Neue Ideen von älteren Mitarbeitern – ein ungewöhnlicher und zunehmend alltäglicher Innovationsvorgang

    29. März 2010 von Nora Dörr

    Innovationen bedeuten Neuerung und werden oftmals mit jugendlicher Dynamik gleichgesetzt. Aber wer ist an der Realisierung von Innovationen tatsächlich beteiligt? Die Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft unterliegt wie die Bevölkerung einem demographischen Wandel. Welche Aufgaben stellen sich also, um diesem Wandel gerecht zu werden und die Mitarbeiter im Sinne der Organisation zu entwickeln? In diesem Artikel werden mit Hilfe des Promotorenmodells und verschiedener Typen von Innovatoren Handlungsempfehlungen für die zukünftige Arbeitswelt entwickelt.

    Dieser Beitrag wurde im Open Journal of Knowledge Management, Ausgabe I/2010 veröffentlicht und wurde mit 1. Platz ausgezeichnet.


    Innovation und Jugend

    Innovationen werden im Allgemeinen meist als neue Produkte wahrgenommen. Zwar zählen zu den Innovationen auch Neuerungen in den Bereichen Dienstleistung und Verfahren, doch diese treten im Blick der Öffentlichkeit eher in den Hintergrund. Meist soll mit dem Begriff „Innovation“ etwas grundlegend „Neues“ beschrieben werden. Die Öffentlichkeit verbindet mit dem Wort „Innovation“ überwiegend positive Assoziationen. Aber die Öffentlichkeit verbindet mit Innovationen ebenfalls Jugend(-lichkeit), Modernität und Dynamik. Meist werden Innovationen auch als Arbeitsergebnis junger, jugendlich frischer Mitarbeiter angesehen. Stichprobenartige Untersuchungen unter Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden haben dieses Bild der Öffentlichkeit von Innovationen bestätigt.1 Aber ist dieses Bild der Öffentlichkeit richtig oder können Innovationen auch durch ältere Mitarbeiter ermöglicht und gefördert?

    Dieser Artikel untersucht die aufgestellten Fragen aus der Sicht des Innovationsmanagements. Dieses setzt sich mit der systematischen Planung, Steuerung und Kontrolle von Innovationen in Organisationen auseinander. Da sich das Management von Innovationen mit den spezifischen Aspekten des Umgangs und der Verknüpfung von (Mitarbeiter ) Wissen beschäftigt, kann es als besondere Form des Wissensmanagements betrachtet werden.

    Der Einfluss der Mitarbeiter

    Die Mitglieder einer Organisation können auf zwei verschiedene Arten Einfluss auf Innovationen haben. Zum Einen können Sie einen Beitrag zur erfolgreichen Ideenreifung und –umsetzung leisten, zum anderen können sie als Ideengeber selbst der Ursprung der Innovation sein.

    Der Einfluss der Mitarbeiter auf die Innovation findet unmittelbar statt. Ideen und die kreative Nutzung von Wissen stellen selbst noch keine Innovation dar. Denn erst die Umsetzung (Invention), welche schließlich in eine möglichst erfolgreiche Vermarktung (Diffusion) mündet, ist als Innovation zu verstehen.2 Um den prozessualen Ablauf der einzelnen Phasen von der Idee zur Innovation zu durchlaufen und das Innovationsprojekt zum Erfolg zu bringen sind Menschen notwendig. Damit haben die Mitarbeiter der Organisation direkten Einfluss auf die Innovation und ihr Gelingen oder Scheitern. So sind es die Erfahrungen und das Wissen der Mitarbeiter, welche die einzelnen Projekte voranbringen. Dadurch sind die Mitarbeiter direkt in den Ablauf eingebuden (würde ich lieber voll ausschreiben) und mit dem einzelnen Projekt verbunden. Als besonderes Beispiel kann das Promotorenmodell nach Witte und Hauschildt herangezogen werden. Promotoren setzen sich aktiv und intensiv für Innovationsprojekte ein, ihre Hauptaufgabe liegt in der Überwindung von Willens- und Fähigkeitsbarrieren während der Umsetzungsphase. Willensbarrieren stellen die Verweigerung von Ressourcen zur Verwirklichung der Projekte dar. Bei Fähigkeitsbarrieren fehlt es im Innovationsprozess für Verständnis gegenüber dem Prozess selbst und alternativer Lösungen. Zur Überwindung der Barrieren können verschiedene Promotorentypen herangezogen werden:

