung (Warum ist Wissensmanagement wichtig für unser Unternehmen und für unsere Wettbewerbsfähigkeit? Was wollen wir durch Wissensmanagement langfristig erreichen?)
    • Projektteam zusammenstellen, Verantwortlichkeiten klären
    • Zeitplan erstellen
    • mit der internen Kommunikation starten

     

     

    • Orientierung an Strategie und Unternehmens
    • Direkter Bezug zu den Geschäftszielen des Unternehmens
    • An bereits bestehende und im Unternehmen etablierte Managementinstrumente andocken (z.B. Qualitätsmanagement)
    • Klare Zielvorstellung und Prioritäten setzen
    • Offenheit und Support der Unternehmensleitung
    • Ressourcen für das Vorhaben einplanen und bereitstellen
    • Nutzen (durch Beispiele) verdeutlichen und kommunizieren
    • Runden Tisch einrichten
    • Problembewusstsein vorhanden („Aufhänger“ finden)
    • Einbindung der Mitarbeiter
    • Lösung nicht bereits am Anfang vorwegnehmen
    • Transparenz über den Einführungsprozess herstellen

     

    Phase 2 - Analyse

     

    • gegenwärtigen Status des Wissensmanagements im Unternehmen feststellen und bestehende Methoden und Prozeduren auf ihre Zukunftsfähigkeit hin überprüfen
    • Ergebnisrückmeldung aus der Status quo-Ermittlung an die Beteiligten

     

     

    • Systematisches Vorgehen in der Analyse (methodengestützt)
    • Genügend Zeit und Ressourcen einplanen
    • Einbindung aller relevanten Ebenen
    • Interessenskonflikte und „Fraktionsbildung“ vermeiden
    • Neutrale Prozessbegleitung (externe Moderation)
    • Transparenz: Ergebnisse schnell zurückspiegeln
    • Projektmarketing betreiben
    • Wissensbarrieren abbauen

     

    Phase 3 - Entwicklung

     

    • geeignete Lösungen für das Wissensmanagement auswählen und deren Umsetzung planen
    • gemeinsam Ziele festlegen und mit konkreten Messkriterien hinterlegen
    • Lösungskonzepte ausarbeiten und hinsichtlich ihrer Machbarkeit bewerten

     

     

    • Mitarbeiter in Entwicklung einbeziehen, eigene Lösungsvorschläge
    • Ziele gemeinsam erarbeiten
    • Verbindlichkeiten und Verantwortlichkeiten schaffen
    • Unternehmenskultur mit einbeziehen: Passt die Lösung zu unserer Kultur?
    • Prioritäten setzen: leicht umsetzbare, nutzenstiftende Punkte zuerst
    • Stärken hervorheben und darauf aufbauen
    • Schnittstellen zu anderen Bereichen beachten, Qualitätsmanagement o.ä.
    • Nutzenargumente erarbeiten, kommunizieren
    • Best Practice Beispiele und Netzwerke nutzen
    • Probleme/Krisensituationen mit einbeziehen

     

    Phase 4 - Implementierung

     

    • ausgewählte Wissensmanagement-Lösungen im Unternehmen einführen
    • Schulung der Beschäftigten, die zukünftig mit dem System arbeiten
    • neuen Methoden und Werkzeuge in die Unternehmensabläufe integrieren
    • eventuell Prozessbeschreibungen anpassen und neue Vorlagen und Hilfsmittel entwerfen

     

     

    • Motivation der Beteiligten sichern
    • Treiber und Unterstützer identifizieren und einbinden
    • Aktivitäten und Lösungen verständlich kommunizieren („internes Marketing“)
    • Nutzenargumentation aufbauen und Erfolgsgeschichten vorstellen
    • Projektmanagement: Planen, überwachen, steuern
    • Auswahl Projektteam (z.B. Akzeptanz, Entscheidungskompetenz)
    • Projektteam mit den nötigen Mitteln und Kompetenzen ausstatten
    • Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen durchführen

     

    Phase 5 - Evaluierung und Nachhaltigkeit

     

    • Ergebnisse der Implementierungsphase zusammenfassen und hinsichtlich des Gesamterfolgs überprüfen
    • Auf den Ergebnissen aufbauend neue Maßnahmen ableiten oder die laufenden anpassen

