Persönliche Strategien zum Aufbau einer angstfreien wertschätzenden Unternehmenskultur im Wissenszeitalter - Teil 3

    14. März 2005 von Alexandra Wirnshofer

    In seinem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt Porwollig, dass "in Deutschland nach Gutsherrenart in den Unternehmen regiert wird." (FAZ, 15.02. 2004) Woher rührt diese allgemeine Angst und Unsicherheit? Welche Wege gibt es für Unternehmen, Vertrauen und Sicherheit wieder herzustellen? Welche Rolle spielt dabei Unternehmenskultur? Und was kann der Einzelne dafür tun? Der letzte Teil des Artikel geht auf konkrete Strategien ein, die jeder einzelne anwenden kann, um seinen Beitrag zum Aufbau einer wertschätzenden Wissensökonomie im Wissenszeitalter zu leisten.

    Selbstreflexion und Work-Life-Balance

    Selbstreflexion ist der Schlüssel zu einem selbst. Nur, wer sich selbst reflektiert, weiß, wo er sich in seiner persönlichen Entwicklung befindet. Dazu gehört auch, sich seinen Stärken und Schwächen bewusst zu sein. Man wird sich über seine Wünsche klar und kann entsprechend Ziele setzen. Um diese zu verwirklichen, braucht man viel Energie. Auch wenn man es oft nicht merkt, ist es anstrengend: man muss für entsprechenden Ausgleich sorgen. Es ist hilfreich zu wissen, wo man seine Batterien aufladen kann. Für einige ist es vielleicht die Familie oder Freunde oder ein bestimmter Sport, den jemand ausübt.

    Die Fähigkeit, Höchstleitungen zu vollbringen und sich zu entspannen, gehen Hand in Hand. Menschen, die ihre Grundbedürfnisse nach Entspannung ignorieren, schaden ihrer Gesundheit und riskieren oft ein Burn-out-Syndrom. Schafft man sich keinen persönlichen Freiraum, kann man Erlebtes nicht so gut verarbeiten. Oft ist innere Unruhe die Folge, die sich nach außen in hektischen Interaktionen äußern kann. Man kann systematisch lernen, sich sinnvolle Freizeitbeschäftigungen zu zulegen. In ein Museum zu gehen, Sport treiben oder anderen kreativen Aktivitäten nachzugehen löst Blockaden und inspiriert. Freizeit, wenn sie sinnvoll genutzt wird, ist oft eine gute Gelegenheit, andere Leute mit ähnlichen Einstellungen zu treffen, die einen motivieren, vor allem aber auch bereichern können. Durch gegenseitigen Austausch können sich hervorragend Fähigkeiten und Kompetenzen weiter entwickeln.

    Private Netzwerke spielen auch eine Rolle, sich auf Veränderungen einzulassen. Stabile Rahmenbedingungen sind vor allem für die Leute wichtig, bei denen Veränderungen ein mulmiges Gefühl auslösen. Die einzige Konstante in unserem Leben ist Veränderung und so muss man sich sein eigenes Sicherheitsnetz schaffen. Wenn konstante Arbeitsbeziehungen aufgrund von wechselnden Teams in internationalen Projekten abnehmen, ist die einzige Möglichkeit, sich einen konstanten Bereich in seinem privaten Umfeld aufzubauen. Regelmäßige Aktivitäten und gute Freunde verschaffen Sicherheiten und geben Raum für Besinnung. Sogar Unternehmen sind sich der Bedeutung und des Werts von Pausen bewusst geworden und haben Sabbaticals eingeführt. Diese werden aber nur denjenigen Mitarbeitern gewährt, die zeigen können, wie sie ein Sabbatical gestalten werden, um ihre Fähigkeiten zu verfeinern oder eine Weltreise zu unternehmen, die ihren Erfahrungshorizont erweitert. Unternehmen und Mitarbeiter sollten also gleichermaßen darauf bedacht sein, Arbeit und Privatleben in einer gesunden Balance zu halten. Dies hilft ihnen auch die richtigen Prioritäten für das Unternehmen und sich selbst zu setzen. Was Führungskräfte dazu beitragen können, beleuchtet der nächste Abschnitt.