    • Machtpromotoren treiben Innovationsprojekte aufgrund ihrer hierarchischen Macht basierend in ihrer Stellung innerhalb der Organisation voran.
    • Fachpromotoren verfügen über ein weitreichendes fachliches Verständnis, ihre Position in der Organisation ist für ihr Engagement und ihren Erfolg unerheblich, da sie ihr Fachwissen weitergeben und Lösungsansätze entwickeln.
    • Prozesspromotoren haben ein tiefes Verständnis für die Struktur der Organisation und können den mit einer Innovation verbundenen Veränderungsprozess damit indirekt beeinflussen.
    • Beziehungspromotoren verfügen über ein großes persönliches Netzwerk und erreichen dadurch sowohl innerhalb als auch außerhalb einer Organisation die idealen Personen um ein Innovationsprojekt voranzutreiben.
    • In einem Promotorengespann arbeiten einzelne Promotoren mit verschiedenen Spezialgebieten zusammen, oder aber eine Person vereint verschiedene Gebiete auf sich.3

    Das Beispiel des Promotorenmodells zeigt, dass es die Mitarbeiter direkt sind, die Einfluss auf die Ideen, ihre Umsetzung und somit den Markterfolg als Innovation haben.

    Aber zum anderen sind es die Mitarbeiter selbst, die als Anstoß einer Innovation aktiv werden und ihre Ideen einbringen. Mitglieder einer Organisation sind also auch Ursprungspunkt für Innovationen. So werden vier verschiedene Typen von Mitarbeitern innerhalb einer Organisation gesehen:

    • Innovatoren aus Leidenschaft,
    • Innovatoren per Arbeitsauftrag,
    • Innovatoren durch Ermutigung,
    • Innovatoren aus Pflicht.

    Die erste Gruppe von Innovatoren sind meist Tüftler, Erfinder und Querdenker, die über eine hohe Eigenmotivation verfügen. Die zweite Gruppe sind berufliche Forscher und Entwickler, die regelmäßig über einen spezifischen Arbeitsauftrag motiviert innovativ arbeiten. Innovatoren aus Ermutigung heraus verfügen zwar grundsätzlich über die notwendigen Fähigkeiten (es liegen also keine Willens- oder Fähigkeitsbarrieren vor), aber sie wagen sich nicht in unbekanntes Gebiet vor. Die vierte Gruppe schließlich, die Innovatoren aus Pflicht, sind gehemmt und nicht von sich selbst aus zu innovativen Veränderungen zu bewegen.4

    Aufgaben für die Zukunft

    Aber wie sind ältere Mitarbeiter bereits jetzt in ihre Organisation eingebunden? Welche Aufgaben lassen sich aus dem Einsatz des Promotorenmodells oder den vier Typen von Innovatoren für das Wissens- und Innovationsmanagement ableiten?

    Der Altenquotient (Personen im Rentenalter zu hundert Personen im erwerbsfähigen Alter) beträgt aktuell (im Jahr 2005) 32, bis zum Jahr 2030 wird er auf 50 bis 52 steigen und schließlich im Jahr 2050 bei 60 bis 64 liegen. Aktuell sind die meisten Erwerbstätigen zwischen 35 und 49 Jahren alt, während junge und ältere Arbeitnehmer etwa gleichhäufig vertreten sind. Doch auch dieses Verhältnis wird sich wandeln. So wird es zukünftig etwas weniger junge Arbeitnehmer und Arbeitnehmer mittleren Alters geben. Aber der Anteil der älteren Arbeitnehmer wird beträchtlich steigen. Sie werden in Zukunft die meisten Erwerbstätigen überhaupt stellen.

