Softwareunterstützung im Wissensmanagement - E-learning innerhalb eines KMS

    05. Februar 2002 von Gebhard Dettmar

    Ein häufig betonter Aspekt im Wissensmanagement ist die sog. "lernende Organisation". Dieses Schlagwort fußt auf der Prämisse, dass das Wissen eines Unternehmens, d. h. im wesentlichen das "weiche", in den Köpfen der Mitarbeiter implizite Wissen, dessen wichtigste Ressource ist, weshalb eine unternehmensweite, Abteilungsgrenzen überschreitende Verbreitung in puncto Mehrwertbehaftung von allergrößtem Interesse ist. Dafür bietet - wie im ersten Teil dieser Serie beschrieben - das softwaregestützte Wissensmanagement zahlreiche Funktionalitäten. Dieser Artikel befasst sich mit Aspekten des computer based trainings und seinem Einsatz bei der Weiterbildung von Mitarbeitern anhand der Vorstellung eines neuartigen Tools.

    Einleitung

    Ein häufig betonter Aspekt im Wissensmanagement ist die sog. "lernende Organisation". Dieses Schlagwort fußt auf der Prämisse, dass das Wissen eines Unternehmens, d. h. im wesentlichen das "weiche", in den Köpfen der Mitarbeiter implizite Wissen, dessen wichtigste Ressource ist, weshalb eine unternehmensweite, Abteilungsgrenzen überschreitende Verbreitung in puncto Mehrwertbehaftung von allergrößtem Interesse ist. Dafür bietet - wie im ersten Teil dieser Serie beschrieben - das softwaregestützte Wissensmanagement zahlreiche Funktionalitäten wie die in das KM eingebundende Balanced Scorecard, Data-Warehouse, Knowledge-Discovery, Data- und Text-Mining, Knowledge-Maps usw.

    Das setzt natürlich voraus, dass Mitarbeiter auch über aktuelles Wissen verfügen, und da solches heute bekanntlich schneller veraltet als sich die Mode ändert (Stichwort "lebenslanges Lernen"), liegt eine der wesentlichen Aufgaben des softwaregestützten Wissensmanagements in der beständigen Aktualisierung dieser "weichen" Ressource, die nötig ist, um Handlungskompetenz in entscheidungskritischen Situationen unter sich stetig wandelnden Bedingungen, d. h., unter sich stetig verkürzenden Entwicklungs-/Innovations- und daraus resultierend Produktzyklen (Stichwort "time-to-market") aufrecht und die über ein KMS verwaltete Knowledge-Base eines Unternehmens auch up-to-date zu halten.

    So überrascht es nicht, dass 90% der deutschen Top 350 Unternehmen in einer von Prof. Schüle von der privaten Fachhochschule Göttingen im Auftrag der Unicmind.com AG durchgeführten Studie "eLearning und Wissensmanagement in großen deutschen Unternehmen" angeben, eLearning zur Mitarbeiterschulung einzusetzen.

    In einer Rangliste der Themen, die solcherart aufbereitet werden, fällt jedoch auf, dass Produkt- und Kompetenzschulungen, die unter oben beschriebenen Voraussetzungen den primären Einsatzbereich des eLearning im Wissensmanagement darstellen sollten, mit 31% auf Rang 4 folgen, während Rang 1 Schulungen in MS Office, Rang 2 andere Anwendungen und Rang 3 Betriebssysteme einnehmen, d. h. also überwiegend Bereichen, die in Stellenangeboten eigentlich als Einstellungsvoraussetzung gehandelt werden.

    Unternehmensspezifische Themen, wie Qualitätsmanagement oder Kundenanfragen/-zufriedenheit, also wesentliche Bereiche eines firmeninternen Wissensmanagements, landeten mit 18%, 8% und 6% auf den hintersten Plätzen.

    "Hier wird man sich die Frage stellen müssen, wie die strategischen Ziele der Unternehmen bei der Priorisierung der eLearning-Aktivitäten besser Eingang finden können. Ein perfektes Beherrschen aller Microsoft Office-Anwendungen hat noch keinem Unternehmen zum strategischen Wettbewerbsvorteil gereicht.", lautet Schüles launiger Kommentar zu diesem Befund.

