Die Rolle des Wissensmanagement bei der Sanierung von IT-Unternehmen

    04. März 2003 von Dr. Bernhard von Guretzky

    Die wirtschaftliche und politische Entwicklung der letzten Jahre hat in Deutschland eine Zunahme der Insolvenzen gerade bei Unternehmen in den Times-Märkten (Telekommunikation, Informationstechnologie, Multimedia, Entertainment und elektronische Sicherheit) hervorgebracht. Ziel dieses Papiers ist es zu beleuchten, wie sich einerseits Kreditgeber mit Hilfe des Wissensmanagement gegen drohende Forderungsausfälle wappnen und andererseits sanierungsbedürftige (kleine und mittlere) Unternehmen mit Hilfe des Wissensmanagement die drohende Insolvenz abwenden können.

    If at first the idea is not absurd,
    then there is no hope for it.
    Albert Einstein

    Problemstellung

    Das Platzen der Spekulationsblase an den Börsen und dem damit einhergehenden Versiegen des leichten Geldes sowohl bei High-Tech-Unternehmen als auch bei den Banken hat dem zehn Jahre währenden kräftigen konjunkturellen Wachstum der Weltwirtschaft endgültig den Garaus gemacht. Mit dem freien Fall der Aktienkurse bröckelten die Investitionen für IT-Produkte und -dienstleistungen bedenklich, gefolgt von den Stundensätze bei den Beratungsunternehmen, und dem damit verbundenen, immer härter werdenden Kampf um Marktanteile. Diese gerade für kleinere und mittlere Unternehmen bedrohliche Entwicklung geht nicht ganz zufällig einher mit dem Bemühen der Banken, das Risiko der Zahlungsunfähigkeit von Schuldnern zu minimieren. Der unter dem Stichwort Basel II bekannte Plan für die Vergabe von Krediten sieht dazu vor:

    • Minimalanforderungen an das Eigenkapital der Unternehmen zu setzen,
    • Verfahren zur Überprüfung durch staatliche Aufsichtsbehörden einzuführen
    • und strengere unter den Stichworten "Marktdisziplin" und "Berichtswesen" zusammengefasste Publizitätsanforderungen zu verlangen.

    Die Chancen, unter Basel II auch weiterhin Kredite zu akzeptablen Zinssätzen zu bekommen, sind dennoch positiv, solange der potenzielle Kreditnehmer die Leistungskraft und die Perspektiven des Unternehmens glaubhaft und nachvollziehbar vermitteln kann (siehe auch [1]).

    In diesem Zusammenhang soll im folgenden der Nutzen des Wissensmanagements von zwei Perspektiven aus betrachtet werden: Einmal der Einsatz des Wissensmanagement bei kreditgebenden Banken im Bereich des Risikomanagements, um ein verläßliches Rating und Reporting im Sinne von Basel II zu gewährleisten und zweitens ein nach innen wirkendes Wissensmanagement als Grundlage einer offenen Firmenkultur zur Stärkung der Mitarbeitermotivation, der Innovationskraft des Unternehmens und des eigenen Risikomanagements. Schließlich werden die nach innen und außen wirkenden Aufgaben im Falle einer notwendigen Sanierung beschrieben.

    Risikomanagement

    Banken klassifizieren Kredite als sog. Risikoengagement, wenn es zu Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners kommt. Sie werden an die internen eigens hierfür gebildeten Abteilungen weitergeleitet, die so unterschiedliche wie verschleiernde Namen wie "Sanierung", "Sonderkredite" oder "Kreditbetreuung" haben. Die Indikatoren für die Identifizierung einer vorliegenden Krise suchen die Banken naturgemäß im finanzwirtschaftlichen Bereich. Strategische Ursachen als Auslöser der finanziellen Engpässe bleiben oft unberücksichtigt, da das notwendige Know-how bei den Banken meist nicht vorhanden ist, abgesehen davon, dass das ihre Rolle auch überfordern würde.

