Business Model Innovation

    Überlegungen zur systematischen Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen auf Basis eines Management-Framework

    27. März 2012 von Ralf Langen

    In diesem Beitrag soll gezeigt werden, wie der Innovationsprozess auf Ebene der Geschäftsmodellentwicklung erfolgreich umgesetzt werden kann. Auf Basis eines Management-Frameworks werden Überlegungen zur systematischen Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen vorgestellt. Basierend auf den Denktraditionen der Absorptive Capacity und der Business Model Innovation Theory folgt die Annahme, dass ein erfolgreicher Weiterentwicklungsprozess vor allem auf Dialog basieren muss. Um das Wissenspotential einer lernenden Organisation voll ausschöpfen zu können, muss der Prozess ergebnisoffen und partizipativ gestaltet werden. Nur dadurch kann erreicht werden, dass die Weiterentwicklung eines neuen Geschäftsmodells den Wandelbedürfnissen der Organisation entspricht.

    1. Die lernende Organisation als Innovationstreiber

    „Da die Welt immer enger zusammenrückt und die Komplexität und Dynamik der Wirtschaft ständig zunimmt, muss die Arbeit »lernintensiver« werden. Es reicht nicht mehr aus, dass eine einzelne Person – ein Ford  oder Sloan oder Watson – stellvertretend für die gesamte Organisation lernt. Es wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, dass man »die Dinge oben& ausknobelt« und dafür sorgt, dass alle anderen den Anweisungen des »großen Strategen« folgen. Die Spitzenorganisationen der Zukunft werden sich  dadurch auszeichnen, dass sie wissen, wie man das Engagement und das  Lernpotenzial auf allen Ebenen einer Organisation erschließt“ (Peter M. Senge).1

    Laut Senge ist es vor allem die Lernfähigkeit einer Organisation, die zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor wird. Die Fähigkeit, neue externe Informationen zu identifizieren, dieses neuartige und als nützlich bewertete Wissen zu assimilieren und das assimilierte Wissen wertschaffend einzusetzen werden zu maßgeblichen Komponenten des Innovationsprozesses, der jeder lernenden Organisation schon per Definition zu eigen sein sollte.

    An dieser Stelle soll gezeigt werden, wie der Innovationsprozess auf Ebene der Geschäftsmodellentwicklung erfolgreich umgesetzt werden kann. Auf Basis eines Management-Frameworks werden Überlegungen zur systematischen Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen vorgestellt.

    2. Business Model Innovation: Lösungsansatz für die Innovation von Geschäftsmodellen auf Basis eines Management-Framework

    In den wenigsten Unternehmen  existiert ein verbindliches „Gerüst“, auf dessen Basis eine systematische Weiterentwicklung der zugrundeliegenden Geschäftsmodelle erfolgen kann. Ein solches Gerüst ist aber notwendig als Verständigungshilfe, um an der Schnittstelle zwischen Headquarter oder Holding  (Corporate Strategy) und Business Unit bzw. Portfolio-Unternehmen die Grundlage für eine Management-Praxis zu schaffen, die Geschäftsmodellinnovationen stimuliert und nachvollziehbar macht. Ein solches Gerüst kann als „Framework“ 2 etabliert werden, das den für das Unternehmen spezifischen Prozess der Innovation der Wertschöpfung abbildet.  Die wesentlichen Komponenten und Dimensionen eines solchen Frameworks für die Geschäftsmodellinnovation sind:

    • Eine Ontologie – Gesucht wird ein tragfähiges Kategoriengerüst, das einen entsprechenden Begriffsrahmen für Headquarter/Holding-Manager und Manager der Einzelunternehmen oder Business Units bereitstellt und ein gemeinsames Verständnis von Geschäftsmodellen und deren Innovation erlaubt,  indem es  die wesentlichen Dimensionen integriert, die für eine Analyse und Gestaltung von Geschäftsmodellen im Unternehmen erforderlich sind.
    • Ein definierter Innovationsprozess – Gesucht wird eine systematische Vorgehensweise bei der Überprüfung und Veränderung von Geschäftsmodellen, die zugleich eine Verarbeitung disruptiver und nicht disruptiver Marktentwicklungen sowie einen 360-Grad-Rundumblick auf die relevanten Akteure, Wettbewerbsbedingungen und Trends obligatorisch macht, und zudem eine handlungsorientierende Komponente beinhaltet. Der Innovationsprozess sollte letztlich an den Managementprozess des Unternehmens gekoppelt werden, aus den Analysen und Neu-Konzeptionen sollten sich rasch verbindliche Umsetzungen ergeben und der Dialog zwischen Headquarter/Holding und GF der Einzelunternehmen/Business Units kann so auf eine tragfähige und verbindliche Basis gestellt werden. 
    • Eine erprobte Operationalisierung -  gesucht wird eine wirkungsvolle Didaktik für die Institutionalisierung und Praxis der Geschäftsmodellinnovation, die auf die besondere Komplexität und Heterogenität der Einzelunternehmen/Business Units Rücksicht nimmt – und zudem auf die engagierende Kraft avancierter Lernmethoden setzt, die sich bei Interventionen zur  Stärkung des „Geschäftssinnes“ (englisch: „business acumen“)3 in der Unternehmenswelt bewährt haben. Dies sind vor allem Lernformate, die mit Techniken der Simulation und der Szenariobildung arbeiten. Ziel ist es, den Innovationsprozess über Rituale und Routinen als anspruchsvollen Geschäftsdialog im Unternehmen zu verankern.
    • Ein effizientes Projektdesign – Gesucht wird schließlich eine effiziente Form der „Business Model Innovation“, um das Framework dauerhaft zu etablieren. Dabei sollten die oben genannten Komponenten (Ontologie/Systematik – Innovationsprozess – Operationalisierung über Routine und Rituale) im Projektteam erarbeitet und unter optimalem Ressourceneinsatz eingeführt werden.

    Die nachfolgenden Darlegungen skizzieren, wie think2know, basierend auf Auswertungen der vorliegenden Forschungsliteratur sowie basierend auf eigenen Erfahrungen mit der Konzeption von Management-Frameworks, dem Design von Innovations- und Optimierungsprozessen, der Didaktik und Konzeption nachhaltiger Lernformate für die Verankerung von Managementpraktiken in Unternehmen sowie mit der Betreuung anspruchsvoller Projektaufträge vergleichbaren Typs eine solche lösen kann.

    3. Konzeptionelle Überlegungen

    A. ONTOLOGIE  und SYSTEMATIK

    Die Frage nach der Innovationsfähigkeit von Unternehmen mit besonderem Fokus auf der Veränderung und Anpassung zugrundeliegender Geschäftsmodelle wird in der ökonomischen Forschung vor allem in zwei Denktraditionen behandelt: in den Ansätzen zur sogenannten „Absorptive Capacity“ von Unternehmen (basierend auf den Arbeiten von Cohen/Levinthal aus den USA) und in den Überlegungen zu einer Theorie der Geschäftsmodellinnovationen neueren Datums (im Anschluss an Gary Hamel’s Ausführungen zur „Business Concept Innovation“)4.

    Stimuliert werden diese Untersuchungen vor allem durch die Auseinandersetzung mit erfolgreichen Unternehmen wie Dell Computers, Ryanair, Amazon und vor allem Apple. Gerade bei Dell oder Apple wird das innovative Geschäftsmodell als Ursache des Erfolgs angeführt, und auch die weiteren Dissertationen, vor allem am Beispiel der Musikindustrie, liefern erste Vermutungen über Indikatoren, empirisch hinterlegte Nachweise des Zusammenhangs von Geschäftserfolg und Geschäftsmodell sowie erste Hypothesen zu quantitativen und qualitativen Einflussfaktoren und stellen Veränderungsmuster von Unternehmen und Geschäftsmodellen zur Verfügung.5 Beide Denktraditionen sind für die Formulierung einer Ontologie und Systematik der Geschäftsmodellinnovation nützlich, ebenso wie die ganz aktuellen Ergebnisse des Fraunhofer-Institutes, im Rahmen des sogenannten THESEUS-Projektes zum „Internet der Dienste“.