    Wissenserwerb im Wissensmanagement

    Seminare und CBT
    Unternehmens- und vor allem produktspezifische Bereiche zu schulen war bisher - und ist auch heute noch die Aufgabe von Fortbildungslehrgängen/Schulungen, d. h. Präsenzveranstaltungen, zu denen Unternehmen ihre wertvollen Mitarbeiter noch nie sonderlich gern geschickt haben, weil die dadurch entstehenden Kosten durchaus nicht auf die reinen Lehrgangskosten beschränkt bleiben: die indirekten Kosten wie Reise, Unterkunft, Verpflegung, Arbeitszeitausfall, Behinderung des Arbeitsablaufs durch Mitarbeiterabsenz machen laut Institut der deutschen Wirtschaft mit jährlich rund 34 Milliarden DM rund 2/3 der Gesamtkosten aus.

    Darüber hinaus ist der Nutzwert von auf diesem Weg erworbenen Wissen zeitlich beschränkt, ein Umstand, der sich in Zeiten proportional ansteigenden Wissenswachstums immer ungünstiger auswirkt. Allerdings bieten sie einen didaktisch kaum zu überschätzenden Vorteil: sie ermöglichen die direkte Interaktion zwischen Lehrern und Lernenden, sie gewährleisten individuelle Problembehandlung und eine Erfolgskontrolle, die man bei der zumeist gleichzeitig komplexen und komplizierten Materie nicht missen möchte. Das ist nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil die Zielgruppe einer Firmenschulung mit zunehmendem Alter um einiges heterogener zusammengesetzt ist, als dies noch bei Schulklassen der Fall ist - es handelt sich um erwachsene Menschen unterschiedlichster Provenienz, aus je eigenen Studiengängen mit andersartigen Schwerpunkten an Universitäten, Fachhochschulen, Privathochschulen usw.

    Abbildung1 Mitarbeitervoraussetzungen

    Daraus ergeben sich andere Kompetenzen und andere Defizite, deshalb ist eine individuelle Einflußnahme schon von Präsenzlehrgängen eigentlich nicht mehr im erforderlichen Umfang zu leisten. Noch weniger gilt dies für eine weitere gängige Methode im mühsamen Geschäft des lebenslangen Lernens - das CBT (Computer Based Training). Hier handelt es sich um mit Autorenwerkzeugen wie Macromedia Director oder Asymetrix Toolbook II aufwendig und vor allem teuer erstellte Multimedia-Applikationen auf CD-Rom, die eine recht hohe Transparenz des Lernstoffes ermöglichen und dazu eine flexible Zeiteinteilung. Dies wird jedoch erkauft mit dem Wegfall der Interaktion, der Lernkontrolle und der Identifizierung von Schwachpunkten in der Aufbereitung des Stoffes - ganz zu schweigen von den mangelhaften Aktualisierungsmöglichkeiten. Hinzu kommt eine mit dem Ausbleiben der Lernkontrolle anscheinend häufig einhergehende Disziplinlosigkeit: die CD-Roms werden eher selten geöffnet oder erst gar nicht installiert. Für Rainer Hilsenbeck vom Dachverband der Datenspeicherungsindustrie SNIA (Storage Networking Industry Association) kommt E-Learning während der Ausbildung zum dringend benötigten Nachwuchs von Speicherexperten über das SNCP (Storage Networking Certification Program) nicht in Betracht: "Zum Online-Lernen gehört viel Disziplin. Und die bringen viele Seminarteilnehmer leider nicht auf."

    Web Based Training
    Für den softwaregestützten Wissenserwerb als einen zentralen Punkt des firmeninternen Knowledge Managements lautet angesichts der oben geschilderten Problematik die entscheidende Frage: Wie lassen sich die Vorteile von Präsenzlehrgängen und Multimedia-CDs verbinden und die Nachteile dabei aussparen: i. e. transparente Aufbereitung des Lehrstoffes und selbstbestimmte Zeiteinteilung, individualisierte Zusammenstellungen für spezifische Probleme und Defizite, also personalisierte Lerninhalte unter Berücksichtigung des Wissensstandes mit der Möglichkeit der Nachfrage trotz Lehrerabsenz, Austausch mit anderen Lernenden und vor allem Lern- wie auch Erfolgskontrolle. Weiter: Lässt sich bezüglich der Lerninhalte nicht auch der Grad von Personalisierung erreichen der im Knowledge Management für die Personalisierung des Informationsflusses durch ein KMS geleistet wird (Stichwort Push and Pull)?