    Die durch den stetigen Anstieg von Insolvenzen in den letzten Jahren hervorgerufenen wachsenden Forderungsausfälle, führen in letzter Zeit zu einer restriktiveren Kreditpolitik der Banken, die zusätzlich durch ein ab 2006 einzuführendes Reporting potenzieller Kreditnehmer verschärft wird. Diese Gemengelage führt dazu, dass die Kosten der Kreditabsicherung bei den Banken steigen und der Bedarf nach Lieferantenkrediten im Insolvenzfall zunimmt. Diese Situation wird oft noch dadurch verschärft, dass die Qualität der Unternehmensrechnung hinsichtlich des Debitorenbestandes zu wünschen übrig lässt, da eine standardisierte Einbindung externer Daten kaum realisiert ist. Dies erschwert eine gründliche Analyse der wirtschaftlichen Situation, zumal häufig noch das in der Bank selbst vorhandene Wissen über unterschiedliche Bereiche verteilt ist und damit nur ungenügend ausgewertet und entscheidungsorientiert genutzt werden kann.

    Risiken lassen sich grundsätzlich nicht vermeiden, ohne die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens aufs Spiel zu setzen. Daher kann es nur darum gehen, die möglichen Risiken zu identifizieren und sich mental mittels einer Risikoanalyse proaktiv darauf vorzubereiten. Folgende Aufgaben fallen dabei an (siehe auch [2]):

    • Identifikation von Risiken (Vertragsanalysen, Studien von Plänen, Literaturanalysen)
    • Bewertung der Risiken (technische und wirtschaftliche Risiken; globale und politische Risiken, finanzielle und marktpolitische Risiken)
    • Steuerung von Risiken (beseitigen, verringern, nutzen)
    • Dokumentation von Risiken (veröffentlichen)
    • Überwachung von Risiken

     

    Das seit Mai 1998 geltende Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) verpflichtet den Vorstand einer Aktiengesellschaft, ein Risikomanagement durchzuführen und für eine interne Revision zu sorgen. Das wesentliche Ziel des Risikomanagements besteht darin, die Insolvenz des Unternehmens zu verhindern. Ein ganzheitliches Risikomanagement ist Risikoanalyse und Risikobekämpfung. Ein solches Früherkennungssystem strahlt auch auf andere Rechtsformen für Unternehmen aus, so dass Banken zunehmend ihre Kreditentscheidungen auch für Nicht-AGs von vorhandenen Risikoanalysen abhängig machen, wobei nicht nur die prinzipiell zu versicherbaren Risiken wie Anlagen, Gebäude und Produkte relevant sind, sondern sich immer mehr eine operative Sichtweise des Risikomanagements durchsetzt, die nämlich zusätzlich Mitarbeiter, Entscheidungen des Managements, Geschäftsprozesse, Maßnahmen des Wettbewerbs sowie die Veränderungen der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mit einbezieht.

    Eine wertorientierte Unternehmensführung besteht nicht nur aus dem Erkennen und Steuern möglicher Risiken, sondern auch in der Umsetzung der Unternehmensziele. Ein strategisches Risikomanagement muss also stets langfristig ausgerichtet und in den Strategieentwicklungs- und Planungsprozess des Unternehmens eingebettet sein. Risikomanagement greift deshalb direkt in die unternehmensinternen Geschäftsprozesse ein, weshalb zum methodischen Repertoire nicht nur die Identifikation und Bewertung von Risiken gehört, sondern auch ein an den Geschäftsprozessen ausgerichtetes Wissensmanagement, das die Innovationsfähigkeit des Unternehmens stärkt und die Wissensprozesse begleitet, so dass etwa erfahrene Mitarbeiter ihre unerfahrenen Kollegen aus anderen Bereichen vorausschauend auf mögliche Risiken hinweisen können. Dabei geht es um folgende Risiken:

    • Marktrisiken, wie Abhängigkeit von Großkunden, drohende Kundenverluste, saisonale Engpässe und neue Wettbewerbssituationen
    • Produktrisiken, durch unvorhergesehene Verzögerungen in der Entwicklung oder durch Qualitätsverluste
    • Finanzierungsrisiken,
    • Forderungs- und Währungsrisiken sowie
    • leistungswirtschaftliche Risiken etwa für den Fall betrieblicher Störungen oder Unfälle.