     

     

    • Klare Ziele und Bezug zur Strategie erleichtern die Evaluation
    • Kennzahlen können helfen (qualitativ und quantitativ)
    • Nutzen und Erfolge aufzeigen
    • Kontinuierliches Sammeln von Lernerfahrungen, nicht nur am Ende des Projektes
    • Verständnis von Wissensmanagement als kontinuierlichen Prozess/Teil der Unternehmenskultur
    • Zeit und Ressourcen für diese Phase einplanen
    • Feedbackstrukturen aufbauen
    • Anreizsysteme zur Unterstützung der Verankerung

    Wissenstransfer in der Unternehmensnachfolge

    Heute gilt in Unternehmen besonders implizites Wissen als Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile. Wenn es gelingt, dieses Wissen in Wissensmanagementprozessen organisatorisch zu verankern und damit auch für den Nachfolger nutzbar zu machen, bleibt ein Wettbewerbsvorteil (und damit ein wertbildendes Element) erhalten.

    Herausforderungen


    Individuelles und kollektives Wissen wird im gesamten Unternehmen von der Nachfolge beeinflusst. Neue Führungspersönlichkeiten, neue Strukturen, Personalwechsel u.ä. wirken sich auf das zur Verfügung stehende und genutzte Wissen aus. Die Nachfolge betrifft also nicht nur Übergebende und Nachfolgende.

    Der zentrale Prozess des Wissenstransfers beschränkt sich bei der Unternehmensnachfolge dennoch hauptsächlich auf den Transfer zwischen den Abgebenden und den Nachfolgenden. Dabei soll der Nachfolger in die Lage versetzt werden, Aufgaben und Probleme seiner Position mit dem eigenen Wissen zu verbinden, Lösungsansätze zu entwickeln und diese auf das Unternehmen anzuwenden. Dem bisherigen Unternehmer ist die Bedeutung seines eigenen Wissens, das er sich oft über Jahrzehnte hinweg angeeignet hat, jedoch oft gar nicht bewusst oder er geht damit nicht hinreichend systematisch und verantwortungsbewusst um. Der Nachfolger muss diesem sein wertvolles Wissen dann oft „aus der Nase ziehen“, wenn er davon profitieren will.

    Entscheidend für den Wissenstransfer ist, ob es sich um implizites oder explizites Wissen handelt. Insbesondere das Wissen des Unternehmers oder Geschäftsführers ist oft zu großen Teilen an die eigene Person gebunden, da es vertraulich zu behandeln ist. Der Unternehmer bezeichnet sein implizites Erfahrungswissen jedoch oft als „sein Gespür“ oder „seine Nase“ und hält dieses für nicht transferierbar. Tatsächlich ist implizites Wissen schwer explizierbar, da der Unternehmer über Jahre hinweg Erfahrungen gesammelt hat, die sich zwar in seinem Unterbewusstsein befinden, die er aber nicht bewusst reflektiert oder niedergeschrieben hat. Dieses personengebundene Wissen kann nur übertragen werden, wenn es vom Übergeber kommuniziert und dem Nachfolger zur Verfügung gestellt wird. Das kann die Existenz des Unternehmens gefährden, weil ein hoher impliziter Wissensabfluss und -verlust Erfolgspotentiale verringert.

    Explizites personenungebundenes Wissen kann dagegen leichter und mittels schriftlicher Dokumente übertragen werden. Es verliert jedoch innerhalb der Übertragung auch an Bedeutung und Exklusivität, weil es dann oft für alle im Unternehmen am Wissenstransfer beteiligten Mitarbeiter zugänglich und nach außen sichtbar ist. Erschwert werden kann der Wissenstransfer zwischen Übergeber und Nachfolger durch Konflikte, fehlende Gesprächsbereitschaft oder durch Inkompetenzen bei der Wissensübergabe. Durch unterschiedliche Wissensgrundlagen entstehen verschiedene Beurteilungs- und Bewertungsmaßstäbe zwischen den beiden. Zusätzlich führen mangelnde Kommunikation und fehlendes Verständnis zum Verlust von implizitem Wissen.