    Denktradition I:  Absorptive Capacity als kritische Komponente der Innovationsfähigkeit

    Cohen/Levinthal, die sich bereits in den 1990er Jahren mit der Frage nach der Innovations-fähigkeit von Unternehmen beschäftigt haben, beschreiben die von ihnen als „Absorptive Capacity“ bezeichnete Eigenschaft von Unternehmen als eine besonders kritische Komponente der Innovationsfähigkeit und definieren sie als “ability to recognize the value of new information, assimilate it, and apply it to commercial ends”.6

    Schreyögg, der das Konzept der „Absorptive Capacity“ frühzeitig aufgegriffen hat, erläutert in einem grundlegenden Essay7 die Absorptionsfähigkeit von Unternehmen als „eine spezielle organisationale Fähigkeit, die maßgeblich (mit)bestimmt, wie innovativ ein Unternehmen ist. Diese Fähigkeit setzt sich aus dem Zusammenwirken von drei Teilfähigkeiten zusammen: der Fähigkeit, neue externe Informationen zu identifizieren; der Fähigkeit, dieses neuartige und als nützlich bewertete Wissen zu assimilieren und der Fähigkeit, das assimilierte Wissen wertschaffend einzusetzen“.

    Zahra und George (2002) haben dieses Konzept erweitert, indem sie eine zusätzliche Komponente, die Transformation von Wissen eingeführt haben, die sie als “a firm’s capability to develop and refine the routines that facilitate combining existing knowledge and the newly acquired and assimilated knowledge” beschreiben. 8

    Abb.1 Praktiken der Absorbtionsfähigkeit

    Abbildung 1: Praktiken der Absorptionsfähigkeit (Quelle: Schreyögg 2010: 10)

    Schreyögg weist in seinem Essay zu Recht darauf hin, dass „die Entwicklung einer hohen Absorptionsfähigkeit allerdings nicht voraussetzungslos [geschieht]: Die  Absorptions-fähigkeit eines Unternehmens ist auch ein Spiegel der organisationalen Lerngeschichte und damit automatisch auch der Unternehmenskultur. Das kollektive Gedächtnis und die Vorstellungswelt eines Unternehmens bilden den Humus aber auch die Pfade, auf denen sich die Absorption neuen Wissens entfaltet. Dies bedeutet eine Chance aber auch eine Einschränkung zugleich, denn inhaltlich oder strukturell neuartiges Wissen kann nur identifiziert und aufgenommen werden, wenn die dafür erforderlichen Kategorien bzw. das dazu erforderliche Sensorium vorhanden sind.“9

    Für unsere Überlegungen sind vor allem die von Schreyögg in seinem einführenden Essay herausgearbeiteten Erkenntnisse der „Absorptive Capacity“-Schule festzuhalten, die auf die Bedeutung effizienter Formen des organisationalen Lernens (1) der Routinen und Praktiken zum Wissenstransfer und zur Wissensintegration (2) und schließlich  der Bedeutung von psychologischen Faktoren im Innovationsprozess (3) abheben.

    (1) Effiziente Formen organisationalen Lernen zur Steigerung der Absorptionsfähigkeit:

    Hier sind vor allem reflexive Lernformen gemeint, die im Sinne der Lerntheoretiker Agyris/Schön als „Deutero-Lernen“ bezeichnet werden – also Ansätze, die über reines Anpassungslernen („doing the things right“); und reines Veränderungslernen („doing the right things“) hinausgehen und Problemlösungslernen und Prozesslernen ermöglichen, bei dem auch  die bisherigen Lernvorgänge im Unternehmen hinterfragt, reflektiert und optimiert werden.

    Für die Ausarbeitung eines Lösungsansatzes bedeutet dies: Man sollte bei der Einführung von Business Model Innovation auf Modelle setzen, die über dialogisches (und damit reflektierendes) Lernen funktionieren, wie beispielsweise Learning Maps, Szenario-Techniken oder Planspiel-Ansätze.

