Banken und Wissensmanagement

    24. Oktober 2000 von Redaktion

    Banken gehören zu den hochgradig auf Wissen angewiesenen Dienstleistungsunternehmen. Welche Möglichkeiten liegen für sie in der Verbindung der bekannten Informationsaufbewahrungs- und Analysemethoden mit inzwischen ausgereiften wissensbasierten Systemen? Welche organisatorischen Anforderungen bringt der Einsatz dieser Systeme mit sich?

    Besonderheiten des KM in Banken

    Unter Knowledge Management (KM) versteht man Prozesse und Prozessketten, die spezifisches Wissen allgemein zugänglich machen. Dabei kann es sich um Organisations-, Gruppen- oder individuelles Wissen handeln.
    Teil dieser Prozesse ist es, Wissen anzureichern, zu erweitern, es zu nutzen und in andere Zusammenhänge zu stellen - es sozusagen zu raffinieren.
    KM soll diese Vorgänge organisieren und überhaupt erst möglich machen. Es gehört also viel mehr dazu, als Datenbänke aufzubauen und die darin gespeicherten Daten mit mehr oder weniger geschickten Methoden wieder abzufragen und in Beziehung zu setzen.

    Um die Unternehmensziele von Banken, nämlich Produktivität, Profitabiblität und nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes  mit Hilfe von KM zu gewährleisten werden technische Systeme benötigt, die folgende Arbeitsabläufe zu unterstützen vermögen:

    • Unternehmensweiter Zugriff auf Daten und Informationen
    • Erweiterung der Datenbestände um sog. "weiche Informationen" wie Gesprächsnotizen, Bewertungen von Sitzungen und dergleichen
    • Erneute Speicherung
    • Gezielte Auswertung und Analyse der gesammelten harten und weichen Informationen
    • Erneute Speicherung des so gewonnenen Wissens

    Eine weitere Voraussetzung ist allerdings auch die Umsetzung dieser Idee im Unternehmen und die konsequente Nutzung und damit Pflege durch die Mitarbeiter.

    Wissen aufwerten durch Groupware

    Strukturierte Geschäftsdaten werden in Banken heute vielfach in Datawarehouses aufbewahrt, aus denen dann mit Hilfe von Tools Daten für bestimmte relevante Operationen wie Buchungen, Umsätze usw. herausgefiltert und bearbeitet werden können (Data Mining).

    Die neueren Entwicklungen insbesondere der letzten drei bis vier Jahre haben verstärkt den Einsatz des Data Mining oder "Knowledge Discovery" oder auch der user - bezogenen Olap/ Rolap/ Molap - Systeme hervorgebracht und damit zu einer Auffächerung der Funktionalität und auch der Komplexität von Warehouse - Infrastrukturen beigetragen.

    Daneben gibt es jedoch eine Vielzahl unstrukturierter (weicher) Daten, die in den unterschiedlichsten Formen (Notizen, Textdokumente, Webseiten...) und Formaten vorliegen können. Gerade hier liegen aber Informationen verborgen, die zu einer ganzheitlichen Einschätzung von Vorgängen entscheidend beitragen können.

    Wie können nun alle diese Informationen und Daten zusammengeführt werden und z.B. dem Kundenberater in einer Filiale zur Verfügung gestellt werden?

    Der Einsatz einer Groupware Plattform würde die Verbindung von operativen und "begleitenden" Informationen ermöglichen. Gleichzeitig entspricht diese Art der Informationsverarbeitung sehr viel mehr dem menschlichen Denken und Bewusstsein als eine rein relationale Verknüpfung von Fakten.

    Auch die mit der Sammlung, Speicherung und Nutzung verbundenen (sozialen) Funktionen wie Kommunikation, Teamarbeit und Workflow liessen sich in ein solches System integrieren und optimieren.

    Dies bedeutet jedoch auch einem weit grösseren Personenkreis als den bisher damit beschäftigten Spezialisten Zugang zu den Unternehmensdaten zu gewähren. Dies wirft nicht nur gewisse Sicherheitsprobleme auf; auch die bisher benutzten Tools reichen unter diesen Umständen nicht mehr aus.

