CRM als Wissensmanagement-System verstehen

    13. Juni 2005 von Hermann Schurz

    Die Erfahrungen im Wissensmanagement im engeren Sinne können erfolgreich auch auf andere Informationssysteme übertragen werden. Unser Beispiel hier ist CRM. Denn hier handelt es sich nur um einen speziellen Fall der Wissensverarbeitung.

     

    Die Implementierung von Informationssystemen für das Management von Kundendaten (CRM oder Customer-Relationship-Management) gehört seit einigen Jahren zu den Aufgaben, die in vielen Unternehmen auf der Prioritätenliste ganz oben stehen.

    Nach einer Phase der Euphorie Ende der 90er Jahre ist aber Ernüchterung bei vielen eingekehrt, da die mit CRM verbundenen Erwartungen nur teilweise oder gar nicht erfüllt wurden.

    Gründe für die Unzufriedenheit: Die Systeme wurden nicht oder nur unzureichend oder falsch genutzt. Eine spürbare Verbesserung der Marktbearbeitung konnte selten erreicht werden, Umsatz- oder Renditesteigerungen waren nur schwer nachzuweisen. Wo liegen die Gründe für diese Fehlentwicklung?

    Die Erfahrungen mit dem Managen von Wissen geben hier die Antwort. Denn: Ein CRM-System ist in erster Linie ein Wissensmanagementsystem. Kundendaten sollen sicher aufbewahrt werden und zu gegebener Zeit schnell abrufbar sein (operatives CRM) bzw. die Grundlage für die Analyse von Kunden sein (analytisches CRM).

    Diese rein informatorische Grundlage ist aber nicht ausreichend für ein funktionierendes Kundenbeziehungsmanagement im Marketing und einen erfolgreichen Vertrieb. Eine Software alleine kann nicht Ursache eines erfolglosen Kundenbeziehungsmanagements sein. Die Menschen, die mit der Software arbeiten, sind diejenigen, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.

    Das Verwalten und Managen von Kundendaten sind also nur ein Teil des Kundenbeziehungsmanagements. Wer also glaubt ersteres reiche aus, der täuscht sich.

    Zu dieser Erkenntnis gelangten Wissensfachleute für ihren Bereich sehr schnell. Auch im Wissensmanagement ist die IT-Lösung eine Voraussetzung für Effizienz, nicht aber für Effektivität. Sperren sich Mitarbeiter gegen den Wissenstransfer, nützt auch die ausgefeilteste Software nichts.

    Aus diesen Erfahrungen haben die meisten Fachleute den Schluss gezogen, dass auch die den Wissenstransfer betreffenden Abläufe in ein Wissensmanagementprojekt einbezogen werden müssen.

    Diese Sicht führt dann zwangsläufig zu einem Vorgehensmodell, das das Unternehmen ganzheitlich einbezieht und auch auf das CRM übertragen werden kann:

    • Abläufe benötigen ein schlüssiges Ziel-Strategie-System
    • Abläufe betreffen vor allem die Prozessverantwortlichen, also die Mitarbeiter, so dass deren Kompetenzen und die Unternehmens- und Führungskultur weitere wichtige Erfolgsfaktoren sind

     

    Die ganzheitliche Betrachtung schließt also 4 Aspekte ein: Ziel-Strategie-System, Menschen, Prozesse und IT-Technologien.

    Für unser CRM bedeutet dies: Ein IT-System ist also zunächst nur ein Element dieser 4 Aspekte - wer mag sich jetzt noch darüber wundern, dass durch die isolierte Software-Einführung in der Regel keine substanziellen Verbesserungen hinsichtlich des Verhältnisses zu den Kunden erreicht werden?

    Betrachten wir nun nacheinander die 4 Aspekte und entwickeln daraus ein schlüssiges Vorgehensmodell für eine erfolgreiche CRM-Einführung. Aus Platzgründen können nur einige Beispiele aufgezählt werden.

     

    Ziel-Strategie-System

    Die strategische Zielbestimmung ist das Fundament, auf dem das ganze CRM-Projekt aufbaut. Ganz zu Beginn müssen Ziele für die Kundenbeziehung in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Service definiert werden. Idealerweise erfolgt dies auf der Grundlage der gesamten Marketing- und Vertriebsziele, die wiederum mit den unternehmensweiten Zielen harmonieren.