    Managementeinstellungen und Werte

    Das Bewusstsein des Managements, seinen Mitarbeitern Raum für zwanglose Gespräche und ihnen Autonomie einzuräumen, ist ein entscheidender Faktor, um Ängste abzubauen. Fehler zu tolerieren und sogar zu unterstützen, ist ganz entscheidend: Fehler, die bei neuen mutigen Handeln passieren, sind eine äußerst wertvolle Aktivität, um neues Wissen zu generieren. Ein Unternehmen, das mehr Wissen als in der Vergangenheit generieren will, muss bessere Misserfolge hervorbringen als in der Vergangenheit. Entscheidend ist, dass das Management sich dieser Verantwortung bewusst ist und als Vorbild handelt. Eine fähige Führungskraft kann Fehler eingestehen, ohne andere zu beschuldigen und kann eine offene ehrliche Atmosphäre schaffen. Fehler sind aber nur dann wertvoll, wenn sie sich nicht öfters wiederholen: sonst findet kein Lernen statt. Fehler können auch als Chance zu Veränderung und als Inspiration zu lernen gesehen werden.

    Fordert eine Führungskraft allerdings Offenheit und Vertrauen und verhält sich selbst genau anders herum, wird Vertrauen schnell zerstört. Leider sind viele der Unternehmenszusammenbrüche auf Managerverhalten und Fehler zurückzuführen. Das Vertrauen von Arbeitnehmern und Investoren wurde schwer erschüttert durch die Zusammenbrüche von Enron, Swiss Air, Kirch und Daewoo, um nur einige zu nennen. Dies machte die Corporate Governance Debatte der letzten Jahre hinfällig, da sie sich nur auf Managergehälter und Führungsangelegenheiten konzentrierte [1]. Das sinkende Vertrauen in Unternehmen führt Hall (2004) auf drei Gründe zurück: Gesetze und Regeln, die in Unternehmen einfach ignoriert wurden, fehlende öffentliche Diskussion über Werte und fehlende ethische Führung in Unternehmen [2]. Die Proutfoot Consulting Studie weist sogar nach, dass die niedrige Arbeitsproduktivität von 59 % in Unternehmen sich hauptsächlich auf fehlende Managementqualitäten zurückführen lassen [3]. Weise sind Unternehmen, die erkannt haben, dass es Hauptaufgabe der Führung ist, Mitarbeiter in ihrer persönlichen Entwicklung als Coach zur Seite zu stehen.

    Coaches stehen beispielsweise Berufeinsteigern zur Seite und helfen ihnen, durch ihre Erfahrungen zu lernen. Wissen, das sonst schwer artikulierbar ist, kann so ausgetauscht werden. Coaching ist aber ein Konzept, das Mitarbeiter auch unter einander anwenden können. Jeder hat spezielle Fähigkeiten und Erfahrungen, von denen ein anderer lernen kann. Wie bereits erwähnt, ist Selbstreflexion wichtig, um sich auf seine Stärken besinnen zu können. Für gegenseitiges Lernen ist es außerdem von großer Bedeutung, sich zurücknehmen und sich in den anderen hineinversetzen zu können. Jeder einzelne kann diese Fähigkeiten trainieren, wenn man sich gegenseitig hilft, unklare Sachverhalte zu klären. Man kann sich so gegenseitig helfen, die Veränderungen und Dynamik des jeweiligen Marktes besser zu verstehen. Ohne dass man sich dessen bewusst ist, findet intensives gegenseitiges Lernen statt, oder in anderen Worten: Mitarbeiter haben begonnen, sich gegenseitig zu coachen.

    Co-creativity

    Da man am besten von einander lernt, wird im Folgenden der Einfluss, den zwei Personen auf einander haben, beleuchtet. Was bedeutet Co-creativity, ein Wort, das man oft im Englischen Sprachgebrauch findet [4]? Kreativität (creativity) drückt einen kreativen Prozess aus, der im Kopf stattfindet. Kreativ sein kann als Verbindung zwischen unserer inneren und äußeren Welt gesehen werden. In diesem Zusammenhang sind Kreativität - etwas das wir uns mental vorstellen - und Werte - wie wir die Welt sehen - komplementär und verstärken sich gegenseitig.