    Einen vielversprechenden Ansatz bietet hierzu die Einbeziehung des Inter-/ oder Intranets in Form eines webbasierten Trainings (WBT), insbesondere dann, wenn sich ein dafür erstelltes Tool auf eine bereits bestehende KM-Plattform aufsetzen lässt. Es gibt bereits modular aufgebaute Systeme, die solches anbieten, z. B. SAP und Hyperwave (s. Tools):

    Abbildung 2, Hyperwave eLearning Suite auf Information Portal.

    Damit lassen sich die Vorteile der Kommunikationskanäle eines Unternehmensportals auch für das Lernen nutzen, also e-Mails, Messaging, Diskussionsforen, Chats, elektronische Notizzettel etc. Gleichzeitig steht so der digital gespeicherte Dokumentenfundus, überhaupt das gesamte Unternehmenswissen den Mitarbeitern zur Verfügung, die je nach Kompetenzbereich mal zu Trainern, mal zu Trainees werden. Über die Möglichkeiten solcher Portallösungen lassen sich Nachbildungen eines Universitätsbetriebs erstellen, also virtuelle Ausbildungszentren mit Klassenräumen, in denen sich strukturierte Lehrmaterialien befinden, Eingangszimmer mit Lehrangeboten, Cafeterias für den Austausch der Lernenden untereinander und Verwaltungszimmer für die Trainer, in denen Tools für die Erstellung von Kursmaterial bereitliegen.

    Letzterem kommt für den virtuellen Wissenserwerb die entscheidende Bedeutung zu. Alle Interaktivität und Möglichkeiten multimedialen Lehrmaterials nützen sehr wenig, wenn das Lehrmaterial selbst nicht in

    • strukturierter
    • personalisierbarer
    • und kontrollierbarer Form verfügbar zu machen ist.

    Genau diese 3 Punkte ermöglichen nämlich ein sehr weitgehendes selbständiges Lernen, im Prinzip eine automatisierbare Weiterbildung der Mitarbeiter. Der alles entscheidende Punkt liegt also in der Aufbereitung des Lehrmaterials, bzw., weil ein KMS so weit wie möglich automatisieren soll, bei den Tools, die dieses tun.
    Im folgenden soll ein solches Tool in seinem Leistungsumfang vorgestellt werden.

    Die Slicing Book Technology (SBT)

    Je schwieriger ein zu bewältigendes Thema, bzw. eine Lerneinheit ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass man es mit einer wissenschaftlichen Publikation in gedruckter Form zu tun bekommt, d. h., einem Lehrbuch. Denn Multimedia-Applikationen bieten zwar große Vorteile in der Visualisierung, bei der erschöpfenden Darstellung komplexer Vorgänge ist jedoch die beschreibende Darstellung in unterschiedlich langen Texteinheiten nicht zu vermeiden. Der Nachteil eines Lehrbuches dagegen liegt gerade in seiner Verpflichtung zur erschöpfenden Darstellung, die keine der Übersichtlichkeit gewährte Aussparung erlaubt, des weiteren in dem bei schwierigen Stoffen hohen Grad der Interkontextualität, dem es nur mit Querverweisen oder gar Literaturhinweisen begegnen kann, denen kontinuierlich nachzugehen so ziemlich jeder Nutzer irgendwann entnervt aufgegeben hat. Und da Lernen ein progressiver Vorgang ist, der quasi hermeneutisch vom Teil aufs Ganze zuschreitet, wobei stets die Teile, nie aber das Ganze benötigt werden, ist die klassische Form des Lehrbuchs ein Information Overload an sich.

    Zu diesem Problem startete 1992 ein von der DFG gefördertes Forschungsprojekt unter dem Namen "Deduction", im Rahmen dessen Ingo Dahn an der HU-Berlin eine ILF (Integration of logical functions) genannte Anwendung entwickelte, die eine Vernetzung einer von polnischen Mathematikern aufgebauten Bibliothek formalisierten mathematischen Wissens gestattete. Aus dieser Bibliothek liessen sich Dokumente erzeugen die bezüglich ihres Detaillierungsgrades anpassbar, also personalisierbar waren.