    Zunächst fallen einem operative Strategien ein, zum Beispiel Maßnahmen zur Erreichung der Marktführerschaft. Aber auch sogenannte weiche Strategien haben erhebliche Bedeutung. Eine "weiche" Strategie zur Erreichung des Ziels "Schaffen marktorientierter Produkte" könnte in der Verbesserung der Kommunikation zwischen den Abteilungen Marketing, Vertrieb und Produktentwicklung bestehen.

    Im idealen Unternehmen besteht zwischen den Abteilungen Marketing, Vertrieb und Forschung/Entwicklung eine enge Zusammenarbeit. Das Marketing erhält umfangreiche Marktinformationen von außen und innen, entwickelt CRM-Aktivitäten oder macht Vorgaben für Vertrieb und Produktentwicklung. Der Informationsfluss ist idealerweise ungestört, die Informationsbewertung erfolgt abteilungsübergreifend unter Beachtung der Unternehmensziele.

    In der Praxis gibt es demgegenüber ein Spannungsfeld mit vielfältigen Konflikten aufgrund unterschiedlicher Arbeitsweisen und Zielvorstellungen, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.

    Vertriebsmitarbeiter sind oft Einzelkämpfer, die von ihrem persönlichen Verkaufserfolg leben. Die Zusammenarbeit mit dem Marketing wird als lästig und kontraproduktiv empfunden. Das Wissen über die Kundenbedürfnisse speist sich aus erster Quelle - direkt von den Kunden.

    Marketingmitarbeiter sind demgegenüber teamorientiert und geschult, Dinge im großen Zusammenhang zu sehen, haben jedoch geringeren Kundenkontakt. Sie orientieren sich am Markterfolg des Unternehmens, an dem auch sie gemessen werden.

    Produktentwickler sind eher teamorientiert, neigen aber dazu, Produkte verfahrensorientiert nach persönlichem Geschmack zu erstellen. Dies hemmt sowohl den Informationsfluss als auch den Wissensaufbau und kann dazu führen, dass vollständig am Markt vorbeiproduziert wird.

    Das Ziel liegt daher im Abbau dieses Spannungsfeldes, damit die Informations- und Wissensvernetzung zwischen diesen Abteilungen reibungslos funktionieren.

    Personeller Aspekt

     

    Wir unterscheiden 3 Gesichtspunkte:

    1. Unternehmenskultur
    2. Führungskultur
    3. Mitarbeiterkompetenzen

     

    Unternehmenskultur und Mitarbeiterkompetenzen

    Zunächst muss die Förderung des informellen Informations- und Wissensaustausches und die Kundenorientierung der Mitarbeiter zu einem Bestandteil der Unternehmenskultur werden. Nur so werden die Mitarbeiter auch Willens sein, die richtigen Informationen dem CRM-System zur Verfügung zu stellen und ihr Handeln am Kundenbedarf ausrichten.

    Dabei muss die Langfristigkeit eines derartigen Change-Managements beachtet werden. Generelle Aussagen können nicht getroffen werden, da die Ausgangssituation den Zeitbedarf fundamental bestimmt.

    Ist ein Unternehmen offen und schon erfolgreich mit am Kunden orientierten Maßnahmen, ist der Änderungsbedarf dementsprechend gering und kann in relativ kurzer Zeit - etwa einem Jahr - erfolgen.

    Die Instrumente dafür sind aktive Einbeziehung der Mitarbeiter in das Projekt sowie spezielle Workshops zur Wissenskultur und Kundenorientierung.

    In gewissen Grenzen können Defizite durch Schulungen ausgeglichen werden. Jedoch wird es nicht gelingen, einen introvertierten Mitarbeiter zu einem informationsoffenen Mitarbeiter zu machen, der seine Aktivitäten der Nachfrage anpasst.

    Ebenfalls sind regelmäßige Personalgespräche notwendig, die auch den Anteil des Mitarbeiters an der Umsetzung der Unternehmenskulturziele beinhalten. Dies sollte sogar einen Teil der erfolgsabhängigen Vergütung ausmachen - als weiteren Anreiz zur Anpassung an die gewünschte Kultur.

