Wissensmanagement bei Versicherungen Teil II

    10. September 2002 von Anne Asch, Redaktion

    Versicherungen gehören zu den hochgradig auf Wissen angewiesenen Unternehmen. Welche Arten von Wissen müssen sie erwerben und generieren um am Markt besser zu bestehen? Wir stellen zwei Beispiele vor.

    Wissensmanagement bei der Württembergischen - Projekt: Aufbau und Einführung eines Wissensmanagement- und Contentmanagementsystems in Form eines indizierten Intranets

    Unternehmensprofil:

    Die Württembergische Versicherungs AG ist durch den Zusammenschluss von Wüstenrot und Württembergische ist entstanden. Der Finanzdienstleistungskonzern hat seinen Sitz in Stuttgart. Unter dem Dach der Wüstenrot & Württembergische AG (W&W AG) wird ein umfassendes Produktanportfolio angeboten: Von der Baufinanzierung und der Vermögensbildung über die Altersvorsorge bis hin zum Risikoschutz.

    Die Württembergische hat bundesweit 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie 6.000 Selbstständige im Außendienst.

    Gründe für die Einführung:

    • Nutzbarmachung und Aktivierung vorhandenen Wissens
    • Da es sich um ein stark verteilt arbeitendes Unternehmen (Aussendienst/Innendienst) handelt, soll Wissensmanagement dezentral, über ein Webinterface, machbar sein
    • überwindung und Integration organisatorischer Grenzen

    Ansprüche

    Bei der Entwicklung und Einführung sollte das System die folgenden Ansprüche und Vorgaben an ein modernes Wissensmanagement erfüllen:

    • Kein Aufbau einer isolierten, insulären Wissenslösung
    • Wissensmanagement ist Grundlage und Teil der gesamten technischen Systeme im Unternehmen
    • Eine ausgeglichene Funktionalität aller Komponenten ist wichtiger als die Spitzenfunktion einzelner Teile

    Projektziele und zeitliches Vorgehen

    Erste Stufe:

    • Aufbau eines repositorybasierten, indizierten Intranets, sowie eines zentralen Contentmanagementsystems

    Zielvorgabe:

    • Einfache Wissensabgabe
    • Gewöhnung der Mitarbeiter an die Arbeit mit dem Medium

    Zweite Stufe:

    • Indizierung, Strukturierung und Vernetzung von Inhalten und Dokumenten
    • Hinzufügen von Metainformationen
    • Dokumente werden mit anderen IT-Systemen im Unternehmen vernetzt und in sie eingebunden

    Zielvorgabe:

    • Ermöglichung einer komplexen Wissensabgabe
    • Generierung neuer Wissenselemente wie Wissenslandkarten, Projektinformationen, Expertensuche...

    Dritte Stufe:

    • Integration des gesamten Wissensmanagement in andere (auch externe) Systeme

     

    Komponenten des Systems

    • Contentmanagementsystem (CMS) / Dokumentenmanagementsystem (DMS)
    • Repository / Change Managementsystem
    • Data Warehouse
    • Projektmanagementsystem
    • Rechtssprechungsdatenbank, Gerichte
    • Telefonbuch interne Mitarbeiter und Aussendienstler
    • Elektronische Handbücher

    Der Zugang zu diesen Komponenten liegt im Intranet des Unternehmens. Dieses Intranet dient als Single Point of Information Exchange, kurz SPIX, sowohl für die Eingabe von Informationen als auch für deren Extraktion. Content-, Dokumenten- und Wissensmanagement gehen dabei fliessend ineinander über. Es ermöglicht ohne grössere Vorkenntnisse die Beantwortung von einfachen oder auch komplexen Fragestellungen.


    Prinzipien

    Das grundlegende Prinzip bei der Einführung des Systems sollte dessen Einfachheit sein. Dies betrifft sowohl die Eingabe als auch die Extraktion von Informationen.

    a) Eingabe von Informationen

    Einfachheit in der Handhabung:

    • Einfachste Handhabung ohne Expertenwissen oder das Erlernen eines Programmes. Inhalte können z.B. per drag & drop direkt vom Desktop in das Intranet eingestellt werden
    • Automatische Layoutgenerierung
    • Jeder Mitarbeiter darf und soll Informationen einstellen

     

    Organisatorische Einfachheit:

    • Dokumente können in persönliche, geschlossene oder öffentliche Bereiche eingestellt werden
    • Redaktionelle Bearbeitung von Beiträgen erfolgt nur dort wo es nötig erscheint
    • Nur ein Redaktionsprozess für Inter- und Intranetauftritt

    Dadurch verringern sich der Administrations- und der redaktionelle Aufwand, die Beteiligung der Mitarbeiter wird gefördert.

