Der Weg in die Zukunft - Wissen erzeugen (Knowledge Management @ Work - Teil 3)

    08. Dezember 2000 von Dipl. Inf. Stefan Dietlein, Prof. Dr. Rudi Studer

    Wissensmanagement ist die Abkehr von technologisch getriebenen Systemen und die Hinwendung zu ganzheitlichen, von den Inhalten bestimmten Systemen. Schlaglichter auf ein neues Konzept und die Zukunft des Wissensmanagements.

    Der Übergang zur Zukunft: Neue Kriterien

    Wenn man Wissen kategorisieren möchte, schaut man in der Literatur nach. Dort findet man die Gegenüberstellung von "implizitem zu explizitem" Wissen, oder "internem zu externem" Wissen, oder "individuellem zu kollektivem" Wissen, und vielem anderem mehr. Diese Kriterien gibt es, natürlich, sie sind auch wichtig. Doch halten wir den Schwerpunkt auf diesen Kriterien, wie er in der aktuellen Diskussion gesetzt wird, für überbewertet. Diese Bewertung verharrt in einer statischen, generischen Sicht und blockiert den Blick auf wichtigere Verbindungen.

    Lassen Sie uns auf das Beispiel des Konzerts zurückgehen, denn es zeigt die elementare Unterscheidung. Dargestellt wurden:

    • Prozesse - die Problemstellung,
    • Inhalte - die Information des Taxifahrers,
    • Der Kontext der Person/ des Unternehmens - das Verstehen der Information.

    Während die Verbindung von Prozess zu Information zu Wissen sehr gut verarbeitet wird, so bleibt unberücksichtigt, dass die Methodologie der wesentliche Teil der Wissensgewinnung ist: Wie man an das Wissen gelangt, über Taxifahrer oder über Stadtkarten. Das ist die Methode der Wissensgewinnung.

    Wenn man sich diese Situation des Wissensmanagements vor Augen führt, so lassen sich klare Entwicklungslinien für die Zukunft identifizieren. Diese werden im folgenden anhand der gemeinsamen Produktstrategie der Firmen knowledgepark AG und Ontoprise GmbH aufgezeigt.

    Der Übergang zur Zukunft: Neue Anforderungen

    Wie im ersten Teil des Beitrages dargestellt wurde, unterstützen heutige Wissensmanagementsysteme den flexiblen, kontextabhängigen Zugriff auf eine Vielzahl von Dokumenten. Anstelle der Verwaltung von Dokumenten ergibt sich aber in der Praxis typischerweise viel eher der Bedarf, die Inhalte verschiedener Dokumente miteinander zu verknüpfen und um Wissen, das bisher nur implizit vorhanden ist, zu ergänzen. Daraus ergibt sich die erste Forderung an Wissensmanagementsysteme von morgen:

    • Wissensmanagementsysteme müssen zukünftig den integrierten, aufgabenspezifischen Zugriff auf Wissen erlauben und das explizit gespeicherte Wissen um das implizit vorhandene Wissen ergänzen.

    Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Inhalte von Dokumenten direkt zugreifbar und damit verfügbar zu machen. Sofern dieses Wissen aus einer Vielzahl von Dokumenten bereitgestellt wird, ist eine rein manuelle Erzeugung dieses Wissens nicht mehr praktikabel. Daraus ergibt sich eine zweite, eher mittelfristige Forderung an zukünftige Wissensmanagementsysteme:

    • Wissensmanagementsysteme müssen zukünftig die zielgerichtete Erzeugung von Wissen aus vorliegenden Informationen/ Wissen unterstützen.

    Nachfolgend werden die beiden gerade eingeführten Forderungen im Kontext praxisbezogener Fallbeispiele näher erläutert.

    Integrierte, aufgabenspezifische Sichten auf Wissen

    Die Notwendigkeit, basierend auf Wissen verschiedenste aufgabenspezifische Sichten bereitstellen und Wissen aus verschiedenen Quellen integrieren zu können, wollen wir anhand der Wertschöpfungskette in einem Unternehmen zur erstellung von Sachgütern erläutern:

    Fallbeispiel 2:
    Die Herstellung und der Vertrieb von Produkten verursachen Informations- und Kommunikationsbedarf zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen und Abteilungen. Dabei existieren aber wegen der unterschiedlichen Aufgabenstellungen, die z.B. in Marketing, Vertrieb und Produktion zu bearbeiten sind, völlig unterschiedliche Sichtweisen auf ein Produkt. Diese Sichten müssen konsistent miteinander in Bezug gebracht werden, damit eine unternehmensweite Kommunikation und Kooperation ermöglicht wird.