     

    Wissensmanagement dient dabei als Basis, Risiken dadurch überschaubar zu machen, indem das organisationale Wissen im Unternehmen verteilt wird, ohne dabei die individuelle Flexibilität und Innovationsfähigkeit im Keim zu ersticken. Daher geht es beim Risikomanagement im Grunde genommen darum, die Balance zwischen Risiken und Chancen einzelner Entscheidungen durch Einbeziehung all des relevanten, organisationalen Wissens herzustellen. Damit ist jedoch nicht gemeint, möglichst viele Memos, e-mails oder Berichte im Unternehmen zu verteilen, sondern bei den beteiligten Personen ein Gespür dafür zu erzeugen, die vorhandenen Informationen auch tatsächlich nutzbringend einzusetzen. Der Zusammenhang mit dem organisationalen Gedächtnis bedeutet bei Banken beispielsweise, das existierende Finanzmanagement stets in Bezug zu den Erfahrungen mit Kunden, den eigenen Finanzprodukten und der allgemeiner Marktsituation zu setzen, d.h. es geht um

    • das Schaffen einer Kultur des Wissensaustauschs,
    • das Kreieren und Verteilen von Wissen und seine Verankerung in den Geschäftsprozessen, wodurch Wissen Teil der Infrastruktur für das Schaffen neuen Wissens, neuer Handlungsweisen und Kontrollmechanismen wird.
    • die Verbesserung des Zugangs zu existierendem Wissen, so dass die vorhandenen Datenbanken dazu genutzt werden können, das Wissen über gespeicherte Risiken schnell und unbürokratisch im Unternehmen zu verteilen. Dazu gehört auch ein "wer weiß was?" und "wer kennt wen?".

    Durch eine ausgewogene Bewertung von Kundendaten, wirtschaftlicher Entwicklung, interner Geschäftsprozesse und der Mitarbeiterentwicklung etwa durch "balanced scorecards" lassen sich die wichtigsten Werttreiber und Wertminderer eines Unternehmens identifizieren. In der Essenz ist damit das Geschäft der Banken zum Managen von Risiken geworden.

    Rating

    Vollständige und transparente Unterlagen sind die Voraussetzung für ein optimales Rating, während offene Punkte und fehlende Angaben i.A. zu einer minderen Einstufung führen werden und damit zu schlechteren Finanzierungskonditionen. Neben gesetzlichen Bestimmungen im Rahmen des KonTraG können weitere Gründe für die Durchführung eines Rating vorliegen:

    • Anforderungen des Kreditgebers aufgrund von Basel II
    • Anforderung von Lieferanten
    • Anforderungen des Kapitalmarktes
    • Eigeninteresse des Unternehmens

    Dabei berücksichtigt das Rating nicht nur quantitative Kriterien, sondern umfasst auch eine qualitative Analyse des Unternehmens, um die Wahrscheinlichkeit zu bewerten, inwieweit unvorhergesehene Umstände die Kapitaldecke aufzehren und dies zur Zahlungsunfähigkeit führen könnte. Folgende Punkte sind im einzelnen zu beschreiben:

    • die Risiken des Marktes und der Branche,
    • die Fähigkeit des Managements, auf veränderte Bedingungen effektiv zu reagieren sowie
    • die Unternehmensstrategie und Unternehmensorganisation.

    Die Bewertung der finanziellen Situation umfasst

    • die Kapitalstruktur,
    • die Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnung,
    • den Grad der Fremdfinanzierung und die Auswirkungen von Nachfrageschwankungen auf Rentabilität und Cashflow.
    • die Qualität der Einkünfte sowie
    • die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Cashflow, Rendite, Liquidität.

     Schließlich gehört zum Rating eine Analyse des Marktumfeldes mit der

    • Bewertung des Branchenrisikos,
    • konjunkturellen Abhängigkeit,
    • Unternehmensentwicklung,
    • Preispolitik,
    • Entwicklung von Löhnen und Gehältern sowie
    • Marktpositionierung im Inland und gegebenenfalls im Ausland.

    Diese der Analyse zugrundeliegenden Informationen dürfen nicht nur vergangenheitsbezogen sein, sondern sollen vor allem die Zukunft des Unternehmens darstellen. Deshalb haben qualitative Faktoren wie etwa die Strategie des Unternehmens und seine Innovationsfähigkeit einen erheblichen Einfluss auf das Gesamturteil. Umgekehrt werden solche Kriterien auch die unternehmerischen Entscheidungen beeinflussen.

    Trotzdem kann davon aus ausgegangen werden, dass durch konjunkturelle Krisen kleinere und mittlere Unternehmen besonders betroffen sind, da sich die Banken aufgrund steigender Ausfallrisiken genötigt sehen, bestehende Kredite zu kündigen und neue Kredite gar nicht mehr zu vergeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass in Zukunft die Kleinen die Ersten sind, denen der Kredithahn zugedreht wird, vergrößert sich mit Basel II. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, hat die Bundesregierung u.a. die Mittelstandsbank gegründet und die Bundesländer ihre eigenen Initiativen zur Mittelstandsförderung verstärkt (siehe auch [4], [5], [6], [7]).

