Erfahrungsbericht: Wissensmanagement im Projekt mit Wikis

    27. Juni 2012 von M. A. Luka Peters

    Der folgende Artikel beschreibt, wie ein Wiki als zentrales Dokumentations- und Kommunikationswerkzeug im Rahmen eines wissenschaftlichen E-Learning-Projekts eingesetzt wurde und zeigt, wie vielfältig die Aufgaben sein können, für die ein Wiki nützlich ist. Neben dem internen Einsatz unterstützte das Wiki zudem die Kommunikation zwischen den verschiedenen Standorten und mit externen Netzwerkpartnern. Das Fazit des Beitrags beschreibt nicht nur die im Projekt erlebten Vorteile, sondern weist auch auf die kritischen Aspekte hin, die den erfolgreichen Einsatz eines Wikis im Wissensmanagement gefährden können.

    Dieser Beitrag wurde im Open Journal of Knowledge Management, Ausgabe V/2012 veröffentlicht.


    Ausgangssituation/Problemstellung

    Projekte mit mehreren Partnern an unterschiedlichen Standorten stellen eine besondere Herausforderung an die Kommunikation und Sicherung des gemeinsam erarbeiteten Wissens dar. In einem solchen standortübergreifenden Projekt, mit den Hauptstandorten Osnabrück und Braunschweig, war der Autor 2010 und 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter aktiv. Die wesentlichen Ziele des Projektes waren der Ausbau bereits bestehender Personalqualifizierungen für das Lehrpersonal niedersächsischer Hochschulen und die Intensivierung des Marketings für das Weiterbildungsprogramm, darüber hinaus wurde ein Wettbewerb für multimediale Lehrkonzepte durchgeführt. Das Projekt setzte sich personell aus 4 hauptamtlich Beschäftigten zusammen. Darüber hinaus gab es in Form eines Netzwerks weitere Akteure aus verschiedenen Hochschulen des Landes.

    Projektaufgaben, Kommunikation und Entscheidungen sollten von Anfang an transparent für alle Beteiligten dokumentiert werden, um einerseits die Fortschritte des Vorhabens beobachten zu können und andererseits für nachfolgende, ähnliche Projekte einen Wissenstransfer zu ermöglichen. Es war daher notwendig, ein zentrales Dokumentationswerkzeug einzusetzen, das von überall her erreichbar ist, einfache Lese- und Schreibmöglichkeit bietet und zugleich gewährleistet, dass nur autorisierte Personen Zugriff haben.

    Knapp bemessene Personal- und Zeitressourcen erforderten es darüber hinaus, Zusammenkünfte in maximal monatlichem Turnus anzusetzen. Weitere Treffen wurden als Videokonferenzen durchgeführt. Alle Gesprächsergebnisse fanden wiederum Eingang in die Projektdokumentation im Wiki.

    Das Projekt wurde aus Landesmitteln gefördert, damit verbunden war ein Zwischenbericht zur hälftigen Projektlaufzeit sowie ein Abschlussbericht an das fördernde Ministerium. Auch zuvor gut formulierte Aufgaben zergliedern sich im Arbeitsalltag erfahrungsgemäß in viele kleinere Teilaufgaben, unerwartete Aspekte kommen hinzu, während anderes wegfällt. Wer schon in komplexen Projekten gearbeitet hat, weiß, dass gerade diese Details schnell vergessen sind und es aufwändig ist, Monate später für einen Bericht die segmentierten Schritte wieder nachzuvollziehen. Die konstante Dokumentation während der gesamten Projektlaufzeit sollte auch dieses Problem lösen.

    Maßnahme

    Die skizzierten Bedingungen - zentrale Zugänglichkeit, geschlossene Benutzergruppe, leichte Bedienbarkeit, Dokumentationsfähigkeit – erfüllt ein Wiki . Da alle Projektmitarbeiter und -mitarbeiterinnen über Erfahrung mit Wikis verfügten, war keine Einarbeitung mit diesem Werkzeug notwendig. Die gewählte Software wird bereits seit mehreren Jahren an der Universität Osnabrück eingesetzt und konnte auf deren Servern ohne nennenswerten Aufwand genutzt werden. Ein versierter Projektkollege ergänzte das Wiki um die Funktion eines einfach zu bedienenden Aufgaben-Managements. Dies ist insgesamt eine ungewöhnlich vorteilhafte Situation, durch die sofort zum Projektbeginn mit der Dokumentation begonnen werden konnte.