    Als der Springer-Verlag Heidelberg 1998 Interesse bekundete, die ILF-Technologie für Publikationen einzusetzen, wurde dafür von der Research Group Artificial Intelligence an der Universität Koblenz-Landau unter Leitung von Ingo Dahn das Projekt Trial Solution (http://www.trial-solution.de/) gegründet, dass aus ILF ein Autoren- und Präsentationstool entwickelte - ILF wurde so zur Slicing Book Technology (SBT). Nach von Prof. Wolter an der HU-Berlin durchgeführten Testreihen erschien 2000 das erste mit der SBT aufbereitete Buch im Springer Verlag: Einführung in die Analysis von Wolter/Dahn.

    1999 gründeten Dahns Sohn Thor Alexander Dahn und Philipp Hasse-Pratje das Unternehmen Slicing Information Technology GmbH, um aus dem Prototyp ein marktfähiges Tool zu entwickeln. Ihre Vorgehensweise besteht dabei darin, ca. 20 mit SBT aufbereitete Bücher auf einer KM-Plattform zu integrieren, die dem Benutzer als Lehrstoffsammlung zur Verfügung stehen sollen - als Buch mit beiligender CD-Rom und Webzugang. Bereits veröffentlicht und miteinander vernetzt sind U. Huhrbach, Logic for Computer Scientists, C. Gellrich/R. Gellrich, Mathematik - Ein Lehr- und Übungsbuch und besagte Einführung in die Analysis von Wolter/Dahn. Bald kommen eine Einführung in die Wirtschaftsmathematik, Arbeits- und Übungsbuch Wirtschaftsmathematik, Mathematical Logic u. a. hinzu, bis zu, wie gesagt, einem Pool von über 20 Büchern. Man hat dann einen hochkomplizierten Themenkomplex (Mathematik, Wirtschaftsmathematik, logische Informatik) mit tausenden Seiten Lehrmaterials in aufgearbeiteter Form (SBT) zur Hand, mit deren Hilfe das oben postulierte Lernen (personalisiert, kontrolliert, ohne Information Overload) vonstatten gehen soll. Um das nachvollziehbar zu machen, ist es nötig, einen näheren Blick auf die Funktionsweise der SBT zu werfen.

    SBT en Detail
    Die wesentliche Aufgabe der SBT besteht im "slicen", dem zersplittern von Inhalten eines oder mehrerer Dokumente in kleinere und kleinste semantische Einheiten, wie man es im Prinzip nicht unähnlich von Content Management Systemen her kennt. Die Semantik der kleinsten Einheit aber bleibt stets gewahrt und mit allen ihr zugehörigen höheren Einheiten verknüpft, d. h., das System weiß, welche Einheiten Sinnzusammenhänge bilden und welche nicht. Auf diese Weise entsteht ein toolgesteuerter Index, der es dem Nutzer ermöglicht, bei Null zu beginnen und sich von Einheit zu Einheit weiter zu arbeiten. Dazu hat das Tool verschiedene Module zur Verfügung, die den Aufbereitungsprozess etwa so regeln:

    Abbildung 3

    Der Splitter
    Der Splitter steht am Anfang der Bearbeitung eines digitalen Dokuments, dass mit der SBT aufbereitet werden soll. Solche Dokumente sind in der Regel in Word, Post Script (ps), pdf oder QuarkXPress erstellt (im naturwissenschaftlichen Bereich tritt auch LaTeX auf, was natürlich ein Glücksfall ist), häufig hat der Autor Makros verwendet, um Arbeitsschritte zu automatisieren, kurz: Inhalt und Layout des Dokuments sind, mit Ausnahme von LaTeX, nahezu untrennbar miteinander verzahnt. Diese Vermischung ist selbst bei HTML noch gegeben, erst XML oder LaTeX ermöglichen die für oben beschriebene Vernetzung unabdingbare Trennung innerhalb des Dokuments. Ausserdem lassen sich nur in diesen Formaten mathematische oder naturwissenschaftliche Formeln darstellen, wofür es im Falle XML eigene DTDs (Document Type Definition) mit eigener Syntax und diese validierende Parser gibt, z. B. MathML oder CML (Chemical Markup Language). In eines der beiden Formate gilt es also zunächst umzuwandeln.

