Schritte zur Einführung des Wissensmanagements: Definition und Bewertung von Wissenszielen - Teil A -

    21. Februar 2001 von Dr. Bernhard von Guretzky

    Dieses Papier (bestehend aus den Teilen A und B) ist der erste Beitrag einer Reihe von Abhandlungen, in denen die einzelnen Schritte der Einführung des Wissensmanagements im Unternehmen behandelt werden. Teil A gibt eine Einführung in den Problemkreis und eine kurze Beschreibung der Bausteine des Wissensmanagements. Ferner wird der Zusammenhang zwischen Unternehmes- und Wissensstrategie hergestellt.

    Knowledge Management is the
    Transformation of knowledge into business -
    and learning the transformation of
    information into knowledge.
    Matthias Bellmann

    Problemstellung

     

    Ein besonderes Problem für das Wissensmanagement ist die Fülle und Unübersichtlichkeit vorhandener Informationen. Die Herausforderung besteht daher in der Fokussierung auf das für das Unternehmen strategisch relevante Wissen. Um jedoch die Bedeutung dieses Wissens im Einzelnen bewerten zu können, ist ein Verständnis der Kernkompetenzen des Unternehmens zwingend, wobei unter Kernkompetenz i.a. ein wertschöpfender Prozess verstanden wird, der durch einen messbaren und verteidigbaren Kundennutzen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil gegenüber konkurrierenden Unternehmen schafft.

    Angesichts der tiefgreifenden technologischen Veränderungen versuchen die Unternehmen zunehmend ihre Kräfte darauf zu konzentrieren, was sie besonders gut zu beherrschen meinen. Denn eine vorrangige Orientierung an den Markterfordernissen lassen sie aufgrund des Innovationsdrucks schnell gegenüber der Konkurrenz zurückfallen. Über welche Kernkompetenzen ein Unternehmen verfügt, läßt sich anhand folgender Kriterien überprüfen:

    • Eine Kernkompetenz vergrößert potentiell das Marktspektrum,
    • Sie muss vom Kunden wahrgenommen werden und
    • Sie ist von der Konkurrenz nur schwer zu imitieren.

    Kernkompetenzen bestehen stets aus einem ganzen Bündel von Fähigkeiten und Technologien. Sie stecken in den Produkten, den Herstellungsprozessen und in den Köpfen der Mitarbeiter.

    Sie sind die Basis der Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation, während die einzelnen Produkte und Dienstleistungen die Früchte dieser Kernkompetenzen darstellen. Sie bilden das über einzelne Organisationseinheiten hinweg vorhandene Problemlösungswissen und stehen den Betroffenen zur Verfügung, ohne dass die Art und Weise explizit sofort benennbar wären (tacit knowledge). Die Kenntnis um die eigenen Kernkompetenzen ermöglicht damit erst den von einer Unternehmensstrategie geleiteten Aufbau von Fachwissen, das zum fundamentalen Wettbewerbsvorteil geworden ist. Der Konkurrenzkampf wird also immer mehr zu einem Wettbewerb um Wissen, das sich entweder nach der Firmenstrategie ausrichten muss oder umgekehrt muss sich die Firmenstrategie nach dem vorhandenen Wissen der Organisation richten. Eine solche Wissensstrategie, die sich in der Definition von Wissenszielen niederschlägt, wird schließlich in einer organisatorischen und technischen Architektur münden.

    Aus der Perspektive des Wissensmanagements muss es also darum gehen herauszufinden, welches Wissen aufgebaut, zugekauft, vertieft oder überhaupt erst zugänglich gemacht werden muß, um die Kernkompetenzen des Unternehmens voll zur Entfaltung zu bringen. Wissensmanagement hat dann die besten Erfolgschancen, wenn es zur Erreichung festumrissener strategischer Geschäftsziele eingesetzt wird, wenn also das Wissensmanagement auf die Unternehmensstrategie ausgerichtet wird.