    Produkte werden durch eine Vielzahl von Dokumenten begleitet, von Konstruktionsunterlagen über Arbeitspläne bis zu Vertriebsbroschüren und Benutzerhandbüchern. Dokumentenbasiertes Wissensmanagement kann zwar den Zugriff auf diese Dokumente flexibel unterstützen, aber nicht die benötigten abteilungsspezifischen Sichten erzeugen und miteinander verknüpfen. Auch ermöglicht ein derartiger Ansatz nicht den gezielten inhaltlichen Zugriff auf ganz bestimmte in diesen Dokumenten enthaltenen Informationen. Dies erfordert den Übergang von einem dokumentengetriebenen zu einem inhaltsgetriebenen Ansatz, wie er in der strategischen Kooperation zwischen der knowledgepark AG und der Ontoprise GmbH realisiert wird:

    • Anwendungsspezifische Thesauri werden schrittweise zu Ontologien verallgemeinert durch (1) die Bereitstellung vielfältiger Beziehungen zwischen den Begriffen sowie (2) die Spezifikation von Regeln, die diese Begriffe und Beziehungen inhaltlich miteinander verknüpfen. Ontologien unterstützen damit eine reichhaltigere Strukturierung eines An-wendungsbereiches und ermöglichen durch ihre Regeln das Erschliessen zusätzlichen Wissens.
    • Durch die Verknüpfung von Dokumenten und Datenbanken mit ontologischem Methodenwissen wird die aufgabenspezifische Integration von Wissen aus verschiedenen Quellen ermöglicht. Die Verknüpfung von Dokumenten mit ontologischem Wissen erfolgt über Werkzeuge, die in die Arbeitsumgebung, z.B. die Textverarbeitungssoftware, direkt integriert sind. Auf diese Weise kann das benötigte Wissen bereitgestellt werden, ohne dass Brüche im Arbeitsprozess entstehen. So kann ein Dokument, das eine Spezifikation der für einen Tintenstrahldrucker verwendeten Drucktechnik enthält, mit den für dieses Dokument wichtigen Begrifflichkeiten verknüpft werden, wie z.B. Tintenstrahltechnik oder Drucker.
    • Durch Ontologien werden verschiedene Sichten auf dasselbe zugrundeliegende Wissen erzeugt. Während z.B. für die Beschaffungsabteilung die Sicht auf eine Komponente ihren Preis und ihre Lieferverfügbarkeit beinhaltet, aber nicht das verwendete Material, stellt die Sicht der Fertigung gerade Materialeigenschaften, aber eher nicht den Preis zur Verfügung.
    • Für die Abstimmung von Geschäftsprozessen über Unternehmensbereichsgrenzen hinweg müssen die Sichten der verschiedenen Unternehmensbereiche zueinander in Bezug gesetzt werden. Dies wird durch Mappings erreicht, die die Begrifflichkeiten der einen Sicht auf die Begrifflichkeiten einer anderen Sicht abbilden. So muss eine Mitarbeiterin, z.B. aus der Produktion, Einblicke gewinnen können in be-nachbarte Bereiche, wie z.B. die Beschaffung oder die Distribution. Über derartige Mappings können auch in international tätigen Unternehmen länderspezifische Sichten miteinander verknüpft werden.
    • Die in einer Ontologie enthaltenen Regeln erlauben es, implizit vorhandenes Wissen explizit zu machen und damit zusätzliches Wissen bereitzustellen. So können in unserem Fallbeispiel die in den Yellow Pages über Mitarbeiter aufgeführten Kompetenzen z.B. über folgende Regel ergänzt werden: "Wenn ein Mitarbeiter in der Entwicklung der Drucktechnik für Tintenstrahldrucker mitgearbeitet hat, dann hat er auch Know-how über die Drucktechnik für Faxgeräte." So ermöglicht diese Regel die Ableitung von zusätzlichen Angaben über Fähigkeiten und damit eine vollständigere Angabe der Mitarbeiterkompetenzen in den Yellow Pages.

    Der hier beschriebene ontologiebasierte Ansatz für das Wissensmanagement erlaubt mit seiner Vernetzung von Wissen neuartige Zugriffsweisen auf in Unternehmen vorhandenes Wissen. Damit wird im Wissensmanagement die Sichtweise isolierter Dokumente abgelöst durch die Sichtweise flexibel verknüpften Wissens.