    Auch im Hinblick auf die Mitarbeiter kann ein Führungswechsel wissensrelevante Veränderungen mit sich bringen, etwa wenn weitere Mitarbeiter gemeinsam mit der bisherigen Führungskraft das Unternehmen verlassen oder externe Mitarbeiter durch die neue Führungskraft nachgezogen werden. So können z.B. durch einen Buy-in-Management-Buy-out bisherige Wissensquellen auch für externe Nachfolger aufgeschlossen werden. Zudem können sich die Motivation der verbliebenen Mitarbeiter und damit auch die Nutzbarkeit ihres Wissens durch einen Führungswechsel verändern. Die mit einem Führungswechsel häufig einhergehenden Veränderungen in der Organisation eines Unternehmens, beispielsweise beim Einsatz von Informationssystemen, können ebenfalls die Wissensbasis beeinflussen, indem sie die Nutzbarkeit bislang routinisierten Wissens einschränken. Eine neue strategische Ausrichtung des Unternehmens erfordert dann zusätzlich eine Anpassung der Wissensbestände.

    Lösungsansätze

    Die Ansätze zur Vermeidung eines Wissensverlusts im Unternehmen gehen zum einen dahin, das jeweilige Wissen frühzeitig von der Führungskraft zu lösen und zusätzlich in anderen Quellen im Unternehmen zu verankern, oder zum anderen den Übergebenden nach seinem Ausscheiden an das Unternehmen zu binden.

    So kann Wissen beispielsweise von der Führungskraft gelöst werden, wenn diese ihr Wissen so weit wie möglich dokumentiert und somit nachgeordnete Stellen an ihrem Wissen teilhaben lässt. Gleichzeitig kann sie ihren Nachfolger gezielt einarbeiten. Hier ist eine langfristige schrittweise Übergabe vorteilhaft. Beachtet werden sollte in diesem Zusammenhang, dass eine Wissensdokumentation weitgehend auf explizite Wissenselemente beschränkt ist, persönliche Kontakte zu anderen Wissensquellen (z.B. bestimmten Ansprechpartnern, Freunden) können auch auf diesem Weg nur eingeschränkt vermittelt werden. Um den Wissenstransfer bei der Nachfolge zu erleichtern, kann der Übergeber zum Beispiel konsequent und systematisch die Erfahrungen notieren, die er mit einzelnen Kunden macht. Durch eine regelmäßige Analyse und Sortierung der Aufzeichnungen kann dieses dann explizite Wissen eine Grundlage für eine gezielte Weitergabe auf den Nachfolger und geeignete Vertriebsmitarbeiter bilden. Insgesamt reduziert der Übergeber auf diese Weise die Komplexität für den Nachfolger und verhindert beim Nachfolger Fehler durch Unkenntnis im Umgang mit Kunden. Durch gemeinsame Besuche von Übergeber und Übernehmer bei den wichtigsten Kunden und Lieferanten kann implizites Wissen auch auf Seite des Nachfolgers aufgebaut werden.

    Der Übergeber kann auch nach seinem Ausscheiden an das Unternehmen gebunden werden, zum Beispiel über eine Beratungsfunktion. Dabei muss aber bedacht werden, dass die Anwesenheit des Übergebers ohne Führungsfunktion zu Störungen im Betriebsablauf führen kann. Diese Gefahr besteht besonders bei familieninternen Nachfolgen, bei denen eine Balance zwischen Familie und Unternehmen häufig schwierig ist.

    Bei beiden Ansätzen muss der Übergeber dazu fähig und bereit sein mitzuwirken. Viele Führungskräfte können das für ihre erfolgreiche Unternehmenstätigkeit relevante Wissen nicht erkennen oder systematisch vermitteln. Die Unterstützung durch geeignete Personen in Stabs- oder Beratungsfunktionen können hier hilfreich sein. Die Bereitschaft zur Wissensweitergabe ist stark vom Klima des Führungswechsels abhängig, sie kann aber durch externe Vorgaben (z.B. durch Miteigentümer, Beirat oder Geldgeber) oder durch gezielte Anreize (z.B. finanzieller Art) gefördert werden. Wichtig ist hier auch, etwa durch eine eindeutige Vertragsgestaltung, sicherzustellen, dass die bisherige Führungskraft ihr Wissen nicht zum Schaden des Unternehmens in ein anderes Unternehmen (Konkurrent oder Neugründung) einbringt. Zudem sollte zur Vermeidung eines weiteren Wissensverlustes darauf geachtet werden, dass nicht noch weitere Mitarbeiter das Unternehmen verlassen oder bestehende Wissensstrukturen anderweitig gestört werden. Besonders groß ist diese Gefahr, wenn der Führungswechsel in einem ungünstigen Unternehmensklima verläuft und/oder eine erhebliche Intransparenz entsteht.