    Kreativität ist eine Eigenschaft, die Menschen von Maschinen unterscheidet. Sie ist die Fähigkeit, sich etwas vorzustellen und Dinge im Kopf vorwegzunehmen. Sie beinhaltet auch die Fähigkeit, innere Bilder zu sehen, sich einen Dialog zurechtzulegen oder Lösungen zu komplexen Problemen zu finden. In den meisten Fällen wird Kreativität unbewusst eingesetzt. Uns kommen die besten Ideen, wenn wir es nicht erwarten. Kreativität ist ein mentaler Prozess, der Leute inspiriert und ihr Leben bereichert. Gespräche, Leute, Gedanken, Geräusche, Gerüche und so weiter können neue Ideen hervorbringen. Unsere Fähigkeit, Dinge zu interpretieren und sich vor unserem inneren Auge die tollsten Sachen auszumalen, ist eine unerschöpfliche Quelle für neue Ideen. Will ein Unternehmen also besonders innovativ sein, sollte es die Entwicklung der kreativen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter speziell fördern.

    Die Vorsilbe Co- in Co-creativity leitet sich von dem lateinischen Wort cum her, was soviel bedeutet, wie zusammen. So bedeutet Co-creativity also, dass zwei oder mehr Leute bessere Ideen und Lösungen hervorbringen als ein Einzelner. Mit co-creating wird der kreative Schöpfungsprozess beschrieben, wie zwei oder mehr Menschen einen Einfluss aufeinander haben, ihr kreatives Potential freizusetzen. Die Knowledge Economy ist eine Ökonomie des Überflusses, in der wir Wert schaffen, indem wir auf unseren gegenseitigen Fähigkeiten aufbauen und uns gegenseitig inspirieren. Intensiver wird der Dialog, wenn wir einander nach unseren Wünschen und Hoffnungen fragen. So gibt jeder etwas von sich preis, was einem Vorschuss an Vertrauen gleichkommt. Die meisten Menschen werden sich bemühen, dass sie das in sie gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen. Dadurch schafft man aktiv Rahmenbedingungen für eine offene ehrliche Unternehmenskultur. Fähigkeiten und Zuhörungsfähigkeit werden nicht abgenutzt, im Gegenteil, man verfeinert sie, indem man sich übt.

    Wie weiter oben bereits ausgeführt, wurde im Industriezeitalter Komplexität, die sich beispielsweise in komplexen Arbeitsschritten manifestiert, in Teile zerstückelt, oft in so kleine Puzzleteile, dass das Gesamtbild verloren ging. Die Knowledge Economy söhnt Komplexität und Ganzheit mit einander aus: unsere kreativen Fähigkeiten werden uns helfen, die Teile zu einem Ganzen zusammen zu setzen. Was ein anderer sagt, selbst nur eine Geste, kann etwas in uns berühren, fügt Dinge zusammen und hilft uns, sie in einem Kontext zu sehen. Diese Erkenntnis, dass man auf andere Menschen angewiesen ist, um neue Ideen zu schaffen, und Misstrauen dafür hinderlich ist, braucht Zeit, sich durchzusetzen. Genauso essentiell ist die Erkenntnis, dass Unterschiedlichkeit auch unsere imaginären Fähigkeiten bereichert und die Entstehung von zukunftsfähigen Kompetenzen begünstigt, indem es Wissen aus verschiedenen Quellen und Visionen zusammenbringt. Es ist die Spannung zwischen Verschiedenheit und Einheit, die unsere Kreativität stimuliert. Unser kreatives Potential wird durch zu viel Komplexität erdrückt.