    Zur optimalen Orientierung im Wiki haben wir eine inhaltliche Struktur vorbereitet, die die Steps des Projektplans spiegelte. Auf diese Weise waren das Gantt-Diagramm des Projekts und unser Wiki äquivalent, was der Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Projektverlaufs zusätzlich zugutekam. Die Struktur stellte sich in der Navigation des Wikis dar, so dass ein schneller Zugriff auf die Themen und die darin verfassten Einträge möglich war.

    Das Wiki wurde von uns für die Dokumentation verschiedener Aktivitäten und Daten genutzt. Ziel hierbei war es, alle am Projekt Beteiligten, also nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die vernetzten Akteure, kontinuierlich über den aktuellen Stand der Fortschritte und die nächsten Maßnahmen informiert zu halten und auf diesem Wege auch eine aktive Einmischung zu ermöglichen.

    Allgemeine Projektorganisation und -dokumentation

    Für die organisatorische Übersicht waren die Bürozeiten aller Projektmitarbeiter ebenso dokumentiert wie die Urlaubszeiten. Die Einbindung des Projektantrags sowie des Meilensteinplans gab allen Beteiligten  und Interessierten mit Zugriffsrecht die Möglichkeit, jederzeit aktuelle Aktivitäten mit den geplanten Schritten abzugleichen.

    Ergebnisprotokollierung

    Alle Gespräche, sowohl die real vor Ort als auch die virtuell in Videokonferenzen geführten, wurden in Form von Ergebnisprotokollen im Wiki dokumentiert. Es gab jeweils, wie üblich, einen Protokollanten. Sein Wiki-Eintrag wurde anschließend von den anderen Teilnehmern des Treffens durchgesehen und, wo nötig, ergänzt. Da Wikis generell eine automatische Versionierung jeder Seite erstellen, lässt sich direkt im Wiki nachvollziehen, wer was (und wann) an einem Text geändert hat. Etwas ungewöhnlicher im Vergleich mit üblichen, statischen Protokollen war die teilweise sich an einzelne Punkte anschließende Diskussion. Das fand aber nur in geringem Maß statt, da schnell klar wurde, dass dieses Medium nur bedingt für Debatten tauglich ist.

    Aufgabenmanagement

    Basierend auf den protokollierten Entscheidungen wurden mit der oben erwähnten zusätzlich eingebundenen Funktion Aufgaben-Listen erstellt. Durch die Zuweisung von Zuständigkeit, Priorität und Fortschrittsstatus nutzte uns der Aufgabenmanager im Wiki als Kontrollinstrument über die Durchführung der Aufgaben.

    Kollaborative Textentwicklung

    Üblicherweise werden in Projekten mit verschiedenen Partnern die gemeinsam zu veröffentlichenden Texte detailliert abgestimmt. Auch hierfür konnten wir das Wiki produktiv nutzen. Besonders im Zusammenhang mit dem ausgeschriebenen landesweiten Wettbewerb war das sehr hilfreich, da wir nicht nur sehr detailliert die Teilnahmebedingungen, sondern auch das gesamte Wettbewerbsverfahren sowie die Kriterien für die Bewertung der teilnehmenden Beiträge zentral formulieren konnten. Die Ergebnisse der zwischendurch live oder per Videokonferenz geführten Diskussionen fanden durch das Wiki schnell und unkomplizierten Eingang in unsere Texte.
    Interessierte Netzwerkpartner hatten zudem auch hier die Möglichkeit, den aktuellen Stand einzusehen und eigene Vorschläge einzubringen.

    Up- und Download ergänzender Dokumente

    Ein Wiki bietet auch die Möglichkeit, Dateien jeden Formats hochzuladen und über einen Link in einem Wikitext anderen Nutzern zum Download zur Verfügung zu stellen. Im Wiki haben wir auf diese Weise begleitende Dokumente eingebunden, wie z.B. Präsentationen für Tagungsvorträge.

    Aufbau des Qualifizierungsprogramms

    Qualitätskriterien, Qualitätssicherung, Marketing, Dozenten und natürlich die inhaltliche Planung der Qualifizierungsangebote wurden im Wiki entwickelt und dokumentiert und standen von dort jederzeit für die weitere Verwendung per Copy&Paste zur Verfügung. Das Anmeldeformular lag als PDF vor und war ebenfalls im Wiki hinterlegt, so dass alle Projektbeteiligten es jederzeit zur Verfügung hatten.