    Folgende Fragenkomplexe ergeben sich laut Constanze Pick und Ricarda B. Bouncken aus den Rahmenbedingungen für die Gestaltung des Wissenstransfers bei der Unternehmensnachfolge [6]:

    • Wie viel besonders bedeutsames Wissen für das Unternehmen und den Nachfolger nimmt der Übergeber wirklich aus dem Unternehmen mit?
    • Wie viel für das Unternehmen nicht ersetzbares Wissen verschwindet?
    • Wie und an wen wird das Wissen transferiert: Existiert ein zentraler Wissensträger für den Transfer, wie z.B. Mitarbeiter oder der Nachfolger?
    • Wer sollte vorzugsweise die Position des zentralen Wissensträgers übernehmen?
    • Sollte das Wissen vorzugsweise an einen oder mehrere Mitarbeiter weitergegeben werden - eher personengebunden oder personenungebunden?
    • Ist die Schaffung von Wissenspools für den Wissenstransfer und die Wissenssicherung sinnvoll?
    • Welchen Einfluss nehmen die Verhaltensweisen und Motive der beteiligten Personen auf den Wissenstransfer?
    • Welche Bedeutung haben Riten und Macht des Übergebers und des Nachfolgers beim Wissenstransfer?
    • Welche Rolle spielt die Offenheit im Unternehmen?
    • Welche Rolle nehmen Berater über die beratende Tätigkeit hinaus beim Wissenstransfer ein?
    • Wann werden Berater, Coaches und Unternehmensbörsen vorzugsweise in den Prozess der Unternehmensübernahme/-übergabe involviert?

    Neues Wissen dazugewinnen und Wissen kontinuierlich nutzen

    Neues Wissen kann vor allem über die Übernehmenden dazugewonnen werden. Je nach Situation des Wechsels gibt es hier verschiedene Wege: Die erste Möglichkeit zur Wissensgewinnung für das Unternehmen besteht im längerfristig geplanten und gezielten Aufbau eines Nachfolgers. Dies wird vor allem in eigentümergeführten Unternehmen umgesetzt. Der Wissenserwerb findet dann im Rahmen der Ausbildung sowie im Zuge von Tätigkeiten in anderen Unternehmen statt. Die zweite Möglichkeit der Wissensgewinnung besteht in der gezielten Auswahl geeigneter Kandidaten für die Führungsnachfolge. Dies ist vor allem bei Unternehmen mit externer Geschäftsführung zu beobachten. Zweckmäßig ist es in diesem Fall, eine hohe Attraktivität für leistungsfähige externe Führungskräfte im Unternehmen zu bieten. Das kann über die Arbeitsbedingungen, aber auch über materielle Anreize geschehen.

    Um Wissen bei einem Führungswechsel kontinuierlich nutzen zu können ist es wichtig, mögliche Barrieren der Wissensnutzung und Wissenspreisgabe bei den Mitarbeitern durch den Erhalt bzw. die Schaffung eines kooperativen Arbeitsklimas und durch zielgerichtete Informationen zu beseitigen. Der Übernehmer benötigt gleichzeitig aktive und passive Unterstützung bei der Gewinnung des notwendigen Wissens. Dabei sind die Mitarbeiter gefordert, besonders in den Fällen, in denen keine aussagekräftigen Informationssysteme existieren.

    Maßnahmen zum Wissensmanagement in der Unternehmensnachfolge

    Maßnahmen des Wissensmanagements zur Unterstützung des Führungswechsels im Unternehmen können nur effektiv und effizient umgesetzt werden, wenn sie zumindest in Grundzügen koordiniert werden. Dazu gehören: die Koordination der Abläufe, die Klärung organisatorischer Fragen sowie Fragen der Verankerung des Wissensmanagements im Unternehmen.