    Der Splitter entfernt nach (beim ersten Mal) manuell einzugebenden Disaggregationsregeln Makros, und spezifiziert anschließend die Metadaten des Dokuments wie Referenzen, bereits angegebene Schlüsselwörter oder vordefinierte Einheitentypen wie Aufgaben, Lösungen, Beispiele oder Beweise in DTDs. Anschließend wird das Dokument in dieser gesplitteten Form in ein Verzeichnissystem, dem Hierarchical File Tree Format (HFTF), gespeichert, das vom gesamten Buch, oder bei mehreren Büchern vom Themenkomplex, bis hinab zur kleinsten semantischen Einheit Verzeichnisse, Unterverzeichnisse usw. nach unten abwärts zuweist.

    Die kleinste semantische Einheit ist demnach in diesem Datei-Baum ein leaf, wobei jedes leaf noch eine Datei mit den Metadaten, eine DTD, enthält, die angibt, welche anderen Einheiten mit dieser semantisch verknüpft sind. Mit dem Autorentool (s. u.) kann der Autor die Zuordnungen dann noch ändern/überarbeiten/ergänzen, doch ist bereits hier im wesentlichen die Voraussetzung für die Personalisierung des Dokumentes, die individuelle Erstellung von Lerneinheiten und, über die Verknüpfung des semantischen Zusammenhangs, die automatisierte Indexierung des Gesamtstoffes wie auch einzelner Lerneinheiten gegeben.

    Das Meta Data Tool
    Den Informationen bezüglich der Metadaten einer Einheit, die der Splitter nicht automatisch durch die vordefinierten Disaggregationsregeln erstellen konnte, werden durch dieses Tool Schlüsselwörter aus einem kontrollierten Vokabular, dem enriched Thesaurus zugeordnet. Sind die Einheiten zu kurz, bzw. enthalten zu wenig Text für ein eigenes Schlüselwort, werden sie Gruppen zugeordnet, innerhalb derer die Schlüsselwörter vererbbar sind.

    Das Autorentool
    Das Autorentool setzt den Prozess der Metadatenerstellung fort und verfeinert ihn weiter. Entweder der Autor selbst oder eine andere Person mit Fachkenntnissen überprüft die Zuordnung von Schlüsselwörtern und ergänzt sie, erstellt Typisierungen von, Relationen zwischen und Überschriften zu den betreffenden Einheiten. Des weiteren überwacht er mit diesem Tool die Versionsgenauigkeit und den Aktualisierungsbedarf von Dokumenten. Wird eine veraltete Einheit aktualisiert, erstreckt sich diese Änderung auf alle mit dieser verknüpften Einheiten, was Zeitersparnis und Redundanzvermeidung ermöglicht. Ist, z. B. bei Produktionsreihen, eine Abbildung des Workflow erwünscht, kann neben der aktualisierten Form die veraltete Darstellung beibehalten werden, so dass diese sich nebeneinander betrachten lassen.

    Damit ist der Aufbereitungsprozess des Dokumentes abgeschlossen. Er besteht, wie man sah, teils in automatisierten, teils in manuellen Arbeitsschritten, an deren Ende das Dokument bis ins kleinste strukturiert und mit Metadaten versehen worden ist. Das 4. und letzte Tool der SBT steuert die Anwendung, weshalb ihm ein eigenes Kapitel zu widmen ist, in dem er einem Praxistest unterzogen werden soll.

    Das Delivery Tool/der Reader und seine Handhabung
    Der Reader als letztes Tool des SBT Baukastens ist für die Interaktion mit dem Benutzer zuständig. Er "liefert" (Delivery) dem Nutzer genau das, wonach dieser ihn fragt, in HTML, pdf oder ps. Dazu muss der Nutzer natürlich wissen, wonach er fragen soll. Üblicherweise beschafft er sich diese für zielgerichtetes Lernen unabdingbaren Informationen über einen Blick in Inhaltsverzeichnisse und Indizes und meistens erwartet ihn hier das erste Frustrationserlebnis. Je komplexer die Lerneinheit, desto weiter sind die semantischen Einheiten gestreut, weshalb bereits an diesem ersten Punkt, dem Information Retrieval des Lernens, häufig jede Übersichtlichkeit zum Teufel gegangen ist. Das gleiche Problem tritt, nebenbei bemerkt, auch in anderen Zusammenhängen ausserhalb des Lernens auf, in der Aufarbeitung von Unternehmensdaten via Data- und Text Mining nämlich, worauf noch zurückzukommen sein wird.