    Marketing

    Neben den vereinbarten Marketingmaßnahmen, die wiederum inklusive der definierten Zuständigkeiten im Aufgaben-Manager gespiegelt waren, verfügten wir im Wiki über eine manuell gepflegte Adress-Datenbank. Sie stellt eine erste Version dar, auf deren Grundstock in einem nachfolgenden Projekt zurückgegriffen werden kann, um die Adressen in eine Datenbankanwendung zu migrieren. Für den Umfang dieses Projekts war die textbasierte Zusammenstellung der Adressen unserer Ansprechpartner ausreichend.

    Zwischen- und Abschlussbericht

    Schließlich erleichterte die gesamte Dokumentation im Wiki auch das Verfassen des Zwischen- und des Abschlussberichts. Auf je eigenen Seiten war schnell eine Struktur für das jeweilige Dokument vorgegeben. Die einzelnen Kapitel wurden dann von den jeweils Zuständigen der darin beschriebenen Tätigkeiten geschrieben. Damit stand innerhalb kurzer Zeit ein vollständiger Textkörper zur Verfügung, der nur noch in einem Textdokument ansehnlich gestaltet, noch einmal redigiert und schließlich an die zuständige Stelle im Ministerium gesandt werden musste.

    Evaluierung

    Da das Wiki von uns während des Projekts ausschließlich als tägliches Werkzeug betrachtet wurde und nicht als zu messendes Erfahrungsfeld, haben wir keine standardisierte Nutzungsevaluation durchgeführt. Durch die Funktion, sich alle Änderungen, die je an Seiten des Wikis gemacht wurden, in einer Liste anzeigen zu lassen, ist es aber möglich, grobe Rückschlüsse auf die aktive Nutzung zu ziehen. Man kann in diesem Fall deutlich sehen, dass bereits Mitte 2011 die Mitarbeiter des einen Projektpartners die aktive Nutzung beendet haben. Durch den Projektverlauf ist zu sehen, dass dies zu einem Zeitpunkt geschah, da klar war, dass die Projektpartner ausgesprochen divergierende Ziele verfolgen, die sich nur wenig verknüpfen lassen. Daraus resultierte ein Nachlassen der Kommunikation und auch der gemeinsamen Nutzung des Werkzeugs. Der damit einhergehende Transparenzverlust schlug sich entsprechend im Projektergebnis nieder.

    Fazit und Empfehlung

    Ein derart funktionell umfangreicher Einsatz eines Wikis in einem zeitlich begrenzten Projekt darf bisher als ungewöhnlich betrachtet werden. Im Wissensmanagement von Organisationen finden Wikis zwar zunehmende Aufmerksamkeit, die Umsetzung schöpft aber oft noch nicht alle Möglichkeiten aus. Wir haben im beschriebenen Fall versucht, die Möglichkeiten des Wikis möglichst intensiv zu nutzen. Die folgenden Ausführungen sollen nochmals die gewonnenen Erkenntnisse darstellen und Chancen und Risiken zeigen.

    Der erwünschte Wissenstransfer fand statt, solange die Mitarbeiter das Wiki auch nutzten. Die Projektmitarbeiter waren allerdings bereits erfahren im Umgang mit webbasierten Anwendungen generell und speziell mit Wikis. Das hatte vor allem den Vorteil, dass keine Schulungen nötig waren. Daraus leitet sich aber auch ab, dass einführende Schulungen für Menschen, die nicht gerade ein solches „Power User“-Profil haben, unbedingt nötig sind.

    Die erste Struktur des Wikis war im Vorfeld von anderen wissenschaftlichen Mitarbeitern angelegt worden. Diese ursprüngliche Gliederung passte aber weder zum aktualisierten Projektplan noch zur Arbeitsweise der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und musste daher grundlegend und aufwändig überarbeitet werden. Es ist daher empfehlenswert, die Strukturierung eines solchen Dokumentationswerkzeugs von denen definieren zu lassen, die damit arbeiten sollen.