    Bausteine des Wissensmanagements

     

    Die Geneva Knowledge Group um Gilbert Probst und Kai Romhardt hat den Prozess des Wissensmanagements im Unternehmen konzeptualisiert und damit versucht, die Vernetzung und die Abhängigkeiten der einzelnen Aktionen zu visualisieren. Dieser in acht Problemfelder zerlegte Prozess soll einerseits die Theoretisierung und Abgehobenheit der Konzepte zum Wissensmanagement überwinden und andererseits praktische Schritte definieren, die die Einführung des Wissensmanagements transparenter machen.

    Das Modell zeigt einen äußeren Kreislauf mit den klassischen Managementaufgaben Zielsetzung, Bewertung bzw. Controlling, der die strategischen Aspekte des Wissensmanagements beschreibt, dem gesamten Prozess eine Richtung gibt und die Bedeutung eindeutiger und konkreter Zielvorgaben unterstreicht. Der Teilprozess Bewertung / Controlling soll zudem die Notwendigkeit der Messung und Steuerung der Einführung des Wissensmanagements herausstreichen.

    Der innere Kreislauf dieses Modells teilt den Prozess der Einführung des Wissensmanagements in die Komponenten Wissenstransparenz, -erwerb, -entwicklung, -verteilung, -bewahrung und Wissensnutzung auf, der sich der Behandlung der folgenden Fragen widmet:

    • Wissenstransparenz:
      Wie wird Transparenz über intern und extern vorhandenes Wissen im Unternehmen geschaffen?
    • Wissenserwerb:
      Welches Wissen ist extern aufzubauen?
    • Wissensentwicklung:
      Wie wird neues Wissen erworben und aufgebaut?
    • Wissensverteilung:
      Wie wird Wissen an den richtigen Ort bzw. zu den richtigen Mitarbeitern gebracht?
    • Wissensnutzung:
      Wie wird sichergestellt, dass vorhandenes Wissen auch tatsächlich genutzt wird?
    • Wissensbewahrung:
      Wie schützt man sich vor Wissensverlusten?



    Das Bestechende an dem Konzept von Probst und Romhardt ist, dass es den Gesamtprozess in überschaubare Funktionen aufteilt und damit ein an der Praxis orientiertes Vorgehensmodell definiert und den Managementprozess in logische Phasen strukturiert, womit Ansätze für Interventionen bei der Implementierung geboten und Raster für die Suche nach den Ursachen von `Wissensproblemen´ geliefert werden.

    Das Modell soll auch Abhängigkeiten der einzelnen Teilprozesse voneinander verdeutlichen und unterstreichen, dass die einzelnen Bausteine aufeinander einwirken und Maßnahmen des Wissensmanagements nie isoliert betrachtet werden dürfen. Es ist jedoch nicht als lineares Vorgehensmodell zu verstehen, sondern eher als Kreislauf, dem rapid prototyping nicht unähnlich. Denn viele Probleme entstehen, weil die Organisation einem oder mehreren dieser Bausteine zu wenig Beachtung schenkt und somit der Wissenskreislauf gestört wird.

    Ein weiteres Manko vieler Initiativen auf dem Gebiet des Wissensmanagements sind fehlende langfristige Perspektiven. So sind Bemühungen um mehr Wissenstransparenz oder die Dokumentation von Lessons-learnt auf jeden Fall sinnvoll, nur wird ein von einer Wissensstrategie geleitetes Unternehmen solche Bemühungen nur als ersten Schritt sehen, als Fundament auf dem sich aufbauen läßt und nicht um Löcher im Deich zu stopfen. Denn die wachsende Bedeutung von Wissen als kritische Größe des Unternehmenserfolgs macht die Einbeziehung von Wissenszielen in den Katalog der Unternehmensziele notwendig.