    (2) Routinen und Praktiken zum Wissenstransfer und zur Wissensintegration:

    Schreyögg bemerkt zu Recht, dass „die Absorptionsfähigkeiten einer Organisation als Prozessfähigkeiten verstanden werden, da diese aus dem Verlauf der Wissensabsorption heraus entstehen. Ihren Niederschlag finden die Prozessfähigkeiten schließlich in bewährten organisationalen Routinen der Wissensabsorption.“10 Routinen, verstanden als soziale Praktiken im Unternehmen, sind gestaltungsfähig und von hoher Bedeutung wiederum für das kontinuierliche Lernen und Verändern von Abläufen und Prozessen. Darum wird es ja bei der Umsetzung von Geschäftsmodellinnovationen im Wesentlichen gehen: die Anpassung von Abläufen und Kernprozessen, das „Rekonfigurieren von Aktivitäten“ im Unternehmen.

    Für die Ausarbeitung eines Lösungsansatzes  bedeutet dies: man sollte die Verankerung im Management-Alltag nicht außer Acht lassen, damit Business Model Innovation nicht eine einmalige Angelegenheit bleibt.

    (3) Psychologische Faktoren im Innovationsprozess:

    In Übereinstimmung mit organisations- und sozialpsychologischen Untersuchungen zum; Change Management berücksichtigen die Vertreter der Absorptive Capacity die psychologischen Faktoren menschlichen Handelns. Innovationsprozesse auf der Ebene der Geschäftsmodelle müssen ebenso wie andere Veränderungsinitiativen mit den Hürden des Wandels11 rechnen und über Interventionsmethoden zum Überwinden dieser Hürden verfügen.

    Für die Ausarbeitung eines Lösungsansatzes  bedeutet dies: Man sollte bei der Umsetzung (Roll Out) die bewährten Strategien des Veränderungsmanagements berücksichtigen, die für eine soziale Anerkennung und Verankerung und den Abbau von Barrieren bei der Umsetzung sorgen.

    Denktradition II: Business Model Innovation Theory

    Die Beschäftigung mit den zugrundeliegenden Geschäftsmodellen von Unternehmen und die Analyse etablierter Geschäftsmodelle ganzer Branchen und Industriezweige ist vor allem der New Economy zu verdanken. Das Interesse an Geschäftsmodellen richtete sich dabei vor allem auf web-basierte Start-Up-Unternehmen, die die traditionellen Geschäftslogiken und Wertschöpfungsprozesse ganzer Wirtschaftszweige in Frage stellten. Amazon erreichte seine Kunden für den Buchverkauf über das Internet, E-Bay machte aus dem bislang bestenfalls lokal möglichen Gebrauchtwarenhandel eine nationale elektronische Angelegenheit.

    Zieht man die aktuelle wirtschaftswissenschaftliche Literatur zu Rate, so bestätigt sich die Vermutung, dass es kein einheitliches Verständnis für Geschäftsmodelle und deren Bestandteile gibt. Es herrscht aber zumindest ein einheitliches Grundverständnis darüber, dass Geschäftsmodelle „in erster Näherung eine ganzheitliche Beschreibung unter-nehmerischer Tätigkeit in aggregierter Form“ darstellen.

    Die Business-Model-„Leinwand“ (Canvas) von Osterwalder und Pigneur

    Eine der besten Arbeiten zur Generierung und Innovation von Geschäftsmodellen haben Osterwalder und Pigneur mit ihrer Business Model Ontology vorgelegt12. Mit den 9  Grundkomponenten (Building Blocks) ihres Modells, einer aus bekannten Beispielen abgeleiteten Typologie von „Patterns“ („business models with similar characteristics“), der hervorragenden Operationalisierung des Modells als Dialogwerkzeug ( „Business Model Canvas“) und einem durchdachten Vorschlag für die Bearbeitung von relevanten Wissensbausteinen im Innovationsprozess stellen die Autoren exzellente Komponenten bereit.