    Bei der im Rahmen von Wissensmanagement erfolgenden Mitarbeiterqualifizierung stellt sich das Problem in ganzer Schärfe, da hier (s. oben) die Voraussetzungen in puncto Vorbildung und Kenntnisstand zunehmend heterogener geworden sind, worauf andere Unterrichtsmedien, vom Lehrbuch bis zum CBT, nur mit möglichst umfassender Vollständigkeit reagieren können, was notwendigerweise auf Kosten der Übersichtlichkeit geschieht. Hier liegt also der Punkt, an dem es anfängt sich zu lohnen, verschiedene größere Dokumente so aufwendig in eine vollständig durchstrukturierte Form gebracht und miteinander vernetzt zu haben, denn eben dies liefert die Voraussetzung für einen effizienten und effektiven Wissenstransfer.

    Das fängt bei der Aufbereitung der Lerneinheiten durch den Trainer an, der nun sehr leicht eine zielgenaue, bedürfnisadäquate Präsentation des Lernstoffes erstellen kann - das System stellt die Lerneinheiten samt erforderlicher Grundlagen zusammen und liefert es ihm fertig zum Foliendruck. Nehmen wir also als gegebenes Szenario eine Qualifizierung für Webdesigner zum Thema "Einführung in Java", wobei sich parallel genauso gut das Szenario "Ein Webdesigner arbeitet sich selbständig in Java ein" denken liesse. Dabei stösst er auf das Thema Integer und Double in 32 bit-Formatierung, vielleicht nimmt der Trainer dies zum Anlass für einen ausführlichen Exkurs in die nicht ganz unwesentliche Thematik "Zahlendarstellung von Computern". Dank moderner HTML-Editoren wie Macromedia Dreamweaver hat er schon länger nichts mehr mit Fest- und Gleitkomma-, Dual- und Hexadezimalzahlen in 2- oder 4 byte-Formatierung zu tun gehabt und will seine Grundlagen wieder auffrischen. Dazu nutzt er das Kapitel 7 aus Gellrich, Mathematik: Einige mathematische Grundlagen der Informatik. Folgende Oberfläche erwartet ihn:

    Abbildung 4: Gellrich Individuell mit der SBT

    Er hat nun folgende Möglichkeiten, basierend auf seinen Vorkenntnissen: er kann sich die markierten Unterkapitel mit und ohne Grundlagen als pdf oder ps-Datei anzeigen lassen/herunterladen, er kann zum Verständnis erforderliche Einheiten hinzufügen, und er kann noch die Einheiten hinzufügen, die diese Einheiten zur Voraussetzung haben, wobei er entweder mehr oder weniger das ganze Buch erhält oder nach Schritt 2 nur Kapitel 7 auswählt. Bei jedem dieser Schritte zeigt das System ihm an, wieviele Einheiten hinzukommen, d. h., bei letzterer Variante erhält er folgende Meldung:

    Abbildung 5: Lehreinheiten zu Zahlendarstellung.

    Das heißt, das System findet Einheiten aus allen 8 Kapiteln, die mit dem Thema "Zahlendarstellung eines Rechners" mittelbar, also mit dessen Voraussetzungen, oder direkt zu tun haben. "Da kann ich mir ja gleich das ganze Buch runterladen", wird er sich denken und erst einmal etwas kleiner anfangen - er lädt sich Kapitel 7.1 mit Grundlagen herunter und erhält ein 7-seitiges pdf, das auch schön leicht anfängt: die Dezimalzahl 2303,62, wird er belehrt, lässt sich darstellen als ein Produkt jeder Ziffer mit einer Potenz der Basis B=10, =>
    2303,63 =
    2 Tausender (2*10³ )
    +3 Hunderter (3 *10² )
    +0 Zehner (0 * 10¹ )
    +3 Einer (3 * 10° )
    +6 Zehntel (6 * 10¹ )
    +2 Hundertstel (2 * 10-² )
    = 2 * 10³ +3 * 10² +0 * 10¹ +3 * 10° +6 * 10-¹ +2 * 10-² .