    Co-creativity entsteht durch die Wirkung, die Menschen auf einander haben. Ein Unternehmen, das auf dem Law and Order-Prinzip basiert, vertraut seinen Mitgliedern nicht und blockiert das Ergreifen von Initiativen. Je mehr sich Menschen geachtet und das in sie gesetzte Vertrauen fühlen, umso mehr werden sie ihr wirkliches Potential entfalten. Ein Unternehmen, dessen Unternehmenskultur auf Zusammenarbeit, Fairness und Respekt aufgebaut ist, kann sehen, wie sich Beziehungen zwischen den Mitarbeitern vertiefen. Unternehmenskultur wird durch die Handlungen und mentale Modelle seiner Leute zum Leben erweckt. Die Art und Weise, wie Menschen sich verhalten und wie sie miteinander umgehen, verstärken sich gegenseitig auf positive oder negative Weise. Wenn man sich darüber bewußt ist, dass man die Quelle für Inspiration für andere ist und sich komfortabel in dieser Rolle fühlt, dann wird man sich verantwortlich fühlen, sich gegenseitig bei der Entfaltung von Talenten helfen und diese speziellen Beziehungen pflegen: so wächst man mit dem anderen, das man im Englischen mit Co-produce bezeichnen könnte. Wie man diese Beziehungen pflegen kann, darauf geht der nächste Abschnitt ein.

    Powerful Questions

    Stabile Beziehungen schafft man vor allem, indem man dem anderen zeigt, dass man sich für einander interessiert. Denken Sie an ein Gespräch, wenn jemand Ihnen nicht eine einzige Frage stellte. Haben Sie sich geschätzt und respektiert gefühlt? Was für einen Eindruck hatten Sie von dieser Person? Und bedenken Sie auch die Auswirkungen auf Ihre Bereitschaft, Wissen zu teilen.

    Durch unser Schulsystem sind wir darauf getrimmt, zu sagen, was wir wissen, um den Lehrer zu beeindrucken. Wir denken irrtümlicherweise, dass Fragen zu stellen damit assoziiert wird, dass man zugibt, etwas nicht zu wissen. Man fürchtet, als dumm bezeichnet zu werden. Da scheint es irrelevant zu sein, wie clever die Frage vielleicht war. Oft helfen uns Fragen, die von anderen gestellt werden, etwas im Zusammenhang und im Kontext zu sehen. Sie haben auch das Potential, Wissen wieder neu zu interpretieren. Wie oft waren wir erleichtert, wenn ein anderer eine Frage gestellt hat, die es uns zu peinlich war zu stellen. Folglich kann man sagen, dass oft falsche Annahmen gemacht werden und zu Missverständnissen, Stress, beschädigten Beziehungen oder ungenutzten Möglichkeiten führen [5].

    Was würde sich ändern, wenn man mehr intelligente Fragen stellen würde, auch genannt Powerful Questions. Diese Fragen dienen dazu, die Zusammenhänge und Gründe für Wissen aufzudecken. "Die starke Frage bedeutet, hilf mir Dein Denken zu verstehen, wie kamst Du zu diesem Entschluss?" [6] Infolgedessen merkt das Gegenüber, dass man sich nicht nur für das Wissen interessiert, sondern auch für die Art und Weise, wie man zu dieser Schlussfolgerung kam. Nachdenken ist nämlich harte Arbeit und wird als solche oft nicht anerkannt. Durch die Powerful Question wird die Person aufgefordert, die Verbindungen in ihrem Kopf zu erklären, die schließlich zur Schlussfolgerung geführt haben.

    Merkt man, dass andere den eigenen Gedankengängen zustimmen können, fühlt man sich in seinem Denken bestätigt und anerkannt. Das Selbstwertgefühl wird positiv beeinflusst. Diese aufgedeckten Zusammenhänge sind für den Zuhörer wie Geschichten, die man sich leichter merken kann, weil sie auf persönlichen Erfahrungen beruhen. Man kann so leichter lernen. Außerdem wird dadurch das kreative Denken angeregt. So wird ein tiefes gegenseitiges Verständnis aufgebaut und Misstrauen und Angst entsprechend verringert.