    Die 9 Komponenten / Building Blocks eines Geschäftsmodells

    In Übereinstimmung mit vielen bestehenden Geschäftsmodell-Ansätzen und Ergebnissen der Forschung konzipieren Osterwalder/Pigneur ihre Ontologie, indem sie die 4 wesentlichen Dimensionen einer Unternehmung in den Blick rücken:  Die Kundenperspektive, die Nutzendimension, die Dimension von Infrastruktur und Kernkompetenzen sowie die Finanzperspektive.  So entstehen die folgenden 9 Komponenten eines Geschäftsmodells:

    1. Customer Segments – Kundensegmente
    2. Value Propositions – Nutzenversprechen
    3. Channels – Kanäle
    4. Customer Relationship – Kundenbeziehungen
    5. Revenue Streams – Erlösquellen
    6. Key Resources – Schlüsselressourcen und Kernkompetenzen
    7. Key Activities – Kernaktivitäten
    8. Key Partnerships – Partnerschaften
    9. Cost Structur – Kostenstruktur

    Die intuitiv verständliche Ontologie und Begriffssystematik erlaubt, Wechselwirkungen zwischen den Bausteinen des Geschäftsmodells in den Blick zu rücken – ohne an Trennschärfe und Feinoptik zu verlieren.  Sie setzt auf der Höhe der praktischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema der Innovation von Geschäftsmodellen an und ist gut dokumentiert.

    Hinzu kommt die von den Autoren ebenfalls ausgearbeitete Visualisierung als „Leinwand“ (Business Model Canvas), die sich hervorragend als Grundlage für die Ausarbeitung eines Dialog- und Lernwerkzeuges eignet, um die Geschäftsmodellinnovation systematisch und im Sinne eines Managementprozesses zu betreiben. Die „Leinwand“ lässt sich beispielsweise leicht als „Learning Map“ für eine Gruppenübung verwenden, bei der komplexe Wissensbestände (zu den 9 Dimensionen) in eine zielgerichtete Diskussion über die Geschäftsmodelle und deren Anpassungsmöglichkeiten eingebracht werden. Osterwalder und Pigneur stellen uns also brauchbare Werkzeuge bereit, die bereits erprobt und hinreichend ausbaufähig sind, um sie für unsere Zwecke zu nutzen.

    Abbildung 2: The Business Model Canvas

    Abbildung 2: The Business Model Canvas (Quelle: http://www.businessmodelgeneration.com/canvas abgerufen am 27.03.2012)
    Die „Leinwand“ für Diskussion, Entwicklung und Überarbeitung eines Geschäftsmodells mit den 9 Komponenten. Inzwischen haben Osterwalder/Pigneur sogar eine iPad-Applikation des Modells angekündigt. 13

    B. DER INNOVATIONSPROZESS ALS DIALOGPROZESS

    Die folgende Darstellung zeigt die 3 wesentlichen Bausteine für die Einführung eines Business-Model-Innovationsprozess.

    Abbildung 3: Bausteine der Einführung eines Business-Model-Innovationsprozess

    Abbildung 3: Bausteine der Einführung eines Business-Model-Innovationsprozess (Quelle: Eigene Abbildung)

    Der oben skizzierte Innovationsprozess für die Geschäftsmodelle sollte als dialogischer Prozess verankert werden. Das Herzstück einer derartigen, kontinuierlichen Verständigung zwischen Headquarter/Holding-Manager und GF/Management der Einzelunternehmen/ Business Units wäre dann eine BMI Learning Map, die als Werkzeug für die Management-Dialoge zur Verfügung gestellt wird und zugleich als zentrales „Dialogwerkzeug“ für eine ein bis 2 Mal pro Jahr stattfindende BMI-Session funktioniert. Die Learning Map erlaubt eine hinreichend offene, aber strukturierte Diskussion der Anpassungspotentiale des jeweiligen Geschäftsmodells und eine spielerisch-kreative Beschäftigung mit komplexen Informations- und Wissensbausteinen. Diese werden im Sinne der Szenario-Technik können entsprechend für die Einzelunternehmen/Business Units aufbereitet und als Set von validen Indikatoren zum unterjährigen Gebrauch verdichtet werden.