    Die Protokollierung im Wiki war vorteilhaft, da die automatische Versionierung das relativ umständliche Hin- und Hersenden von Textdateien als E-Mail-Anhänge erübrigt. Darüber hinaus ist es dauerhaft nachvollziehbar, wer welche nachträglichen Änderungen oder Ergänzungen am Protokoll vorgenommen hat. Die Angst, die oft gerade mit dieser leichten Editierbarkeit von Wikitexten assoziiert wird, ist unbegründet, denn das Versionierungssystem ist ein sehr starkes Kontrollmittel.

    Kooperative Textbearbeitungen im Wiki haben den Vorteil, dass jeder zu der ihm passenden Zeit daran arbeiten kann, ohne zunächst eine E-Mail oder eine lokal gespeicherte Datei suchen zu müssen. Etwaige Probleme mit unterschiedlichen Dateiformaten aufgrund verschiedener Textbearbeitungssoftware entfallen ebenfalls. Die einfache Nutzungsoberfläche soll in der Wiki-Philosophie auch weniger versierte oder sichere Nutzer zur aktiven Mitarbeit am Wiki ermutigen. Der ungewohnte visuelle wie funktionelle Minimalismus, der sich besonders in der stark reduzierten Menüleiste für die Textformatierung zeigt, kann aber auch verunsichernd wirken. Das war auf Grund der besonderen Qualifikationen der Projektmitarbeiter und -mitarbeiterinnen hier nicht der Fall, ist aber ein Aspekt, der bei noch nicht „wikifizierten“ Mitarbeitern berücksichtigt werden sollte. 

    Die Vorbereitung der beiden Projektberichte für das Ministerium im Wiki hat diesen sonst recht aufwändigen Prozess deutlich vereinfacht. Anhand der Projektdokumentation standen bereits die wesentlichen Daten strukturiert und chronologisch sortiert für die Berichte zur Verfügung und mussten lediglich noch entsprechend ausformuliert werden. Als besonders wertvoll hat sich dieses Vorgehen erwiesen, als kurz vor Projektende die Projektkoordinatorin eine andere Beschäftigung annahm. Die kurzfristig gefundene Vertreterin hätte ohne die Dokumentation im Wiki keine Möglichkeit gehabt, ohne erheblichen Aufwand den Abschlussbericht zu schreiben.

    Der Einsatz eines Wikis wie hier beschrieben funktioniert nur in vollem Umfang, wenn alle Projektbeteiligten wirklich „an einem Strang ziehen“. Bei divergierenden Zielen, besonders wenn diese nicht offen kommuniziert werden, stagniert die Nutzung des Wikis schnell und der gewünschte Transfer von Information und Wissen bleibt aus. Die hier beschriebene Erfahrung zeigt, dass die Transparenz, die ein Wiki als Projektwerkzeug ermöglicht, auch dann gegeben ist, wenn Projektpartner sie zu vermeiden suchen, da auch fehlende Aktivitäten im Wiki sichtbar werden.

    Auf der anderen Seite bietet ein Wiki, dass regelmäßig von allen Projektbeteiligten gepflegt wird, die langfristige Sicherung von Erfahrungen und Informationen, die auch in anderen Projekten oder Tätigkeitsbereichen nützlich sein können. Im beschriebenen Fall ist diese Chance leider nicht genutzt worden, da für ein Nachfolgeprojekt, entgegen ursprünglicher Planung, andere Ziele formuliert wurden und die sorgfältig dokumentierten Kontakte, Vorgänge und Erfahrungen nicht genutzt werden.

    Literatur

    Adler, F., Frost, I., Gross, D. (2011). Die Qual der Wiki-Wahl. Wikis für Wissensmanagement in Organisationen. Open Journal of Knowledge Management, IV/2011 (http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/die-qual-der-wiki-wahl/, URL aufgerufen am 21.2.2012)

    Karlhuber, S., Wageneder, G. (2011). Einsatz kollaborativer Werkzeuge. Lernen und Lehren mit webbasierten Anwendungen. In: Schön, S. & Ebner, M. Lehrbuch für Lernen und Lernen mit Technologien (http://l3t.tugraz.at, URL aufgerufen am 21.2.2012)

    Wenger, E., White, N., Smith, J.D. (2009). Digital Habitats. Stewarding Technology for Communities

    Wenger, E., McDermott, R., Snyder, W. (2002). Cultivating Communities of Practice: A Guide to Managing Knowledge

    Wolf, F. (2011). Social Intranet: Kommunikation fördern – Wissen teilen – effizient zusammenarbeiten

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