    Denken Sie einen Augenblick an die Implikationen, die dies für Wissensaustausch hat: Man lernt gleichzeitig durch Zuhören und Verstehen. Die erzählte Geschichte kann auch wertvolle Informationen über die Gründe von Misserfolgen enthalten. Powerful Questions ermöglichen einen Vergleich verschiedener Perspektiven: Beziehungen werden gestärkt und Missverständnisse reduziert. Diese Fragen entfalten ihr volles Potential nur, wenn man sich nicht ausgehorcht vorkommt und nur so viel preisgibt, wie man wirklich will. So wird Wissen personalisiert. Implizites Wissen wird somit leichter artikulierbar gemacht, eine große Herausforderung, vor der Unternehmen im Zusammenhang mit implizitem Wissen stehen. Denn gerade in diesem unartikulierten Wissen liegt der Wettbewerbsvorteil von vielen Unternehmen begründet, man denke da nur an das Unternehmen Coca-Cola, das es bis heute geschafft, das Rezept für Cola wie seinen Augapfel zu hüten.

    Von Erfolgsgeschichten lernen

    Und was würde passieren, wenn man Menschen nach ihren Erfolgsgeschichten fragt? Es bestärkt sie in Situationen, in denen sie sich gut fühlten und erinnert an die Rahmenbedingungen, die zu dem positiven Gefühl beigetragen haben. So lernen Menschen, sich selbst ähnliche Situationen zu schaffen, in denen sie sich am besten entfalten können. Sich auf Problemlösungen zu konzentrieren ist vergangenheitsorientiert und führt selten zu neuen Ideen, weil wir nur nach bekannten Wegen suchen, Probleme zu lösen anstatt neue Lösungen anzustreben. Nach Ursachen zu forschen führt unweigerlich auch dazu, dass nach einem Schuldigen gesucht und dieser meistens auch gefunden wird. Die Folge sind Vorwürfe, die am Selbstwertgefühl nagen. Hat man in besten Absichten gehandelt, wollte etwas Positives für das Unternehmen erreichen und wird bei Misslingen dafür "bestraft", wird man in Zukunft von solchem eigentlich positiven Verhalten Abstand nehmen. In vielen Unternehmen ist Ausprobieren und das Ausscheren aus normalen Rastern auch nicht erwünscht. Dabei gehören große Leistungen und Scheitern zusammen. Aus Routinen entwickeln sich nur selten Innovationen. Querdenken wird häufig als Querulantentum angesehen. Unter solchen Umständen fühlen sich Mitarbeiter nicht motiviert, neue Ideen zu testen. Im Gegenteil, sie fühlen sich unwohl und haben möglicherweise Angst vor angekündigten Strafen. Für den Einzelnen ist es ein mühsamer Prozess, sein Selbstwertgefühl nach einem Scheitern wieder aufzubauen, was zweifelsfrei auf die Kosten von Kreativität und Motivation geht.

    Warum konzentrieren wir uns also auf Fehler und schlechte Erfahrungen, die unsere kreative Energie blockiert? Was wir heute in vielen Unternehmen finden, ist eine gering schätzende, ja sogar verachtende Kultur, anstatt einer wertschätzenden [7]. Probleme werden nicht wirklich von der Wurzel her gelöst, sondern es wird nur an der Oberfläche herumgedoktert, um gute Ergebnisse im nächsten Quarterly Report präsentieren zu können, auch wenn Mitarbeiter genau wissen, dass Ergebnisse beschönigt wurden. Die meisten fühlen sich dabei wahrscheinlich nicht gut. Diese kurzfristige Orientierung birgt das Risiko, schwerwiegende Fehler zu akzeptieren, die die Firma auf lange Sicht ruinieren können [8]. Wichtige Entscheidungen werden vertagt. Unbewusst merken aber viele Mitarbeiter, "dass da etwas nicht stimmt." Selbstverständlich müssen viele Probleme dann angepackt werden, wenn sie akut sind, aber man muss aufpassen, dass man nicht Chancen verpasst, die sich am Horizont auf tun. Es besteht die Gefahr, dass das Engagement abnimmt, wenn den Mitarbeitern klar wird, dass keine langfristige strategische Planung erfolgt. Außerdem fühlen sich Menschen nicht motiviert, wenn nur Fehler und Misserfolge angesprochen werden, und Leistungen und Erfolge kaum erwähnt werden.