    Organisation

    Das Wissensmanagement in der Unternehmensnachfolge betrifft den Übergeber, den Übernehmer sowie Mitarbeiter in leitenden oder operativen Positionen und gegebenenfalls übergeordnete Instanzen. Die Maßnahmen sind verschiedenen Bereichen zugeordnet, sie sind eher personalorientiert, eher technikorientiert oder eher organisationsorientiert. Deshalb erfordert das Wissensmanagement eine koordinierte Beteiligung aller relevanten Unternehmensbereiche und deren Mitarbeiter. Dabei ist die Koordination grundsätzlich der Führung zuzuordnen, die durch Mitarbeitende unterstützt werden kann. Die Schaffung von Stellen nur für das Wissensmanagement ist für KMU aber in der Regel nicht empfehlenswert. Erfolgreiches Wissensmanagement setzt in besonderem Maße gerade die aktive Mitwirkung der Unternehmensführung voraus, denn ohne diese Mitwirkung kann die ganzheitliche Funktion des Wissensmanagements kaum erfüllt werden.

    Verankerung in der Unternehmensstruktur

    Das Wissensmanagement in der Unternehmensnachfolge ist eine temporäre Aufgabe. Sie endet mit dem erfolgreichen Abschluss der Übergangsphase. Längerfristig stehen Übernehmende aber vor ähnlichen Wissenssicherungsaufgaben wie ihre Vorgänger. Dazu kommt, dass auch die Aktivitäten im Alltagsgeschäft durch gezielte Maßnahmen des Wissensmanagements effektiver und effizienter gestaltet werden können.

    Es kann sinnvoll sein, die Wissensmanagementmaßnahmen im Zuge der Nachfolge mit bestehenden Initiativen zu koordinieren und zu vernetzen, oder sie als Ausgangspunkt für ein kontinuierliches Wissensmanagement zu nehmen.


    Fußnoten

    1. Pick, Constanze; Ricarda B. Bouncken: Schnell oder langsam - gemeinsam oder souverän? Gestaltung des Wissenstransfers bei der Unternehmensnachfolge. In: Meyer, Jörn-Axel: Wissens- und Informationsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen. Köln 2005, S.494f.
    2. Amelingmeyer, Jenny; Günter Amelingmeyer: Wissensmanagement beim Führungswechsel in KMU. In: Meyer, Jörn-Axel: Wissens- und Informationsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen. Köln 2005, S.480.
    3. Pick, Constanze; Ricarda B. Bouncken: Schnell oder langsam - gemeinsam oder souverän? Gestaltung des Wissenstransfers bei der Unternehmensnachfolge. In: Meyer, Jörn-Axel: Wissens- und Informationsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen. Köln 2005, S.495f.
    4. Zusammenstellung nach: Orth, Ronald: Fit für den Wissenswettbewerb - Wissensmanagement in KMU erfolgreich einführen. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Berlin 2013, S.10-24.
    5. Entnommen aus: Orth, Ronald: Fit für den Wissenswettbewerb - Wissensmanagement in KMU erfolgreich einführen. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Berlin 2013, S.10-24.
    6. Pick, Constanze; Ricarda B. Bouncken: Schnell oder langsam - gemeinsam oder souverän? Gestaltung des Wissenstransfers bei der Unternehmensnachfolge. In: Meyer, Jörn-Axel: Wissens- und Informationsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen. Köln 2005, S.500.

    Quellen

    • Amelingmeyer, Jenny; Günter Amelingmeyer: Wissensmanagement beim Führungswechsel in KMU. In: Meyer, Jörn-Axel: Wissens- und Informationsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen. Köln 2005, S. 479-488.
    • Gabler Witschaftslexikon: Wissensmanagement.
    • Klemm, Stefan: Transfer von Wissen und Autorität bei der Unternehmensnachfolge. München 2003.
    • Orth, Ronald: Fit für den Wissenswettbewerb - Wissensmanagement in KMU erfolgreich einführen. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Berlin 2013.
    • Pick, Constanze; Ricarda B. Bouncken: Schnell oder langsam - gemeinsam oder souverän? Gestaltung des Wissenstransfers bei der Unternehmensnachfolge. In: Meyer, Jörn-Axel: Wissens- und Informationsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen. Köln 2005, S. 489-508.

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