    Da aus Sicht der Banken die Qualität und rechtzeitige Verfügbarkeit von Informationen über den Kreditnehmer von besonderer Bedeutung ist, hat sich vor drei Jahren ein Konsortium zusammengefunden und eine XML-basierte "extensible business reporting language" (weitere Informationen zu XBRL finden sich in [8]) definiert, um Geschäftsberichte vergleichbar und elektronisch leichter verarbeitbar zu machen.

    Innovationsmanagement

    Die wirtschaftliche Leistungskraft produktorientierter IT-Firmen hängt wesentlich von ihrer Innovationsfähigkeit ab. Da die Entwicklung von Technologie und Markt so dynamisch ist, dass Prognosen stets mit einem hohen Unsicherheitsfaktor behaftet sind, ist auch die Orientierung bei der Forschung & Entwicklung schwierig. Umgekehrt ist das Warten auf den "richtigen" Zeitpunkt nicht weniger riskant und das nicht nur, weil Neues ja nicht per se etwas Positives ist, sondern als Abweichung vom Gewohnten und damit als Bedrohung (der eigenen Trägheit) empfunden wird. Außerdem erweisen sich viele der sog. Innovationen im Nachhinein als unsinnig, unprofitabel oder nachteilig. Wird ein technisches Problem einerseits so gründlich wie nötig und andererseits so pragmatisch wie möglich analysiert, ohne sich dabei von technischen Erblasten oder bestehenden Konzepten einengen zu lassen, so bezeichnet man das Ergebnis als Innovation. Das Neue kommt heute meist als Nischenwissen daher, es fällt nicht mit einem großen Knall vom Himmel, sondern besteht aus Erfahrungswissen, bewährten Strategien und Techniken, die immer und immer wieder optimiert werden, es gedeiht auf Zweifel - denn ohne ihn gibt es keine Zukunft! Kontemplation, Nachdenken, ruhiges Basteln, Versuch und Irrtum sind die Gefährten auf dem innovativen Weg.

    Zum Geschäftsprozess "Innovation" gehört neben der Ideenfindung für neue Problemlösungen, die Vorhabensplanung für entsprechenden F&E-Projekte sowie die Produkt- bzw. Markteinführung. Innovationsmanagement umfasst dann die strategischen und operativen Aufgaben zur Planung, Organisation und Kontrolle der Innovationsprozesse. Wissensmanagement und Innovationsmanagement, verstanden als Management der technischen Kernkompetenzen und des Wissens im Unternehmens im F&E-Bereich, ergänzen sich damit gegenseitig (siehe auch [9]). Der Innovationsprozess lässt sich vom ersten Brainstorming bis zu Umsetzung gut steuern und gestalten, wenn

    • die Entscheidungsprozesse strukturiert abgespeichert und dem Management zugänglich gemacht werden können,
    • in einer Gesamtschau sich jeder Schritt im Innovationsprozess transparent nachvollziehen lässt,
    • eine methodische Strukturierung und zielorientierte Lenkung des Ideen- und Wissensaustauschs existiert,
    • eine interdisziplinäre und abteilungsübergreifende Bündelung von Mitarbeiterkompetenzen zur Verfügung steht,
    • versteckte Kompetenzträger und kreative Köpfe etwa mittels Gelber Seiten aktiviert werden und
    • eine flexible Zusammenstellung aller Teilnehmer am Innovationsprozess möglich ist.

    Diese Transparenz und der damit verbundene Aufwand ist notwendig, da die Geschichten von Investitionsruinen oder exorbitanten Kostensteigerungen im IT-Sektor immer noch zahlreich sind und nicht wenige IT-Firmen in den Ruin getrieben haben. Der Standardfehler scheint dabei zu sein, den Umfang und Aufwand der Umsetzung zu unterschätzen und allein auf die Qualität der (software-) technischen Lösung zu vertrauen. Diese Unsicherheiten können durch Innovationsnetzwerke minimiert werden, in denen das Handeln von Kunden bzw. Anwender und Hersteller zu dem Zweck