    Entwicklung der Altersstruktur

    Bereits im Jahr 2005 empfahl die Kommission des 5. Altenberichts der Bundesregierung deshalb einen Paradigmenwechsel. So muss aus Sicht der Kommission eine Abkehr vom vorzeitigen Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben, sei es auf freiwilliger (Altersteilzeit) oder unfreiwilliger Basis (Arbeitslosigkeit), erfolgen. Ältere Arbeitnehmer werden zunehmend wichtiger für die Unternehmen.5

    Dieser Trend wurde bereits 2009 mit Hinblick auf Wissen und Innovationen bestätigt. Denn im Rahmen des DEKRA Innovationsbarometers wurde festgestellt, dass Unternehmen ohne Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern weniger als 10% aller Ideen erfolgreich am Markt platzieren. Findet hingegen ein regelmäßiger Austausch zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern statt sind es bereits rund 20% aller Ideen. Gibt es in der Organisation mehr ältere Mitarbeiter (>49 Jahre) als junge Mitarbeiter (<36 Jahre), sind es sogar 3 von 10 Ideen die sich als Innovationen am Markt durchsetzten.6

    Aus diesen Zahlen lassen sich zunächst einige allgemeine Hinweise ableiten.

    Im Hinblick auf das Promotorenmodell ist es geradezu selbstverständlich, dass die Anwendung mit der Verfügbarkeit geeigneter Mitarbeiter steht und fällt. Nur wenn es im Unternehmen Mitarbeiter gibt, welche über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen um als Promotor zu agieren, können diese auch entsprechend eingesetzt werden. Und gerade in den spezifischen Fähigkeiten für Promotoren zeichnen sich ältere Mitarbeiter aus. Sie verfügen über ein hohes Erfahrungswissen (z.B. einer vorrausschauenden Planung des Arbeitsvollzuges, einem hohen Prozess-, Produktions-, Funktions- und Organisationsverständnis), über großes Engagement (welches sich durch aktive Mitarbeit oder auch eine Identifikation mit dem Produkt und Betrieb zeigt) und Kompetenz (selbständige Planung und Organisation, aktive Kommunikation und Kooperationswillen). Ergänzend dazu ist es auch die mittlerweile erreichte Position im Unternehmen durch die ältere Mitarbeiter zu einem Machtpromotor werden können. Ihr Spezialwissen bezüglich der Dienstleistung oder des Produktes des Unternehmens kann sie in die Position eines Fachpromotors bringen. Durch ihre relativ lange Verweildauer in der Organisation verfügen ältere Mitarbeiter über ein großes Netzwerk und können so als Beziehungspromotor eingesetzt werden. Um diese für Vorbilder und Förderer essentiellen Fähigkeiten optimal zum Wohle der Organisation einzusetzen müssen die Mitarbeiter auf ihre Aufgaben als Innovationspromotor zunächst vorbereitet werden. Diese Vorbereitung liegt vor allem in der Verantwortung der Führungspersonen. Sie müssen das Unternehmen als Ganzes, die Unternehmenskultur und die einzelnen Mitarbeiter zu einem positiv fordernden Umgang mit Innovationen hin entwickeln.

    Die jeweilige Unterstützung für die verschiedenen Typen von Innovatoren kann dabei ganz unterschiedlich angelegt sein:

    • für Innovatoren aus Leidenschaft müssen die Arbeitsplätze offen und möglichst kreativ gestaltet werden, sie müssen ihren Ideen und Projekten nachgehen können;
    • Innovatoren per Auftrag sollten zunächst durch einen möglichst expliziten Arbeitsauftrag motiviert werden, weiterhin sollten etwaige Hemmnisse abgebaut werden
    • Innovatoren durch Ermutigung benötigen motivationale Unterstützung, hier müssen vor allen die Vorgesetzten fordern und gegebenenfalls fördern;
    • Innovatoren aus Pflicht müssen durch konkreten äußeren Druck der Organisation zur Teilnahme gezwungen werden. 4

    Aus diesen eher allgemeinen Empfehlungen lassen sich nun einige konkrete Aufgaben vor allem für das Innovationsmanagement mit älteren Mitarbeitern in Organisationen, aber auch für die Ausbildung von jungen Menschen ableiten.