    Eine im Sinne des KM eingesetze Groupware muss also neben Data Mining, Datenaggregation und mehrdimensionalen Auswertungen verschiedene, bisher nicht zusammengeführte Dinge leisten:

    • Unterstützung des Risikomanagements:
      Risikocontrolling durch Profitabilitätsprüfungen und Performancemessungen insbesondere im Investmentbanking und Kreditgeschäft.
    • Erhöhung der Planungseffizienz:
      Einheitlicher Zugriff auf unternehmensweite Datenbestände. Alle Entscheidungsebenen des Controlling- und Planungseinheiten eines Bankunternehmens werden herangezogen und integriert. Durch die gleichzeitige Erhebung und Analyse von Daten wird die Konsolidierungsphase beschleunigt und die Planungssicherheit erhöht.
    • Einheitliche Benutzerschnittstellen:
      Unternehmensweiter, einheitlicher Zugang durch die Groupware Plattform. Anreicherung und Wiederspeicherung der durch Datamining gewonnenen Informationen. Diese bilden wiederum die Grundlage für weitere Operationen. Durch den unternehmensweiten Zugriff wird das Wissen und die Erfahrung aller Mitarbeiter genutzt.
    • Echtzeitkommunikation:
      Entscheidungen können unmittelbar getroffen, koordiniert und umgesetzt werden. Die synchrone Kommunikationstechnik stellt einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur "agilen Bank" dar, die in der Lage ist unmittelbar und sehr schnell auf Kundenbedürfnisse zu reagieren.
      Die bekannten asynchronen Kollaborations- und Abstimmungstools wie z.B. e-mail sind darin integriert.
    • Kundenmanagement: KM trägt zum Unternehmenserfolg durch Analyse der (profitabelsten) Kundensegmente und ihrer Servicebedürfnisse bei. Sie dient auch als Grundlage für die Entwicklung und Einführung neuer Bankprodukte. KM liefert strukturierte Daten zur Verteilung der bankeigenen Serviceressourcen an die einzelnen Kundensegmente und wird damit zum Instrument des Customer Relationship Managements (CRM).
    • CRM-Tools:
      CRM-Systeme erheben, speichern und analysieren Daten zum Kundenprofil und zur Kundengeschichte, sie liefern scoring-Werte bei Kreditprodukten, ermitteln cross-selling-Potentiale, erlauben kalkulatorische Wertanalysen, ermöglichen eine Risikoeinschätzung des Kunden usw.
      Dem Kundenberater werden also harte und weiche Daten zum Kunden präsentiert und ermöglichen es ihm später seine eigenen Entscheidungen und Bemerkungen dem Gesamtwissen der Bank über den Kunden hinzuzufügen.
    • Kompetenzzentren:
      Hier wird dem Berater Expertenwissen zum Angebotsportfolio der Bank zur Verfügung gestellt und ggf. mit den erweiterten Angeboten verbündeter Unternehmen verbunden.
      Das Stichwort lautet hier "umfassende Kundenbetreuung" und ermöglicht es dem Berater seine Tätigkeit und damit die Kundenzufriedenheit zu optimieren.

    Beispielunternehmen für den Einsatz unternehmensweiter KM-Systeme

    Zu den frühesten und engagiertesten Data Warehouse-Pionieren zählen zweifelsohne die Unternehmen der Einzelhandels-Branche und teilweise auch der Telekom-Industrie.

    1. Wal-Mart
    In IT-Fachkreisen gilt das weltgrößte Einzelhandelsunternehmens Wal-Mart als Data Warehouse-Pionier. Wal-Mart hat sein erstes Data Warehouse-Projekt 1989 begonnen. Die Erfahrungen des Unternehmens sind durchaus auch für Kreditinstitute interessant. Vor allem wurde die Rolle des Wissens im Data Warehouse deutlich hervorgehoben: Warehouses sind nicht mehr nur zentrale "Repositories" für Daten und Informationen, sondern es werden auch Informationen über Prozesse gefunden. Um tatsächlich wertvolle Aussagen über Kundenverhalten und Kundengewohnheiten zu gewinnen, müssen Daten stets auf unterster Granularitätsstufe (bei einer Bank wäre das der Buchungsposten oder die Transaktion) zu erfassen sein. Wal-Mart nennt diese Wissensbestandteile "Assets". Sie ermöglichen Einblicke in die Art und Weise, wie man das Geschäft beherrscht, hieraus wiederum können Rückschlüsse über Prozeßverbesserungen gezogen werden, mit anderen Worten, das lernende Unternehmen kann aufgrund dieser Rückkoppelung Wirklichkeit werden.

    Ursprünglich hatte Wal Mart mit einer 500 MB Warehouse Datenbank begonnen, mit der 200 Millionen SQL-Anfragen bearbeitet wurden. Heutzutage hat das Warehouse einen Umfang von 24 TB und mit diesem werden etwa bis zu 90000 äußerst komplexe Anfragen pro Woche für Business-Analysten, Planer und Controller, Warenlogistik- und Database-Marketing Fachleute und Marketing-Campaign Spezialisten bearbeitet. Dies hat einen Umfang von etwa einer Billion Fragekombinationen zur Folge. Ganz wichtig ist es aber, die relevanten Kundeninformationen zu den vertriebsverantwortlichen Mitarbeitern zu bringen, eine Funktion, für die Messaging und Groupware-Funktionalität die Antwort darstellt. Eine wichtige Erkenntnis für Banken!