    Bei den Indikatoren ist auf die Spezifik zu achten, und auf eine praktikable Integration bereits vorhandener Informationen: Typischerweise sind dies bereits aus dem Controlling vorliegende Daten wie z.B. Marktanteil, Umsatztrends, Kundennachfragen oder Auftragseingangsentwicklungen. Aufgrund der vorhandenen Quantifizierbarkeit ist eine Bildung von Sollwerten und Toleranzgrenzen möglich, deren Überschreiten eine Triggerfunktion hat.

    Die Geschäftsdialoge stellen das ritualisierte Verfahren der Analyse und Durchsprache der Aktivitäten dar, das zwischen Headquarter/Holding  und Management der Einzelunternehmen/Business Units institutionalisiert werden sollte. Es kann im monatlichen oder Quartals-Rhythmus erfolgen, abhängig von der Dynamik des Marktumfeldes in dem das Unternehmen agiert.

    C. Typisches Projektdesign: Umsetzung

    Die Einführung eines systematischen BMI-Prozesses kann nur unternehmensspezifisch, zugeschnitten auf Größe, Struktur und Markt des Unternehmens erfolgen. Grundsätzlich hat sich aber ein dreistufiges Vorgehen bewährt, mit den Schritten

    (1) Komponenten-Design,
    (2) Pilotierung,
    (3) Roll-Out.

    Die Zusammenarbeit zwischen Beraterteam und Kunde sollte im Rahmen einer normalen Projektgruppe erfolgen, die sich aus Beratern von think2know und Kunden-Mitarbeitern zusammensetzt. Das Team arbeitet auf Basis einer Knowledge-Plattform von think2know, und führt in regelmäßigen Abständen (wöchentlich) Projektmeetings durch, es ist für die Steuerung des Gesamtprojektes und die Einbindung weiterer Ressourcen verantwortlich. Jeweils vor Beginn und nach Abschluss der drei Stufen Komponenten-Design, Pilotierung und Roll-Out finden ganztägige Workshop-Sessions statt. Ansonsten arbeiten die Berater vor Ort (wenn nötig), so dass ein Projektraum im Unternehmen benötigt wird.

    1)  Komponenten-Design – ca. 6 Wochen

    Auf Basis einer sorgfältig vorbereiteten und ausführlichen Briefing-Session mit Kunden- und Beraterteam wird ein Unternehmen/eine Business Unit für die Pilotierung  ausgesucht. Zugeschnitten auf das Pilotunternehmen werden die Hauptkomponenten der Lösung zunächst vom Beraterteam weiter ausgearbeitet und einsatzfähig gemacht. Dazu gehören:

    1. Ontologie und Systematik – Abgleich des „9-Komponenten“-Modells mit den Begrifflichkeiten und Kategorien/Modellen, die derzeit im Unternehmen für die strategische Planung und Steuerung verwendet werden. Auswertung der vorliegenden Darstellungen zum Geschäftsmodell des Pilotunternehmens. Ggfls. Ergänzung oder Überarbeitung der Ontologie.
    2. Klärung: welche Informations- und Wissensbestände zu den 4 grundsätzlichen Dimensionen Kundenperspektive, Nutzendimension, Infrastruktur und Kernkompetenzen sowie Finanzperspektive liegen vor bzw. sind in welcher Form zugänglich – welche müssen evtl. neu erhoben werden, welche Daten und Trends werden vom Pilotunternehmen ad hoc oder kontinuierlich erhoben, welche Daten und Trends werden in der Holding generiert bzw. zur Verfügung gestellt? Welche allgemeinen externen Quellen lassen sich verwenden?
    3. Ausarbeiten einer „Business Modell Innovation (BMI) Learning Map“ als Grundlage für den 1. BMI-Workshop mit Vertretern des Pilotunternehmens inkl. Begleitmaterialien und Moderationsleitfaden.
    4. Erstellen eines Prototyps für ein indikatorenbasiertes BMI-Tool, d.h. Vorschlag für ein Set von max. 10 Indikatoren, die als Frühwarnsystem verwendet werden können, um auf entstehenden Anpassungsbedarf beim Geschäftsmodell des Pilotunternehmens aufmerksam zu machen.
    5. Erstellen eines BMI-Jahreskalenders, der über Taktung, Didaktik und zu erwartende Outcomes des kontinuierlichen BMI-Dialog Auskunft gibt.