    Wenn sich aber, liest er nun weiter, jede reelle Zahl als Produkt ihres Ziffern- und Stellenwertes (100=10²) darstellen lässt, kann man auf diese Weise auch jede reelle Zahl als Dualzahl, sc. innerhalb eines Stellenwertsystems darstellen, also, wie es unsere Computer mögen, unter ausschließlicher Verwendung der Zahlen 0 und 1, indem man statt der Basis 10 die Basis 2 (=Z2) wählt. Zur Umrechnung sieht er (nach einer Summenformel in 7.1) folgende Tabelle:
    0(10) = 0 * 2º = 0(2)
    1(10) = 1 * 2º = 1(2)
    2(10) = 1 * 2¹ +0 * 2º = 10(2)
    3(10) = 1 * 2¹ +1 * 2º = 11(2)
    4(10) = 1 * 2² +0 * 2¹ + 0 * 2º = 100(2)
    usw.

    Das versteht er nicht und entschließt sich, zunächst die Lehreinheiten, die diese Einheit benötigt, anzeigen zu lassen. Nun erhält er zu der Summenformel Beispiele für Basis 4 und Basis 2 mit der gleichen Zahl 2303, was die Formel um einiges verständlicher macht. Nehmen wir nun einmal in einem bewusst simpel gewählten Beispiel an, ihm wäre nicht klar, warum die Stellen links vom Komma durch negative Exponenten darstellbar sind, so dass er die Lösung von Beispiel 7.2:
    1010,101 = 1 * 2³ + 0 * 2² +1 * 2¹ +0 * 2º +1 * 2-¹ + 0* 2 -² +1 * 2-³ = 10,62510
    nicht versteht, d. h., er benötigt Voraussetzungen aus anderen Kapiteln, genauer gesagt, aus Kapitel 4, was er aber nicht weiß.

    Deshalb ist er darauf angewiesen, dass das System dies weiß, dazu lässt er sich "zum Verständnis erforderliche Einheiten" anzeigen und lädt sich ein pdf herunter, das ihm gleich oben als erstes die erforderliche Einheit 4.4.1.2 Potenzfunktionen mit ganzzahligen negativen Exponenten anzeigt, in der die Formel y = 1/xⁿ = x-ⁿ die Unklarheit eigentlich beseitigen müsste.

    Selbst wenn er nicht genau genug segmentiert haben sollte und sich z. B. alle erforderlichen Einheiten für das gesamte Kapitel 7 hat anzeigen lassen, stehen - er erhält dann immerhin eine 109 pdf-Seiten umfassende Datei - die für die Umrechnung von Zahlen eines beliebigen Positionssystems in Dezimalzahlen erforderlichen Potenzfunktionen an oberster Stelle, gefolgt von 7.2, das die BOOLsche Aussagenlogik zum Inhalt hat, mitsamt der dazu erforderlichen Voraussetzung "Elemente der Mengenlehre".

    Es kann also für jemanden, der keinerlei Voraussetzungen in der Mathematik mitbringt, durchaus Sinn machen, sich größere Mengen von Lerneinheiten anzeigen zu lassen, weil diese miteinander verknüpft sind und die Übersichtlichkeit bezüglich Lerneinheit und ihrer Voraussetzungen auch bei größeren Datenmengen durchaus gewahrt bleibt.

    Dazu gibt es, was hier übergangen wurde, die Verknüpfung jeder Lerneinheit mit Verwandtem aus Wolter/Dahn, Einführung in die Analysis. Wer glaubt, Mengenlehre sei einfach, wird dort eines besseren belehrt.

    Zudem gibt es zu jeder Lerneinheit zahlreiche Aufgaben, die Lösungen kann man sich zur Kontrolle - möglichst hinterher - herunterladen. Sollte nun der Trainer eine kleine Erfolgskontrolle in Form eines schriftlichen Tests für den folgenden Tag ankündigen, hätte unser Webdesigner eine probate Methode zur Hand, sich abends zielgerichtet in einem überschaubaren Zeitrahmen darauf vorzubereiten. Zudem besitzt der Trainer über die Auswertung der Login-Protokolle die Möglichkeit, zu kontrollieren, wer sich mit dem Stoff auseinandersetzt und wer nicht.

    Was bei oben Dargestelltem jedoch zuvorderst ins Auge springen sollte, ist die beliebige Anpassungsfähigkeit des Systems auf welchen Kenntnisstand auch immer. Eben dies ist der wesentliche Zweck, Dokumente auf einem Server in mikrosegmentierter Form abrufbar zu halten. Die Personalisierungsmöglichkeiten von solcherart aufbereiteten Dokumenten sind nahezu uneingeschränkt, was nicht zuletzt einer Weiterqualifizierung in Eigeninitiative in hohem Maße förderlich ist, bzw. diese erst ermöglicht.