    Strukturelle Einfachheit:

    • Dokumente werden in eine temporäre Struktur eingefügt
    • Alle Dokumente und Informationen erhalten einen Gültigkeitszeitraum

    b) Informationsnachfrage

    Alle Informationen und Dokumente sind durch ihre Strukturierung und Indizierung auf drei Arten suchbar:

    • Formal durch ihre Einordnung in vorgegebene Kategorien
    • Thematisch durch ihre Einordnung in Themenbereiche
    • Textbezogen durch ihre Indizierung mit Stichworten und Schlagwortketten

    Durch ihre Vernetzung sind alle Arten der Suche kombinierbar. Dafür werden jedem Dokument Metainformationen über es selbst, seine Organisationszugehörigkeit, seinem Autor und seine zeitliche Gültigkeit, sowie formale Suchbegriffe zugefügt. Die Zuordnung erfolgt in Form eines XML-Sheets durch das System selbst.

    Der Ablauf einer Informationssuche kann durch den Benutzer konfiguriert werden, so er dies möchte. Durch die Vernetzung der verschiedenen Kategorien von Metainformationen können auch komplexe Suchen leicht und ohne grössere Vorkenntnisse durchgeführt werden. Alle Suchabfragen sind speicherbar und damit leicht zu wiederholen.

     

    Nutzung des Intranets

    Der Zugriff auf das Intranet kann von allen Innendienst- und Aussendienstarbeitsplätzen im W&W Konzern erfolgen. Dabei ergeben sich folgende Nutzungsdaten (Stand Feb. 2001):

    User Accounts

    c.a. 7.100

    Dokumentenuploads / Tag

    c.a. 100

    Anwendersitzungen / Tag

    c.a. 2.300

    Seitenzugriffe / Monat

    c.a. 260.000

    Seitenzugriffe / Tag

    c.a. 10.000

    Vorhandene Informationsbausteine

    c.a. 16.000

    Redakteure voll

    440

    Redakteure teil

    1.400

    Diese Zahlen sprechen für eine gute Annahme des Systems bei den Mitarbeitern.

    Vorteile des vernetzten Systems für das Unternehmen

    • Wissen über das vorhandene Wissen kann besser genutzt werden
    • Durch den Indizierungs- und Redaktionsprozess entstehen gepflegte und durchsuchbare Datenbestände
    • Der Schulungsaufwand bei den Mitarbeitern ist gering
    • Die Auswerung gestarteter Suchläufe ermöglicht das Erkennen von Wissensnachfragetrends
    • Sinnvolle und einfache Generierung neuen Wissens
    • Leichte Visualisierung der im Unternehmen vorhandenen Informationen, z.B. in Wissenslandkarten

    Wissensmanagement bei der Allianz: Wissenslandkarten

    Unternehmensprofil

    Die Allianz AG umfasst 700 Gesellschaften in mehr als 70 Ländern. Weltweit beschäftigt sie 180.000 Mitarbeiter. In Deutschland sind 42.000 Menschen für die Allianz tätig.

    Ansatz: Warum Wissenslandkarten?

    • Wer weiß was im Unternehmen?
    • Wo fehlt dem Unternehmen noch Wissen?
    • Welche Kompetenzen muss das Unternehmen noch entwickeln und erwerben?

    Vorgehensweise

    In einem jährlichen Strategieprozess werden die zu erreichenden Wissensziele (= die zu entwickelnden Kompetenzen) festgelegt. Auf diese Ziele werden die Ausbildungsprogramme des Unternehmens ausgerichtet und mit einzelnen Mitarbeitern individuelle Kompetenzerweiterungen vereinbart. Der Wissenserwerb des Unternehmens und der Mitarbeiter wird also einerseits von oben aus der Geschäftsstrategie abgeleitet und andererseits von unten durch den individuellen Ausbildungsbedarf der Mitarbeiter bestimmt.

    Ziele des Wissensmanagement

    Durch das Wissensmanagement sollen die Mitarbeiter und das Unternehmen befähigt werden, die internen Ziele der

    • Wirtschaftlichkeit
    • Reaktionsfähigkeit
    • Kundenzufriedenheit
    • Mitarbeiterzufriedenheit

    zu realisieren und umzusetzen. Alle Aufgaben, Prozesse und Projekte werden an diesen Zielen ausgerichtet. Wissensmanagement wird hier als Synchronisation von strategischer Ausrichtung des Unternehmens und Personalentwicklung verstanden.