    2)  Pilotierung – ca. 8 Wochen

    Mit dem ausgewählten Pilotunternehmen wird der 1. BMI-Workshop auf Basis der erarbeiteten Learning Map durchgeführt. Zeitbedarf ist ein Tag für die Teilnehmer.  Ziel ist die Verständigung über das bestehende Geschäftsmodell und das Erarbeiten von Innovationschancen auf Basis der Beschäftigung mit den im Workshop verwendeten Daten und Trendinformationen. Darüber hinaus sollen die Teilnehmer grundsätzlich mit der Methodik zur Business Model Innovation vertraut gemacht werden und sich auf den weiteren Prozess im Jahresverlauf einigen.

    Der Workshop wird vom Beraterteam vor- und nachbereitet und bei Bedarf auch moderiert. Denkbar ist aber auch ein Train-the-Trainer-Ansatz, bei dem der Workshop-Moderator entsprechend vorbereitet wird.

    Vier Wochen nach Durchführung des Workshops wird zudem ein erster BMI-Dialog durchgeführt, bei dem es sich um eine ca. 60 minütige Durchsprache der Aktivitäten zur Geschäftsmodellinnovation zwischen Holding/Headquarter und Management  des Portfoliounternehmens/der Business Unit handelt. Hier können erste Ergebnisse der Modell-Anpassung nach dem Workshop und weitere Innovationsmöglichkeiten angesprochen werden. Im BMI Dialog kann das Indikatoren-Tool verwendet werden.

    Ebenfalls in den Rahmen der Pilotierungsphase fällt eine „Review-Session“ zur Anpassung der Vorgehensweise insgesamt und der Feinplanung für den Rollout auf Basis der Learnings aus dem Piloten.

    3)  Rollout – ca. 3 Monate

    Der Rollout der BMI-Initiative auf Basis der Ontologie, Methodik und Werkzeuge, die im Piloten bereits verwendet wurden, kann im Rahmen einer BMI-Konferenz stattfinden, an der alle GFs/Senior Manager des Gesamtunternehmens  teilnehmen. Im Rahmen der eintägigen Konferenz lassen sich die Denk- und Herangehensweise an das Thema Business Model Innovation durch Vorträge von Experten, aber auch von Teilnehmern am Pilot erläutern und konkretisieren. Die BMI-Learning-Map kann in „abgespeckter“ Variante als Grundlage für eine Gruppenübung dienen (50 bis 60 Teilnehmer in Gruppen à 5), um sich mit der Methodik vertraut zu machen – denkbar ist auch eine spielerische Beschäftigung mit dem Thema, beispielsweise als Quiz oder Wettspiel, oder als Parcours-Übung, bei der die Teilnehmer sich durch 5 Stationen unterschiedlicher Business-Modell-Typen „spielen“ oder auch als Knowledge Game, wie es von Osterwalder bereits angedacht wurde.14

    Zeitnah im Anschluss an die erste BMI-Konferenz sollten dann konkrete Innovations-Sessions mit den einzelnen Unternehmen/Business Units, moderiert von Vertretern aus dem Headquarter/der Holding, durchgeführt werden, aus denen sich die Innovationsschritte für das jeweilige Unternehmen/den jeweiligen Bereich ergeben und die  indikatorenbasierten BMI-Dialoge abgeleitet werden können.

    Denkbar ist auch die Einführung eines Innovationspreises für die Online-Geschäfte, um in der Gruppe Business Unit Manager für einen  Anreiz zu sorgen, und die Ergebnisse aus dem BMI-Prozess im Jahresverlauf für das gesamte Unternehmen  transparent zu machen.