    • sich Wissen über den relevanten technischen Fortschritt und die diesbezüglichen Marktentwicklungen zu beschaffen,
    • eine optimale Auslegung der Produktspezifikation zu entwerfen und
    • durch Pilotanwendungen frühzeitig Anwendererfahrungen zu integrieren,

    koordiniert wird. Denn die meisten innovativen Ideen entstehen nicht in den Firmen selbst, sondern sind Reaktionen auf Wünsche der Kunden und Anwender. Solche Innovationsnetzwerke, in denen Expertenwissen nach vorn gebracht werden kann, sind gerade in denjenigen Bereichen notwendig, in denen sich die Risiken neuer Produktentwicklungen nicht über das Marktgeschehen absichern lassen, weil das Potenzial echter Innovationen zum Zeitpunkt ihrer Schöpfung i.A. nicht einzuschätzen ist. Innovationsnetzwerke funktionieren nur, wenn in ihnen die Entscheidungsgrundlagen jedes einzelnen Beteiligten verstanden und akzeptiert werden. Ihre Existenz gibt damit einen Hinweis auf die künftige Position des Unternehmens und beeinflusst daher direkt auch wieder ihr Rating, denn ohne die Idee von einem "Wir", einer kollektiven Identität, wird ein Unternehmen langfristig nicht überleben können.

    Umgekehrt gilt, dass der Kalkulierer, der berühmt-berüchtigte Erbsenzähler, geradezu innovationshemmend wirkt, oder höchstens in dem Maße die Kreativität fördert, die berühmten U-Boot-Entwicklungen zu forcieren. Dies führt mit dazu, dass der Prozentsatz der deutschen Industriebetriebe, die technische Neuerungen hervorbringen, gerade in größeren Unternehmen seit 1997 stetig abnimmt. Da der innovative Unternehmer Dinge tun muss, die sich vorher nicht kalkulieren lassen, wird er sich auf Elemente einlassen, die hierzulande nachgerade verpönt sind, nämlich Eigenschaften wie emotionale Kompetenz, Empathie, die Fähigkeit sich in die Psyche anderer hineinzuversetzen - also typische weibliche Stärken. Hinzu kommt die Fähigkeit, permanenten Wandel nicht als Bedrohung, sondern als unternehmerische Chance zu begreifen. Kreativität, Innovationskraft, aber auch Teamfähigkeit und die Bereitschaft zur Wissensteilung, sind also Schlüsselqualifikationen. Für ein innovatives Unternehmen ist das tägliche Lernen und die Selbstreflexion seiner Mitarbeiter lebensnotwendig. Dazu gehören auch kommunikative und emotionale Fähigkeiten. Ohne sie lassen sich selbst gute Produkte kaum auf dem Markt platzieren. Wer nicht vernünftig kommunizieren kann, vergrault seine Kunden. Auch hierhin wird die Beurteilung des Managements durch den Kreditgeber das Rating des Unternehmens beeinflussen.

    Wissensmanagement und Firmenkultur

    Zu Good Governance bzw. zu einer fortschrittlichen Firmenkultur gehören nicht nur faire und flexible Entlohnungssysteme, eine innerbetriebliche Transparenz oder Ehrlichkeit und Offenheit in der Bilanzführung. Die Kultur von Unternehmen gerade im High-Tech-Sektor muss Zukunftsbilder aktiv fördern, mit denen sich die Mitarbeiter identifizieren können. Hierarchische Unternehmensstrukturen, wo Entscheidungen auf einer vermeintlich gesicherten Erkenntnisbasis gefällt werden und der Führungsanspruch des Vorgesetzten sich aus Herrschaftswissen ableitet, sollten - zumindest im IT-Sektor - vorbei sein. Ohne einer auf zwischenmenschlichen Prinzipien basierenden Werteorientierung, in dem sich der Respekt vor dem einzelnen Mitarbeiter und dem Kunden widerspiegelt, wird es keinen nachhaltigen unternehmerischen Erfolg geben. Womit identifiziert sich der sog. Wissensarbeiter? Was bringt ihn dazu, sein Wissen gerade in dieses Unternehmen einzubringen? Was die IT-Spezialisten bei der Stange hält, ist weniger das Gehalt, als die Innovationsbereitschaft des Unternehmens, das Gefühl des Einbezogenseins in die Entscheidungsprozesse, eine Vision mit der er sich identifizieren kann, sowie ethische Werte wie Achtung, Integrität, soziale und ökologische Verantwortung. Führen im Unternehmen heißt also Sinn stiften, Visionen entwickeln, Vertrauen schaffen, Wissen vernetzen und authentisch sein. Diese Fähigkeiten muss die Leitung auch nach außen klar sichtbar kommunizieren können.

