Ein Archiv für 51 Kommunen

    11. Januar 2005 von Frank Zscheile

    Fachanwendungen für über 10.000 Büroarbeitsplätze und eine plattformunabhängige Kommunikations-möglichkeit - seit vielen Jahren stellen das Kommunale Rechenzentrum Niederrhein (KRZN) aus Moers und die Kommunale Datenverarbeitungszentrale Neuss (KDVZ Neuss) ihren angeschlossenen Verwaltun-gen diese IT-Dienstleistungen zur Verfügung. Jetzt sind die beiden Zweckverbände dabei, auch ihr eGo-vernment Konzept umzusetzen. Dazu gehört, dass verfügbare Informationen weitgehend elektronisch vorgehalten und alle Arbeitsschritte medienbruchfrei bearbeitet werden. Außerdem sollen die Mitarbeiter in den über 50 Städten und Gemeinden flächendeckend auf ein einheitliches Archiv elektronisch zugreifen können.

    Zu diesem Zweck haben die beiden Körperschaften im Frühjahr 2004 einen Rahmenvertrag mit dem Berliner Softwarehersteller Saperion geschlossen, der die flächendeckende Integration des elektronischen Archivsystems von Saperion in die Fachverfahren von KRZN und KDVZ regelt. Alle relevanten Informationen und Dokumente werden damit an mehreren tausend Arbeitsplätzen zur Verfügung stehen.

    KRZN
    Die Kreise Dinslaken, Geldern, Kempen-Krefeld, Kleve, Moers und Rees hatten den Verband 1971 gegründet, nachdem die automatisierte Informationsverarbeitung für ihre Behörden seit Mitte der 60er Jahre vom Kreis Moers erledigt worden war; vier Jahre später kamen die Stadt Krefeld sowie die Kreise Kleve, Viersen und Wesel als Neu-Mitglieder hinzu. Heute bilden 42 Kommunalverwaltungen mit 38 kreisangehörigen Städten und Gemeinden mit dem KRZN einen Organisations-, Beratungs-, Software-, Produktions- und Qualifizierungsverbund.

    KDVZ Neuss
    Die KDVZ Neuss ist das IT-Dienstleistungsunternehmen der Kommunalverwaltungen im Kreis Neuss und wurde in der zweiten Hälfte der 70er Jahre als Amt der Stadt Neuss gegründet. Seit dem 1.1.1999 unterstützt die KDVZ als Zweckverband den Rhein-Kreis Neuss und die 8 dazugehörigen Verwaltungen in allen Belangen der Informationstechnik.

    "Schon sehr früh haben wir uns für Lotus Domino/Notes als Technologiebasis entschieden und setzen seitdem dokumenten- und prozessorientierte Anwendungen konsequent auf dieser Plattform um", erklärt Madeleine Terschüren vom Servicebereich Entwicklung im KRZN. Mit der Eigenentwicklung "ebüro" wurde ein auf Lotus Domino/Notes basierendes Dokumenten-Management-System (DMS) implementiert, das alle Dokumenttypen nach individuell organisierten Vorgaben strukturiert und verwaltet. Die Digitalisierung bislang unstrukturierter Daten hilft dabei, einen Großteil unterschiedlichster Informationen unter einheitlichen Kriterien wieder zu finden und zusammenhängend darstellen zu können; die Langzeitarchivierung realisiert man künftig über eine entsprechende Schnittstelle mit Saperion. "Durch das Archiv wollen wir unsere Vorgangsbearbeitung weiter optimieren, Personal- und Sachaufwände zu verringern und die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit erhöhen", ergänzt Hubert Lenzen vom Servicebereich Querschnittstechniken der KDVZ Neuss. Im Anschluss an die Anbindung von ebüro ist die Realisierung einer archivübergreifenden Suche vorgesehen, so dass die Sachbearbeiter neben den ebüro-Datenbanken auch das Archiv durchsuchen können, ohne die Oberfläche zu wechseln.

    Pilotprojekt in der KFZ-Zulassung

    Während einer intensiven Marktbeobachtung wurden die in Frage kommenden Software-Produkte zunächst auf Fähigkeiten wie Skalierbarkeit, Integrierbarkeit und Mandantenfähigkeit geprüft. Den Auftrag erhielten im Dezember 2003 schließlich die Saperion AG und ihr Technologiepartner codia Software GmbH. Zuvor hatte codia im Sommer 2003 bereits eine Pilot-Archivlösung für den Bereich Kfz-Zulassung im Kreis Wesel aufgesetzt. Hier sollte die Eignung des Systems als zentrales Archivierungssystem nachgewiesen werden. Guido Bleckmann, Teamleiter im Dienstleistungszentrum des Kreises Wesel in Moers: "Wir wollten in diesem ersten Teilprojekt vor allem Erfahrungen im Umgang mit einem Archivierungssystem sammeln und die dort gewonnenen Erkenntnisse bei der anschließenden schrittweisen Einführung in weiteren Abteilungen nutzen."

    Das Host-Verfahren für die Kfz-Zulassung, das sogenannte "Iserlohner Verfahren", ermöglicht die Erledigung der meisten Geschäftsvorfälle in der Kfz-Zulassungsstelle im Rahmen der Vorgangsbearbeitung. Anträge brauchen die Bürger nicht mehr selbst auszufüllen, sondern diese werden im Dialog mit dem Großrechner maschinell beim Anwender erstellt und über Drucker ausgedruckt, die an die Datenstationen angeschlossen sind. Außerdem bietet das Verfahren einen Datenträgeraustausch mit dem Kraftfahrt-Bundesamt und dem Rechenzentrum der Oberfinanzdirektion. Unterlagen für Versicherungen werden automatisch erstellt. In das Gesamtverfahren eingebunden ist eine so genannte Historik-Datenbank, um Auskünfte für die Bearbeitung auch nach dem physischen Löschen in der Fahrzeug-Datenbank zu erhalten.