    Unternehmensstrategie und Wissenslücken

    Eine Kernaufgabe des Management liegt in der Definition von Unternehmenszielen und deren Umsetzung auf nachgeordneten Ebenen. Eine solche Zieldefinition muss auch am Anfang jedes Wissensmanagements stehen, denn nur auf Basis einer solchen Vereinbarung verbindlicher Wissensziele läßt sich die Entwicklungsrichtung eines Unternehmens vorgeben, umsetzen und kontrollieren.

    Zur Definition der Unternehmensstrategie dient die sog. SWOT-Analyse, mit deren Hilfe die internen Stärken (Strength) und Schwächen (Weakness) einer Firma mit den Möglichkeiten (Opportunities) und Bedrohungen (Threats) in Bezug auf den Wettbewerb beschrieben werden. Auf Basis einer derartigen Analyse können Aktivitäten in die Wege geleitet werden, um Stärken abzusichern, Schwächen zu beheben, Bedrohungen zu vermeiden und Möglichkeiten zu kapitalisieren.

    Gemäß traditionellen Managementmodellen wird die Unternehmensstrategie überwiegend nach Produkt- und Marktgesichtspunkten ausgerichtet, d.h. nach den vorhandenen Produkten, die produziert und den Märkten, die bedient werden. Vor dem Hintergrund dass wissensbasierte Produkte und Dienstleistungen zu Lasten der traditionellen Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit an Bedeutung gewinnen, erfolgt  im Gegensatz zu der Markt- und Produktsicht auf Basis der wesentlichen, spezifischen und schwer kopierbaren Ressourcen und Fähigkeiten - dem Wissen eines Unternehmens also - die strategische Positionierung. Diese wissensbasierte Strategie wird also zu der entscheidenden Plattform, auf der Produkte für die Märkte entwickelt werden. Gerade in Zeiten immer kürzer werdender Produktzyklen und sich schneller verändernder Marktsituationen verspricht eine Strategie, die auf den länger vorhaltenden Fähigkeiten und Ressourcen eines Unternehmens basiert, entscheidende Wettbewerbsvorteile als die traditionelle Markt- und Produktstrategie, zumal eine Firma um so mehr lernen kann, je mehr sie bereits über Wissen verfügt.

    Wissen zusammen mit der Fähigkeit es zu erwerben, zu speichern, transparent zu machen und in den Entwicklungs- und Produktionsprozess zu integrieren wird also zur strategischen Ressource. Der Nachteil eines solchen wissensbasierten Ansatzes liegt hingegen in der Schwierigkeit, Wissen durch Zukauf bzw. Ausbildung zu akquirieren.

    Mit Hilfe einer wissensbasierten SWOT-Analyse lassen sich die Ressourcen und Fähigkeiten deutlich machen und damit sowohl die strategischen Möglichkeiten als auch die Schwächen des Unternehmens besser zu verstehen. Erst dann läßt sich auch eine realistische und umsetzbare Unternehmensstrategie artikulieren und das für diese Strategie notwendige Wissen identifizieren. Ein Soll-Ist-Vergleich der vorhandenen mit den benötigten Wissensressourcen wird die Wissenslücken offenbaren. Die Definition der Wissensziele dient dazu, diese Wissenslücken zu schließen bzw. die Unternehmensstrategie in die Tat umzusetzen.

    Je größer die Zahl der so identifizierten Wissenslücken ist und je bedrohlicher die Geschäftssituation sich vor dem Hintergrund der jetzigen und künftigen Markt- und Konkurrenzsituation darstellt, desto aggressiver muss die Wissensstrategie umgesetzt werden. Denn die Identifikation des eigenen Nichtwissens, der Defizite der Ressourcen und Fähigkeiten, ist wirksamer Auslöser von Lernprozessen, um eben diese Defizite zu schließen. Gelingt dies nicht, muss entweder die Unternehmensstrategie den Ressourcen und Fähigkeiten angepaßt oder es müssen diese fehlenden Fähigkeiten beschafft werden.

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