    Gefragt ist hier die Personalabteilung. Bei Neueinstellungen muss auf die Kompetenzen der Bewerber geachtet werden. Dazu bedarf es eines Beurteilungssystems, dass eben auch implizite Fähigkeiten der Bewerber (zum Beispiel Servicebereitschaft, Rhetorik, Vertriebsaffinität) analysiert und bewertet.

    Das gleiche gilt auch für den Personalbestand. Eine detaillierte Zusammenstellung der expliziten und impliziten Kompetenzen deckt Lücken und Änderungsbedarfe auf. Es kann bei jedem Mitarbeiter individuell entschieden werden, wie unerwünschte Eigenschaften abgelegt werden können.

    Als sehr hartes Instrument sollte auch der Austausch von Mitarbeitern diskutiert werden. Sind vertriebsorientierte Mitarbeiter in internen Abteilungen zu finden, die beruflich wesentlich erfolgreicher im Verkauf sein würden? Gibt es im Unternehmen analytisch Hochbegabte, die diese Fähigkeit in ihrer momentanen Funktion nicht nutzen können?

    Entsprechend der Ausgangssituation und des Anspruchs an die Unternehmenskultur können solche Prozesse bis zu 5 Jahren Zeit benötigen.

    Führungskultur und Führungskompetenzen

    Unternehmensführung und die Leiter der von CRM betroffenen Abteilungen müssen von der Notwendigkeit des Kundenbeziehungsmanagements und des IT-Werkzeugs überzeugt sein. Nur dann ist auch die Akzeptanz bei den Mitarbeitern gewährleistet.

    Die Überzeugung des Managements erreicht man erstens durch dessen aktives Einbinden in den Implementierungsprozess, zweitens ggf. durch eine Anpassung der Führungskultur. Konflikte zwischen Führungskultur und der Kundenbeziehungsstrategie werden in Coachings aufgedeckt. Anpassungen des Führungsstils erfolgen langfristig.

    Ansonsten gelten hier dieselben Forderungen, die schon weiter oben bezüglich der Kompetenzenanalyse gestellt wurden. Das Einbinden der Personalabteilung in den Änderungsprozess hinsichtlich der Führungskultur hat die gleiche Wichtigkeit.

     

    Prozessuale Aspekte

    Die Auswahl der für den Umgang mit Kunden befähigten Mitarbeiter ist fundamental, wie schon weiter oben ausgeführt wurde. Daher muss schon zu Beginn eine Verbindung mit der Prozessplanung stattfinden. Das Einbeziehen der Mitarbeiterkompetenzen in das Design der Kundenbeziehungsprozesse ist der interne Aspekt.

    Ziel dabei ist es, die Prozesse auch an den Personalkompetenzen auszurichten, so dass der Prozesserfolg nicht an falsch zugeordneten Prozessverantwortlichen scheitert.

    Der externe Aspekt betrifft die Bedürfnisse der Kunden. Die Prozesse müssen vor allem diesen Bedürfnissen angepasst werden, um erfolgreich zu sein. Dies kann am klassischen Kundenphasen-Modell erfolgen. Wir unterscheiden dort Indifferenz-, Such-, Angebots-, Abschluss und Besitzphase. In jeder dieser Phasen haben die Kunden unterschiedliche Bedürfnisse und auch das Unternehmen unterschiedliche (Zwischen-)Ziele.

    Nach einer möglichst vollständigen Aufzählung der Maßnahmen erfolgt die Bewertung und Auswahl der Prozesse nach individuellen Kriterien. Bei einer größeren Zahl von Prozessen ist über eine zeitliche Realisationsfolge nachzudenken, die sich aus der Bewertung der Wichtigkeit der Prozesse ergibt.

    Informatorischer Aspekt

    Die Auswahl geeigneter CRM-Software folgt danach, den Abschluss bildet die detaillierte Prozessgestaltung.

    Die CRM-Systemauswahl kommt also ganz zum Schluss, was auch unsere These von der untergeordneten Systemfrage stützt. Das passende System soll nicht nur mit der gesamten Informationslandschaft im Unternehmen harmonieren, es muss auch die ausgewählten Prozesse und die Prozessverantwortlichen - die Mitarbeiter - unterstützen.

    Aus Kostengründen wird eine Software gewählt, mit der man viele Prozesse ohne kostenspielige Anpassung durchführen kann (z. B. nach der Pareto-Regel 80:20).

    Einem CRM-Erfolg steht nun nichts mehr im Wege.

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