    Wenn man fühlt, dass man geschätzt und Vertrauen in einen gesetzt wird, dann fühlen sich mehr und mehr Leute motiviert, sich gegenseitig in ihrem Tun und ihrer Persönlichkeit zu bestärken, weil es ihnen Spaß macht, ihre positiven Erfahrungen zu teilen: sie bauen auf einander auf, was ihr persönliches Wohlbefinden steigert. So verändert sich die mentale Atmosphäre und Vertrauen stellt sich auf natürliche Weise ein. Wenn jeder Einzelne die Wichtigkeit seines eigenen Verhaltens zum Aufbau einer Wertschätzenden Unternehmenskultur erkennt und sich seiner Wirkung auf andere bewusst ist, dann wird die Unternehmenskultur zum Leben erweckt. Dort nämlich, wo zwei Menschen mit einander in Interaktion treten, wird bereits eine Kultur geschaffen. Was sind aber die Grundvoraussetzungen für eine wertschätzende Unternehmenskultur?

     

    Anerkennung und Dank

    Solange Wissen mit Macht assoziiert wird und Manager nur an dem Endergebnis interessiert sind, werden Fach- und auch Führungskräfte zögern, ihr Wissen zu teilen oder sich auf eine ehrliche Reflexion einzulassen, weil sie fürchten, dass ihr Input andere inspiriert, die ihre Lorbeeren einheimsen. Das Paradox besteht weiterhin, dass Kollegen um die nächste Beförderung untereinander kämpfen, aber dass aufrichtige Zusammenarbeit erforderlich ist, um neue Ideen hervorzubringen. "Wissensaustausch erfordert ein faires Verhalten, das Einzelne in Gruppen von zwei und mehr Personen zeigen." [9] Dazu gehört vor allem, dass man sich bei einander bedankt und auch Anerkennung zeigt. Ein einfaches Danke bewirkt Wunder und spornt Mitarbeiter zusätzlich an. Viele Studien belegen eindrucksvoll, dass Mitarbeiter durch Dank, Anerkennung, in sie gesetztes Vertrauen und herausfordernde Aufgaben mehr motiviert werden als durch monetäre Anreize. Jedoch sollten sich Unternehmen genau Gedanken machen, ob die Belohnungen, die in Aussicht gestellt werden, auch tatsächlich die Bedürfnisse der Mitarbeiter ansprechen. Ein Facharbeiter wird sich über eine satte Prämie mehr freuen, als eine Mitarbeiterin, die Beruf und Familie vereinbaren möchte [10]. Vielleicht kann man es so formulieren, dass Mitarbeiter sich besonders dann für das Unternehmen einsetzen werden, wenn sie dem Unternehmen dankbar sind. Dankbar werden sie sein, wenn das Unternehmen es verstanden hat, sich in den Mitarbeiter hineinzuversetzen.

    Ein kleines Beispiel gefällig? Wenn beispielsweise ein Projekt abgeschlossen wurde und das Projektteam hart dafür gearbeitet hat, es entsprechend erfolgreich abzuschließen, sollte sich der Projektmanager am Ende bei allen bedanken, die in dem Projekt mitgewirkt haben. Die Anerkennung, dass ohne ihren Beitrag das Projekt niemals erfolgreich zum Abschluss gekommen wäre, würde einen gewaltigen Unterschied machen und dazu beitragen, eine wertschätzende Unternehmenskultur aufzubauen. Dies ist, wie sich Leute geschätzt fühlen und motiviert sind, teilzunehmen. Natürlich ist klar, dass am Ende eine Person das Ergebnis präsentieren muss, aber wenn es zur Norm wird, alle Projektbeteiligten aufzulisten und ihnen öffentlich zu danken, erscheint dies als eine gute Voraussetzung eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Wissensteilung unterstützt. Wichtig ist auch zu erkennen, dass Wertschätzung mit kleinen Dingen anfängt. Ein Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens, das ich für meine Masterarbeit interviewte, grüßt jeden Mitarbeiter persönlich mit einem Handschlag. Ein anderes Unternehmen sieht die Wertschätzung von Mitarbeitern als Hauptaufgabe von Führungskräften und als Voraussetzung, ein lernendes Unternehmen zu werden. Indem man einander Respekt entgegen bringt, findet man einen Weg in das Herz von anderen und trägt dazu bei, eine Kultur der Wertschätzung zu schaffen.