    Knowledge Management mit der SBT

    Die hier beschriebene Methode der Wissensgenerierung über das Aufspüren von Zusammenhängen erinnert, wie oben erwähnt, in manchem an die im Knowledge Management üblichen Methoden des Data- und Text-Mining. Hier wie dort geht es um das Aufspüren von Zusammenhängen in und den Extrakt von Daten aus digital gespeicherten Dokumentenbeständen.

    Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass dies im Data-/Text Mining an unstrukturiert vorliegenden Dokumenten vollzogen wird, während die Möglichkeiten der SBT sich eben daraus ergeben, dass die Dokumente vorher aufwendig segmentiert und mit Metadaten versehen wurden.
    Dies wäre im erstgenannten Bereich nicht zu leisten, da die Datenbestände eines Unternehmens zu ca. 90% in überhaupt nicht oder nur unzulänglich strukturierter Form vorliegen, ein Umstand der sich allerdings auf dem Wege der Besserung befindet, was man z. B. an den mit je aufsteigender Version zunehmenden Versionierungsmöglichkeiten von MS Word beobachten kann.

    Im Bereich strukturierter Dokumente ergeben sich mit der SBT aber umfangreiche Einsatzmöglichkeiten im Knowledge Management, die weit über ihre ursprüngliche Bestimmung hinausreichen. In F/E-Abteilungen oder der Produktion z. B., wo ohnehin überwiegend in TeX dokumentiert wird, lassen sich mit der SBT zielgenaue Fehleranalysen durchführen, da man so über die Vernetzung der einzelnen Entwicklungs-/Produktionsstufen auch Fehler aufspüren kann, die sich erst nach diversen Zwischenstufen bemerkbar machen.

    Auch in der Dokumentation von technischen Handbüchern für den in- und externen Gebrauch kann das System seine Stärken voll ausspielen. Es bietet Workflow-Abbildung, Versionierungsmöglichkeiten ein und desselben Dokumentes für verschiedene Abteilungen und vor allem Login-Protokolle, über deren Auswertung sich sehr leicht feststellen lässt, welche Teile eines Dokumentes verbesserungswürdig sind, welche überflüssig, welche zu lang und welche zu kurz, wobei auch stets nur der problemrelevante Teil nachgebessert werden muss. Gleiches gilt natürlich für periodisch anstehende Aktualisierungen. Die SBT hat damit viel von einem CMS, dient aber primär der Wissensgenerierung. Es ist ein probates Tool, diese wertvolle Unternehmensressource entscheidend zu vergrößern.

    Ich möchte nicht verabsäumen, den Herren Thor Alexander Dahn und Philipp Hasse-Pratje für ihre aktive Unterstützung meine ausdrückliche Anerkennung auszusprechen. Sie waren mir kompetente, engagierte und hilfsbereite Ansprechpartner.

    Literatur & Links

    Hubert Schüle, eLearning und Wissensmanagement in deutschen Großunternehmen (pdf)

    René Ritter, eLearning und Wissensmanagement wachsen zusammen (eLearnin Suite-Produktinfo pdf)

    Christian Filk, Stichwort "Gestaltungsorientierung"? Wegweisend für eine Multimediadidaktik?

    Ingo Dahn/GerhardSchwabe. Personalizing Textbooks with Slicing Technologies.

    Ingo Dahn, Symbiose von Buch und Internet

    Ingo Dahn, Michael Armbruster, Ulrich Furbach, Gerhard Schwabe, Slicing Books - The Authors" Perspective

    Div. zu SBT unter www.slicing-infotech.de/de/presse_artikel.php; www.trial-solution.de und vor allem mit didaktischem Aspekt: dominosrv.uni-koblenz.de/PublikationenSywikol.html

    Marianne Valerius/Anna Simon, Slicing Book Technology - eine neue Technik für eine neue Lehre?

    Philipp Hasse-Pratje, Die Slicing Book Technology zur Nutzensteigerung von Studien, unveröffentl. Dipl.-Arb., 2001.

    Gunther Rothfuss/Christian Ried, Content Management mit XML, Berlin, Heidelberg 2001.

    Carsten Gellrich/Regina Gellrich, Mathematik. Ein Lehr- und Übungsbuch., Bd. 1, Arithmetik, Algebra, Megen- und Funktionenlehre, Frankfurt/a. M., 2001³.

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