    Erzeugung von Wissen aus Dokumenten

    Die direkte Erzeugung von Wissen aus Dokumenten eröffnet neue Möglichkeiten, Entwicklungstrends und Zusammenhänge zu erkennen. Die in der Abteilung Qualitätsmanagement eines Unternehmens der Chemiebranche durchgeführten Trendanalysen zeigen diese Möglichkeiten auf:

    Fallbeispiel 3:
    Die Abteilung Qualitätsmanagement hat u.a. die Aufgabe, möglichst frühzeitig Qualitätsprobleme bei den an Kunden ausgelieferten Produkten zu erkennen. Bisher erhält die Abteilung eine Kopie der im Kundenservicecenter eintreffenden Briefe, in denen die Kunden ihre Reklamationsfälle beschreiben. Diese Reklamationsfälle, die z.B. die Farbgebung des Produktes oder seine Oberflächenbeschaffenheit betreffen, werden bisher per Hand erfasst und in einer Datenbank abgelegt. Eine automatische Extraktion dieser Reklamationsaspekte aus den Kundenbriefen und darauf angesetzte Data Mining-Verfahren geben frühzeitig Hinweise darauf, dass die im Werk A durchgeführte Produktionsumstellung zu einer signifikanten Erhöhung der Kundenreklamationen bei Produkt P geführt haben.

    Die im Fallbeispiel 3 aufgezeigten Vorgehensweisen sind ein typisches Beispiel für den Übergang von einem dokumentenbasierten Wissensmanagement hin zu einem Ansatz, der das Verstehen der Kundenbedürfnisse und -anliegen mit dem Verstehen der eigenen Geschäftsprozesse integriert. Was sind nun die IT-Techniken und Methoden, die einen derartigen Wissensmanagementansatz ermöglichen und unterstützen?

    Es wird eine Kombination von Methoden benötigt, die eine zielgerichtete Extraktion relevanten Wissens aus Dokumenten ermöglicht und dieses Wissen dann geeignet analysiert. Die von der knowledgepark AG und der Ontoprise GmbH verfolgte Produktstrategie bietet hierfür folgende Methoden an:

    • Vorkonfektionierte und anpassbare Ontologien stellen die für einen Anwendungsbereich relevanten Begriffe und regelhafte Beziehungen zur Verfügung. Im Fallbeispiel 3 sind dies u.a. eine Konzeptualisierung von Farbgebung und Ober-flächenbeschaffenheit der erzeugten Produkte. Darüber hinaus sind im Intranet Informationen darüber verfügbar, welche Produkte in bestimmten Werken nach welchen Produktionsprozessen hergestellt werden.
    • Die durch die Ontologie bereitgestellten Begrifflichkeiten steuern einfache und damit robuste linguistische Verfahren, mit denen aus Dokumenten zielgerichtet die relevanten Informationen extrahiert und in geeignet strukturierte Datenbanken abgelegt werden können. In unserem Fallbeispiel sind die zu analysierenden Dokumente die eingehenden Reklamationsbriefe, aus denen Aussagen darüber extrahiert werden, welche Arten von Reklamationen gehäuft auftreten.
    • Die Anwendung von Methoden des Data Mining auf extrahierte Informationen liefert dann Analysen, um z.B. Trends in den auftretenden Reklamationsfällen zu erkennen. Im Fallbeispiel 3 ermöglicht die Integration dieser Analysen mit den Informationen über Produktionsstätten und -prozesse die frühzeitige Erkennung von Problemen bei der Erzeugung bestimmter Produkte.

    Aus dem Fallbeispiel 3 wird ersichtlich, dass zukünftige Wissensmanagementsysteme eine Reihe verschiedener Techniken und Methoden integriert anbieten müssen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Reines Dokumentenmanagement reicht hier bei weitem nicht mehr aus.

    Schlussbemerkung

    Es ist offenkundig, dass im Wissensmanagement der Übergang von einem dokumentengetriebenen Ansatz zu einem inhaltlichen Konzept völlig neue Perspektiven eröffnet. Mit der Verbindung von Methoden- und Faktenwissen wird nach unserer Auffassung genau dieser Weg die Lücke bei der Vernetzung und dem Verstehen der Zusammenhänge der Prozesse schliessen - im Unternehmen selbst und im Zusammenspiel mit Kunden und Lieferanten.

    Das ist die Methodik der Kooperationspartner knowledgepark AG und Ontoprise GmbH. Die Produkte dieser Partnerschaft werden genau diese neue Sichtweise auf das Wissensmanagement von morgen bieten.

Kommentare

Das Kommentarsystem ist zurzeit deaktiviert.