    2. Nasdaq
    Die derzeit größte Data Warehouse Datenbank in der gesamten Finanzwelt (und vermutlich auch insgesamt über sämtliche Branchen hinweg) läuft derzeit bei der New Yorker Technologie-Börse Nasdaq. Diese hat derzeit einen Speicherumfang von 40 TeraByte und dient primär der Überwachung der täglich an der New Yorker Börse getätigten Transaktionen. Diese für Compliance- und Insbesondere Reportingzwecke gebaute Warehouse-Anwendung dient dem täglichen Reporting an die Aufsichtsbehörde SEC. Einer der Anwendungsschwerpunkte ist das Aufdecken von Insider-Trading und anderer Unregelmäißgkeiten, die gegen die bestehenden Handelsvorschriften verstoßen.

    3. First Union Bank
    mit weltweit größtem Banken- Data Warehouse
    Die bei weitem größte Data Warehouse-Datenbank innerhalb der Kreditwirtschaft befindet sich bei der in Charlotte/Carolina beheimateten First Union Bank. Dieses Warehouse hat einen Umfang von zur Zeit 16 TeraByte und enthält die Daten zu den Kundengeschäften und Kontodetails von 16 Millionen Kunden. Die Geschäftsleitung plant den Ausbau noch in diesem Jahr auf 27 TeraByte.

    Das Warehouse wird mit IBM RS600 SP-Rechnern betrieben, deren Speicherumfang von bald 27 TB circa 27 Millionen Floppies entspricht. Als Datenbank ist ein Relationales Datenbanksystem von Informix im Einsatz. Die Auswertungs- und Modellierungssoftware für kundenspezifische Analysen sollen der Bank Wissen über die Art und Weise der Inanspruchnahme der gegenwärtigen, aber auch Hinweise auf antizipierbae Bankdienstleistungen und Produkte der Zukunft liefern. Hierzu wurde ein spezielles Data Mining-System mit dem Namen Sigma kreiert (SAS Institute), welches Ansätze zur Erkennung zukünftigen Bedarfs für Finanzierungs- und sonstige life-cycle bezogenen Bankprodukte aufspüren sollte. Das Data Warehouse enthält 24 Monate Konto- und Transaktionsdetails, die Daten werden monatlich abgeglichen und aktualisiert. Die Hauptzielrichtung ist die Kundenanalyse (CRM).

    Die Bank wiederum nutzt dieses Wissen aktiv für die gezielte Entwicklung geeigneter Internet-Bank Angebote. Die aus dem Data Warehouse gewonnenen Data Mining-Analysen wiederum werden von diversen zentralen Bereichen wie Marketing, Produkt-Management, Pre-Sales, Channel-Management und Kunden-Account Manager im Rahmen ihrer Messaging und Groupwaresysteme weiterbearbeitet und in Teams und Gruppen häufig abgerufen und weiter "angereichert". Auf diese Weise wird wiederum weiteres Wissen generiert und per e-Mail ausgetauscht und diskutiert. Hierbei hilft Lotus-Groupware Funktionalität, wie etwa Team Rooms. Beide Anwendungen, obgleich sehr unterschiedlich im Hinblick auf den Einsatzzweck des Data Warehouse, stellen den Wissens-Rohstoff für das jeweilige Institut dar, das eigene Geschäft transparenter zu machen und Hinweise auf erforderliche Korrekturen oder Neuausrichtiungen zu erhalten. Aus der Analyse dieser Datenbestände soll am Ende freilich jeweils verwertbares Wisse filtriert werden, aus dem die Anwender Anstöße und Hinweise für neue strategische Zielsetzungen entnehmen können. Mit anderen Worten: der Anfang eines Kreislaufes, bei dem das so gewonnene neue abgespeicherte Wissen den Anstoß für eine lernende Organisation bildet.

    Beispiele zitiert nach Heinz/Hargas in: "bank und markt" Nr. 10 vom 01.10.99, S. 21.

    Fazit

    Die technische Zukunft könnte so aussehen:
    Harte Daten und Fakten werden in Data Warehouses abgelegt. Spezialisierte wissensbasierte Systeme fügen die weichen Informationen dazu und dienen als Analysetools.

    Dieser Einsatz technischer Entwicklungen sollte es den Banken ermöglichen die Hauptforderungen im Zeitalter des e-commerce zu erfüllen: Kundennähe, schnelle Reaktion auf Kundenwünsche, Effizienz bei der Erfüllung dieser Wünsche.
    Agile Banken werden im schnellen, hochgradig individualisierten Business der Zukunft die besten Chancen haben.

    [Standard] Namensnennung 3.0 Deutschland - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland
    Lizenziert unter einer Creative-Commmons Lizenz

Kommentare

Das Kommentarsystem ist zurzeit deaktiviert.