    Ältere Mitarbeiter als wichtige Quelle und Ressource für Innovationen müssen verstärkt in Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen einbezogen werden, um ihre Arbeitsfähigkeit im Hinblick auf sich ändernde Rahmenbedingungen zu erhalten. Dabei sollten Mitarbeiter auf übergeordnete Schlüsselqualifikationen, flexible Fach- und Methodenkenntnisse hin geschult werden. Damit sind sie für häufigere Änderungen durch neue Technologien, Organisations- und Ablaufstrukturen gerüstet. Weiterhin muss die persönliche Einstellung der Organisationsmitglieder entwickelt werden. Die Bereitschaft zum Risiko und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung sind besonders für ein erfolgreiches Innovationsmanagement wichtig. Die Persönlichkeit der Mitarbeiter kann auch durch erweiterte Arbeitsaufträge, die Schaffung von Zeit- und Handlungsspielräumen (zum selbständigen Lernen, Üben und Entwickeln) positiv beeinflusst werden. Besonders wichtig sollte es im Hinblick auf ältere Mitarbeiter auch sein, präventive Gesundheitsförderung anzubieten. Durch verschiedenste Maßnahmen (z.B. Schutzimpfungen, Ernährungsberatungen, Gesundheitschecks oder Methoden zur Entspannung und Stressbewältigung) kann die körperliche und seelische Gesundheit der Mitarbeiter langfristig gesichert werden, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten.

    Im Hinblick auf die Ausbildung zukünftiger Arbeitnehmer hingegen ist es wichtig, dass gezielt Fallbeispiele mit „untypischen“ Innovatoren dargestellt werden um am konkreten, positiven Beispiel zu sensibilisieren. Ein Positivbeispiele für Innovatoren im hohen Alter ist beispielsweise Peter Floriancic, der Erfinder des Plastik-Reißverschlusses, des Pumpzerstäubers und eines ersten Airbags. Aber auch Artur Fischer (Fischer-Dübel und kompostierbares Kinderspielzeug) oder der weitaus bekanntere Thomas Alva Edison (Phonograph, Glühbirne, Betonfertighäuser, Alkali-Batterie) sind nur einige, die sich hier eignen. Die heutige und zukünftige Generation von Studenten muss für die intensive Zusammenarbeit mit älteren Arbeitnehmern sensibilisiert und vorbereitet werden. Der Austausch zwischen jungen und älteren Arbeitnehmern wird in einer stets komplexer werdenden Arbeitsumgebung für alle Beteiligten von großer Bedeutung sein. Gerade deshalb sollte das öffentliche Bild von überwiegend jungen Innovatoren bereits möglichst frühzeitig (also während der Ausbildung) aufgebrochen werden, um so einen optimalen Rahmen und eine ideale Ausgangsposition für den Einstieg in die reale Arbeitswelt zu schaffen.

    Das Innovationsmanagement (und die entsprechende Ausbildung) als Spezialfall des Wissensmanagements muss also nicht mit einigen wenigen Mitteln auf eine einzelne Gruppe von Mitarbeitern eingehen, sondern ein umfangreiches Instrumentarium entwickeln und anwenden um Innovationen auch in der Zukunft zu ermöglichen und zu fördern.

    Literatur

    1 Dörr, Nora (2009): Gespräch mit Frau Prof. Verworn, Professorin für Betriebswirtschaftlehre/Management und Organisation.

    2 Müller-Prothmann, Tobias, Dörr, Nora (2009): Innovationsmanagement, Hanser.

    3 Hauschildt, Jürgen (1997): Innovationsmanagement, 2. Auflage, Vahlen.

    4 Holz, Melanie, Da Cruz, Patrick (2007): Demografischer Wandel in Unternehmen, Gabler.

    5 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): Altenbericht in Dialog.

    6 DEKRA, European Business School (2009): DEKRA Innovationsbarometer 2009.

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