    Die zentrale Plattform der Zukunftssicherung ist der Wissenstransfer und dazu gehört ein Klima der Toleranz im Unternehmen. Nichts ist so kontraproduktiv, wie wenn der eine nicht wagt, dem anderen zu widersprechen eben um des "guten Klima" willens. Umgekehrt gilt, wer Fehler macht, bleibt im Geschehen, vorausgesetzt er lernt daraus, d.h. er korrigiert seine falsche Entscheidung wieder. Auf einer Basis eines Grundvertrauens kann man sich die Meinung sagen und sich gegenseitig kritisieren. So wird vermieden, dass um des lieben Friedens willen, unsinnige Entscheidungen getroffen werden. Bescheidenheit und Reflexionsvermögen dämmen dabei produktivitätshemmende Emotionen wie Angst und Neid ein, die den Kommunikationsfluss beeinträchtigen. Gelingt es, den Egoismus durch Altruismus zu ersetzen, so lassen sich Mitarbeiter gewinnen, die ein Unternehmen auch durch Krisenzeiten bringen können.

    Unternehmenssanierung

    Der überwiegende Teil der Firmeninsolvenzen (ca. 40.000 im Jahr 2002) in Deutschland lässt sich weder auf die "Verweigerungshaltung" der Banken schieben, noch auf das Platzen der Dotcom-Blase und der damit einhergehenden allgemeinen Marktschwäche besonders im IT-Sektor, noch auf die schlechte Zahlungsmoral der Kunden. Sie sind schlichtweg hausgemacht und zwar vom Management des betroffenen Unternehmens und kein passiv erlittenes Schicksal. Eine derartige Einstellung ist der Feind der Entscheidung und dient als Ausrede für Rückständigkeit und Faulheit, behindert somit etwaige Sanierungsbemühungen noch zusätzlich.

    Was sind nun die typischen Fehler, die zu einer Insolvenz führen? Da ist zunächst die weitverbreitete Unart, die Realität mit der eigenen Vorstellung dieser Realität zu verwechseln (solche Projektionen belasten ja gerne auch das zwischenmenschliche Miteinander). Zum anderen wird sich zu oft an der Vergangenheit orientiert, um über Zukünftiges zu entscheiden, wobei mögliche Veränderungen in Technik und Markt nicht einkalkuliert werden. Um diesem Phänomen der Betriebsblindheit vorzubeugen, ist es sinnvoll, durch Einbeziehung Dritter nicht nur fehlendes Know-how zur Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes auszugleichen, sondern auch eine unvoreingenommene Außensicht zu erhalten. Denn gerade bei der Firmensanierung werden bei den oft notwendigen harten Einschnitten, sofort Zweifel hervorgebracht, die bei den eigenen Handlungsmustern noch als unprofessionell galten. Statt dessen könnte man sie gerade als Chance begreifen, sich der Realität, in dem das Unternehmen sich befindet, bewusst zu werden. Oder um es platt nach Descartes auszudrücken: "Wer zweifelt, denkt, wer zweifelt, existiert."

    Die Erarbeitung eines umfassenden Sanierungskonzeptes benötigt Zeit sowie umfassende Fachkompetenzen und muss Antworten auf folgende Fragen geben (siehe auch [10]):

    • In welcher Situation befindet sich das Unternehmen?
    • Wo liegen die Ursachen für die Unternehmenskrise?
    • Welche Stärken und Schwächen weist das Unternehmen auf?
    • Mit welchen Maßnahmen können Schwachstellen beseitigt werden?
    • Wie groß sind die Chancen zur Realisierung dieser Maßnahmen?
    • In welchen Schritten können diese Maßnahmen umgesetzt werden?
    • Welchen Beitrag kann das Management zur Sanierung leisten?
    • Welchen Beitrag können die Mitarbeiter zur Sanierung leisten?
    • Welchen Beitrag müssen die Gläubiger zur Sanierung leisten?
    • Welcher Finanzierungsbedarf ist für Sanierungsmaßnahmen notwendig?
    • Welche Chancen und Risiken ergeben sich bei der Realisierung des geplanten Sanierungskonzeptes für die Zukunft des Unternehmens?