    Fazit

    Wahr ist, dass die Anforderungen an Menschen sich in der Wissensökonomie geändert haben: Autonomie, Eigeninitiative, Unternehmertum, ganz allgemein neue Rahmenbedingungen. Vielen Menschen jagt das Angst ein.

    Vergegenwärtigt man sich aber, dass vor allem zwischenmenschliche Fähigkeiten und Beziehungen in der Wissensökonomie entscheidend sind und erkennt jeder einzelne an, dass man selbst die Beziehungen in seinem eigenen Umfeld gestalten kann, schafft man sich ein eigenes Sicherheitsnetz. So verliert die neue Zeit an Komplexität.

    Die beschriebenen persönlichen Strategien mögen im ersten Moment banal klingen. Sich Zeit zu nehmen für sich selber und die eigene Situation zu reflektieren, erscheint paradox in einer Zeit, in der sich immer alles schneller dreht. Durch Selbstreflexion nimmt man den Ereignissen das Tempo: Es kommt darauf an, wie ich die Dinge wahrnehme. Nicht umsonst haben Ratgeber zur schnellen Entspannung am Arbeitsplatz derzeit Hochkonjunktur. Fragen zu stellen, wenn man etwas nicht weiß, ist nicht gerade revolutionär, aber es kommt auf den Fragegehalt an und wem man sie stellt. Findet die Frage den richtigen Adressaten, ergibt sich zumindest die Chance für einen fairen Austausch. Oft nimmt man sich nicht einmal die Zeit, sich für Beiträge zu bedanken - dabei ist es gerade dieses kleine Feedback, das so viel verändert.

    An den Rahmenbedingungen kann man wenig ändern, wohl aber an der eigenen Wahrnehmung und dem Umgang miteinander.

    Fußnoten

    [1] Booz Allan Hamilton Study, July 2003, S. 3 ff

    [2] Hall, B. 2003 in www.axioplex.com.

    [3] Proudfoot Consulting, 2002

    [4] Savage, C. , S. 286

    [5] Walter, J. in in www.inc.com/articles/2001/09/23385.html [accessed on 28th April, 2004

    [6]www.corante.com/ideaflow/archives/2004/02/17/ how_powerful_questions_drive_knowledge_sharing_knowledge_creation.php (posted by Hopkins, R.)[accessed on 28th April, 2004]

    [7] Lukas, A. (1995), S. 172

    [8] Lukas, A. (1995), S. 172

    [9] Hendriks, P. (2004), S. 5

    [10] www.vorgesetzter.de/motivation/motivationstechniken/topnews05373.html

    Quellenangaben

    Printmedien

    Booz Allan Hamilton Study (2003), Munich.

    Hall, B. P. (2003a), Preventing Corporate Dis-Integrity: How Values can Dramatically Improve Company Performance, 2003, February 6th, pp. 1 - 23, retrieved: 2004, April, 2nd from www.axioplex.com.

    Hendriks, P. (2004) Assessing the Role of Culture in Knowledge Sharing, pp. 1- 25 presented on the "The Fifth Conference on Organizational Knowledge, Learning, and Capabilities in Innsbruck", 2nd - 3rd April, 2004.

    Lukas, A. (1995), Abschied von der Reparationskultur: Selbsterneuerung durch ein neue Miteinander, Frankfurter Allg., Frankfurt a. Main; Gabler, Wiesbaden.

    Proudfoot Consulting (2002), Untapped potential - the barriers to optimum corporate productivity, Global Productivity Study, 2002.

    Savage, C. M. (1996), Fifth generation management: co-creating through virtual enterprising, dynamic teaming and knowledge networking, Butterworth-Heinemann, Woburn.

    Internet

    www.inc.com/articles/2001/09/23385.html (28.04.2004)

    www.corante.com/ideaflow/archives/2004/02/17/ how_powerful_questions_drive_knowledge_sharing_knowledge_creation.php (posted by Hopkins, R.) (28. April 2004)

    www.vorgesetzter.de/motivation/motivationstechniken/topnews05373.html (07.Dezember 2004)

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