    Das Modell

    Das Wissensmanagementmodell der Allianz gliedert sich in die folgenden Teile:

    • Kernprozesse
      • Kunden betreuen und beraten
      • Projektmanagement
      • Entwicklung und Betreuung von Informationsystemen und Anwendungsplattformen
      • Wahrnehmung abteilungsübergreifender betriebstechnischer Aufgaben
      • Aus- und Weiterbildung in der IT
    • Querschnittsprozesse
      • Controlling
      • Führung und Personalentwicklung
      • Betreiben interner Services
      • Innovationsmanagement
      • Marketing
    • Leistungslandkarten
      • bestimmen welche Leistungen von den einzelnen Referaten oder Abteilungen in die Arbeits- und Lernprozesse eingebracht werden müssen
    • Rollen
      • definieren sich durch die Kompetenzen, die zu ihrer Ausfüllung vorhanden sein müssen
      • werden bestimmt durch ihre Leistungen für den Kunden
      • können sowohl in Kern- als auch in Querschnittsprozessen oder in beiden angesiedelt sein
    • Rollenlandkarten
      • beschreiben differenziert die mit den einzelnen Rollen verbundenen Kompetenzen auf fachlicher, methodischer und sozialer Ebene
      • bilden auch den erforderlichen Grad der notwendigen Kenntnisse ab, indem weiter nach vorhandenen, ausgeprägen oder stark ausgeprägten Kenntnissen (Kenner, Könner, Experten) differenziert wird.

    Die eigendliche Wissenslandkarte in der Allianz setzt sich dann aus den Elementen

    • Leistungslandkarte
    • Rollenlandkarte
    • Kompetenzprofil für die Arbeitsrolle

    zusammen. In der schon erwähnten jährlichen strategischen Neubewertung wird diese Wissenslandkarte angepasst und um eventuell fehlende Kompetenzen erweitert.

    Phasen

    Das Wissensmanagementmodell versteht sich als Prozessmodellkette für Change Management bei der

    • Initialisierung
    • Konzipierung
    • Umsetzung und
    • Verankerung

    einander folgen und aufeinander aufbauen. Eingebettet ist diese Kette für den Veränderungs- und Anpassungsprozess in die Anforderungen, die vom Markt und der Unternehmensstrategie gestellt werden.

    Innerhalb des Unternehmens wird sie durch den Konsens und die Zustimmung zum Prozess durch die Führungskräfte und Mitarbeiter getragen.

    Unterstützt wird dies durch die Unternehmenskultur und das geförderte / geforderte Verhalten aller Beteiligter:

    • Transparenz über den Stand und den Verlauf von Projekten
    • Respekt gegenüber kontroversen Auffassungen und Meinungen sowie deren Einbindung in den Wissensprozess.

    Einbindung der Mitarbeiter

    Mitarbeiter, die in einer Phase der Prozesskette für ein Projekt gewonnen wurden, bleiben auch in der darauf folgenden Phase verantwortlich eingebunden. Diese Einbindung gilt unabhängig von der Position des Mitarbeiters im Unternehmen. Jeder Mitarbeiter kann unterschiedliche Rollen in verschiedenen, parallel laufenden Projekten bekleiden. Entscheidend ist allein seine jeweils erforderliche und vorhandene Kompetenz.

    Kritische Erfolgsfaktoren für das Wissensmanagement

    • Wissensmanagement ist kein Technik-Problem
    • Das Management von Wissen erfordert auch das Management der Wissenden
    • Das Management von Expertise erfordert ein spezifisches Führungsverständnis
    • Wissensmanagement erfordert neue, parallele Strukturen
    • Die Einführung von Wissensmanagement erfordert einen Prozess mit Change-Management

    zitiert nach: Gunther Mathy

    Quellen

    [1] Stefan Klein:
    www.wi.uni-muenster.de/
    [2] Gunther Mathy:
    www.aifb.uni-karlsruhe.de/
    [3] Bundesverband der Versicherungswirtschaft
    www.gdv.de/
    [4] Frank Lasogga:
    www.community-of-knowledge.de/benutzer/frank-lasogga/
    [5] Bernhard von Guretzky:
    www.community-of-knowledge.de/benutzer/bernhard-von-guretzky/

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