    Neben der Untersuchung der finanziellen Situation des zu sanierenden Unternehmens hat die Beurteilung von Chancen und Risiken einer Sanierung auf der Basis einer Analyse der Geschäfts- und Wissensprozesse zu erfolgen: "Wo steckt das Wissen und wo will ich hin?", diese Frage muss geklärt werden können. Das beste Sanierungskonzept wird scheitern, wenn Gläubiger, Mitarbeiter, Kunden oder die Medien das Unternehmen anfangen abzuschreiben. Deshalb ist es wichtig, ein klares Ziel zu formulieren und die Kernbotschaft mit einer Stimme nach innen und außen zu kommunizieren.

    Der eingeleitete Restrukturierungsprozess muss i.A. durch die Kreditinstitute, Beteiligungsgesellschaften oder Förderinitiativen von Land, Bund bzw. Europäischer Union in Form von Tilgungsaussetzungen, Zinsstundungen und der Bereitstellung von neuem Kapital begleitet werden. Dabei sollte einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise Vorzug vor der juristischen gegeben werden und die Aufmerksamkeit auf die Prüfung neuer Instrumente wie etwa der Umwandlung von Krediten in Beteiligungen o.ä. gelenkt werden. Oft werden dabei externe Sanierer ungewöhnliche Wege gehen müssen, denn häufig werden weder die Bank noch das zu sanierende Unternehmen "reales" Geld dafür zur Verfügung stellen (können). So muss sich das Sanierungsteam gegebenenfalls darauf einstellen, nur im Erfolgsfall - und dann auch nur mit Firmenanteilen - bezahlt zu werden, wobei im Vorfeld der Exit, also die spätere Veräußerung dieser Beteiligung an das Unternehmen selbst oder an Venture Capital Fonds zu regeln ist.

    Die vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen, die mit Unterstützung erfahrener Sanierungsberater erarbeitet werden, erlangen häufig eine höhere Akzeptanz bei Verhandlungen mit Gläubigern und Kreditgebern, wenn das Sanierungsteam als Mediator zwischen den unterschiedlichen Interessenten Management, Belegschaft, Banken und ggf. Kunden auftritt. Zu den Sanierungsmaßnahmen gehört auch eine glaubwürdige öffentlichkeitsarbeit, das sog. Insolvenz-PR. Denn um aus der Krise einen erfolgreichen Neuanfang machen zu können, bedarf es zielgerichteter Kommunikation mit den Stakeholdern des Unternehmens. Informationen sind daher der wichtigste Motivationsfaktor. Mitarbeiter, die nicht wissen, was morgen sein wird, kann man heute nicht motivieren, und man verliert dadurch oft die besonders qualifizierten Know-how-Träger, die auf dem Arbeitsmarkt die wenigsten Probleme haben. Alle Fragen der Mitarbeiter sind so weit wie möglich zu klären; Chancen und Risiken der Sanierung sind aufzuzeigen. Ebenso sind durch vorausschauende Informationen die Geschäftspartner und Kunden von der künftigen Strategie des Unternehmens und seiner künftigen Stärke zu überzeugen und langjährig aufgebautes Vertrauen nicht durch Schweigen oder ein Wirrwarr von Zuständigkeiten zu verspielen.

    Links

    [1] Bernhard v. Guretzky: "Wissensmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/wissensmanagement-in-kleinen-und-mittleren-unternehmen/

    [2] Klaus Leciejewski: "Risiken früh erkennen: Den Wert des Unternehmens steigern"; www.kdl-consulting.de/downloads/RISIKEN.PDF

    [3] L. Prusak et. al.: "Knowledge Management yields superior Risk Management or Financial Institutions"; www.cbi.cgey.com/pub/docs/KM_Yields_Superior_Risk.pdf

    [4] Website der Mittelstandsbank - einer Förderinitiative der KfW und der DTA: www.mittelstandsbank.de

    [5] Förderdatenbank des Bundes: www.bmwi.de/Homepage/förderdatenbank/

    [6] Kostenfreie Beratungsstellen in NRW: www.go.nrw.de

    [7] Website der Investitionsbank Brandenburg: www.ilb.de

    [8] Website des XBRL-Konsortiums: www.xbrl.org

    [9] Bernhard v. Guretzky: "Wissensmanagement in Forschung & Entwicklung"; http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/wissensmanagement-in-forschung-entwicklung/

    [10] Mittelstandsoffensive NRW: "Krisenmanagement in kleinen Unternehmen"; www.gib.nrw.de/download/info_Krisenmanagement.pdf

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