    Bis zu 20.000 Seiten täglich verarbeitet

    Der Pilot "KFZ Zulassung" wurde im April 2003 für das Saperion-System neu konzipiert und im Juni installiert. Der komplette Betrieb startete im Juli, seit August 2003 werden die Kfz-Zulassungsunterlagen des Kreises Wesel archiviert. Hierbei werden die aus dem Fachverfahren stammenden Vorgänge gesammelt, über einen darauf enthaltenen Barcode an zentraler Stelle eingescannt und über eine täglich automatisch zur Verfügung gestellte Indexdatei ergänzt und zeitgesteuert archiviert. Abhängig vom Kundenverkehr fallen hier 3500 - 4000 und mehr Seiten täglich an, die über Hochleistungsscanner verarbeitet werden, in Hochzeiten teilweise gar bis zu 20.000 Seiten.

    Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter recherchieren die Vorgänge integriert im Fachverfahren. Auf Knopfdruck erhält der Sachbearbeiter eine Liste aller zum aktuell gewählten Kennzeichen gehörigen Dokumente. Laurenz Stecking, Geschäftsführer der codia Software GmbH: "Wir haben die Lösung so konzipiert, dass sie sich bei Bedarf für beide Verbandsgebiete einsetzen lässt, hierbei kann optional statt an zentraler Stelle auch am Arbeitsplatz gescannt und vollautomatisch archiviert werden." Das Archivsystem ist in den beiden Zulassungsstellen des Kreises Wesel für etwa 50 Sachbearbeiter/innen installiert, wobei im Durchschnitt etwa 15 Sachbearbeiter ständig damit arbeiten.

    Mandantenfähigkeit als Voraussetzung für verteilte Administrationslevel

    Insbesondere das Thema Mandantenfähigkeit spielt im Archivierungsprojekt eine große Rolle. Die auf Wunsch der Datenzentralen erweiterte Funktionalität von Saperion ermöglicht es, in großen, verteilten Installationen verschiedene Administrationslevel einzurichten. Damit können im KRZN so genannte globale Administratoren angelegt werden, die den Gesamtbestand der Kunden/Mandanten administrieren und einrichten dürfen, sowie parallel dazu lokale Administratoren, die wiederum lediglich Zugriff auf dedizierte Bereiche haben.

    Werner Pescher, Leiter des Geschäftsfeldes Anwendungen beim KRZN: "In gebietlich orientierten Datenzentralen wie dem KRZN und der KDVZ Neuss ist es immer wieder notwendig, vollständig von einander abgekoppelte Anwendungsumgebungen zur Verfügung zu stellen. Die Mandantenfähigkeit des Archivsystems erlaubt es uns, zwei Mandanten zwar ähnliche Tabellenstrukturen und Masken zur Verfügung zu stellen, keinesfalls aber darf ein Mandant die Daten des Anderen sehen oder - noch wichtiger - verändern können."

    Nach erfolgreichem Abschluss des Pilotprojektes im Oktober 2003 stand einer weiterführenden Installation von Saperion dann nichts mehr im Weg. Neben der KFZ-Zulassung wurde bereits ein System im Bereich Kasse (KRZN) und Gesundheitsamt (KDVZ Neuss) realisiert. Im März 2004 schließlich schlossen Saperion und das KRZN den Rahmenvertrag, der die Versorgung von maximal 10.000 Arbeitsplätzen in 51 Kommunen (Kreise, Städte und Gemeinden) mit Saperion-Lizenzen sicherstellt.

    Noch in 2004 wird die Anwendung "Kfz-Archiv" in zwei weiteren Straßenverkehrsämtern implementiert. Sein derzeitiges Kfz-Zulassungsverfahren löst das KRZN im November 2004 durch ein neues Verfahren ab, Anpassungsarbeiten für die Archivschnittstelle übernimmt die codia Software GmbH. Im Pilotbetrieb wurde das Archivsystem bereits an Lotus Notes und an das DMS ebüro angedockt, integrierte Suchroutinen, Volltextindizierung und verfahrensübergreifende Suche hierfür sind in Entwicklung.

    Bis Ende 2005 geht es dann Schlag auf Schlag weiter mit den Archivintegrationen: So werden im nächsten Schritt Bescheide und Schriftverkehr aus dem "Kommunalen Veranlagungs-Informationssystem" - zuständig für Hunde-, Gewerbe- und Vergnügungssteuer sowie Grundbesitzabgaben - in das Archivsystem übernommen. Auch Altdaten und Bescheide aus dem neuen Kommunalen Finanzmanagement werden zukünftig im Archivsystem sofort recherchierbar und revisionssicher abgelegt, und im Bereich Sozialwesen bereiten die KRZN-Experten gegenwärtig die Archivierung von Sozialhilfebescheiden vor. Eine erste Version wurde bereits realisiert, der Ausbau in Richtung Mandantenfähigkeit und die Implementierung für die Anwenderkommunen sind in Arbeit.

    Laurenz Stecking, Geschäftsführer der codia Software GmbH: "Die Anwendung KFZ-Archiv wird gleichzeitig um eine Teilkomponente für das Fahrerlaubniswesen erweitert, und im Bereich der Bauverwaltung und Bauordnung bereiten wir eine Archiv-Anbindung an das Verfahren ProBauG vor." Auch das vorhandene DMS ebüro soll demnächst mandantenfähig abgerundet und um eine Volltexterkennungskomponente ergänzt werden - denn die langfristige Archivierung von Dokumenten ist für die KRZN-Verantwortlichen nicht nur rechtlich notwendig, sondern auch kulturhistorisch von Bedeutung.

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