    Fazit

    In einer sich schnell ändernden und immer komplexer werdenden Welt ist die erfolgreiche Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen zu einem wesentlichen Wettbewerbsfaktor für Organisationen geworden. Ein erfolgreicher Weiterentwicklungsprozess muss hierbei vor allem auf Dialog basieren. Um das Wissenspotential einer lernenden Organisation voll ausschöpfen zu können, muss der Prozess ergebnisoffen und partizipativ gestaltet werden. Nur dadurch kann erreicht werden, dass die Weiterentwicklung eines neuen Geschäftsmodells den Wandelbedürfnissen der Organisation entspricht.

    Fußnoten

    1 Peter M. Senge (2011), Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation. Stuttgart 2011.

    2 Unter Framework verstehe ich im Folgenden mehr als den aus der Softwareentwicklung bekannten Begriff, der eine Anwendungsarchitektur vorgibt. Framework wird hier verstanden als kategorialer Rahmen (Ontologie) und Begriffsraster für das Management,  indem es einen Bezugsrahmen für die Problemlösung setzt, ohne die inhaltliche Lösung vorzugeben. Vergleich zu diesem Begriffsverständnis auch Porter, M.E. (1991) "Towards a Dynamic Theory of Strategy", Strategic Management Journal, 12 (Winter Special Issue), pp. 95-117. „A framework (…) encompasses many variables and seeks to capture much of the complexity of actual competition. Frameworks identify the relevant variables and the questions which the user must answer to develop conclusions tailored to a particular industry and company” (Ebd. S. 98)

    3 Gemeint sind vor allem Simulationsansätze, wie sie beispielsweise von Jonas R. Akerman et al. (BTS Group) mit großem Erfolg praktiziert und beschrieben werden: Using Business Simulations for Executive Development, in: James F. Bolt (ed.): The Future of Executive Development, New York 2004., S. 14ff.

    4 Gary Hamel (2000), Leading the Revolution, Boston 2000.  Einen aktuellen Überblick zur Forschungsliteratur gibt die Dissertation von Michael Zollenkop (2006), Geschäftsmodellinnovation. Initiierung eines systematischen Innovationsmanagements für Geschäftsmodelle auf Basis lebenszyklusorientierter Frühaufklärung, Frankfurt 2006.

    5 Vgl. die Übersicht bei Zollenkop (2006) ab Seite 16ff.

    6 Cohen and Levinthal (1990), “Absorptive capacity: A new perspective on learning and innovation”, Administrative Science Quarterly, Volume 35, Issue 1 pp. 128-152.

    7 Georg Schreyögg (2010), “Absorptive Capacity – Schlüsselfaktor für die Innovationsfähigkeit”, Innovationsforum der Gottlieb Daimler und Carl Benz Stiftung, 2010. [http://www.daimler-benz-stiftung.de/cms/uploads/images/service/downloads/Essay_Absorptive%20Capacity_2.pdf abgerufen am 27.03.2012]

    8 Zahra, S.A. and G. George (2002), Absorptive capacity: a review and reconceptualization, and extension. Academy of Management Review 27 (2), 185- 203.

    9 Schreyögg (2010), S. 9.

    10 Schreyögg (2010), S. 15.

    11 Um nur einige zu nennen: Denial or trivialization, Perceived invulnerabilty, Faulty conceptualizations, Debilitating emotions, Lack of knowledge, Low self-efficacy, Dysfuncional affitudes, Cognitive and motivational drift, Lack of perceived improvement, Lack of social support, Lapses, vgl. ausführlicher dazu: Howard Gardner, Changing Minds: The Art and Science of Changing Our Own and Other People's Minds, Boston 2006.

    12 Vgl. vor allem die Dissertation von Alexander Osterwalder, The Business Model Ontology - A Proposition In A Design Science Approach, Lausanne 2004 und Alexander Osterwalder/Yves Pigneur, Business Modell Generation. A Handbook for Visionaries, Game Changers, and Challengers, Hoboken 2010.

    13 Siehe die Ankündigung des Tools auf http://www.businessmodelgeneration.com/

    14 Vgl. dazu „MAPPING BUSINESS MODELS (A KNOWLEDGE GAME)” von A. Osterwalder auf www.businessmodelalchemist.com/2010/01/mapping-business-models-a-knowledge-game.html, abgerufen am 27.03.2012

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